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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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VII. Grundbesitz. Abgaben.
Dieser hat das Recht, jeden Augenblick frei über sein Grundstück
zu verfügen und den Pächter nach Belieben zu verjagen; es ist
aber feststehender Gebrauch, eine Familie so lange in ruhigem Besitze
zu lassen, als sie die ihr anvertrauten Aecker fleissig bebaut. So
vererbt sich der Besitz auch bei den Landleuten von Geschlecht zu
Geschlecht, und doch ist diese Erbpacht kein eigentliches Recht; der
Gebrauch besteht überall nur so lange, als kein Grund da ist ihn zu
stören. Wie der Taikun -- immer im Namen des Mikado -- das
Recht übt, in gewissen Fällen einen Daimio, ja dessen ganze Familie
zu ächten und ihres Lehens zu berauben, so hat der Grundbesitzer
sogar die Pflicht jeden Pächter auszuweisen, der ein Jahr lang seine
Felder nicht bestellt, und unter Umständen auch dessen Erben.

Der Antheil des Grundherrn an der Aernte ist nach dem
Gebrauche der einzelnen Landschaften und der Güte des Bodens
verschieden, in den meisten Gegenden aber gewiss sehr bedeutend 12).
Sein Verhältniss zum Ertrage pflegt festzustehen; der Rentmeister
des Gutsherrn reist jährlich auf dessen Besitzungen herum, misst
die Aernte einzelner Aecker aus und taxirt danach den wirklichen
Ertrag des Jahres, nach dem sich die Abgabe richtet. -- Das be-
wegliche Inventar und sämmtliche Gebäude sind Eigenthum des
Pächters, der sie bei seinem Abzuge niederreissen, mitnehmen oder
seinem Nachfolger verkaufen kann. Aehnlich scheint es in den
Städten zu sein, wo zwar die Häuser den Bürgern gehören, für
den Grund und Boden aber dem Herrn des Territoriums ein jähr-
licher Zins gezahlt wird. Auch Fremde können nicht Grundeigen-
thum erwerben; sie miethen die Bauplätze von der Regierung und

12) Nach den Angaben der Japaner betrüge der vom Landmann an den Grund-
herrn zu entrichtende Zehnte gewöhnlich ein Fünftel der Aernte. Nach Herrn
Alcocks Beschreibung der auf der Reise von Nangasaki nach Yeddo gesehenen
Strecken von Nippon und Kiusiu wäre aber das Aussehen der Landleute fast überall
sehr elend und dürftig. Sie sollen kaum mehr als das nackte Leben haben, mit
Lumpen bekleidet sein und in engen, düsteren Hütten ohne jede Bequemlichkeit
wohnen. Nur in der Nähe der Städte wäre es besser. Danach müsste man auf
einen höheren Grundzins schliessen, der in der That auch durch die Erwägung wahr-
scheinlich wird, dass so viele privilegirte Nichtsthuer -- die ungeheuere Anzahl der
zweischwertigen Samrai -- vom Schweisse des Landmannes leben. Alle Einkünfte
der Daimio's bestehen in den Naturalabgaben ihrer Pächter; jene sind die eigentlichen
Grosshändler des Landes und lassen ihren Bauern wahrscheinlich nur grade so viel,
als diese zu ihrer Existenz brauchen, oder nur geringen Ueberschuss. Die bessere
Lage der Landleute in der Nähe der Städte erklärt sich bei der Unvollkommenheit
der Transportmittel durch die leichtere und somit höhere Verwerthung ihrer Boden-
erzeugnisse.

VII. Grundbesitz. Abgaben.
Dieser hat das Recht, jeden Augenblick frei über sein Grundstück
zu verfügen und den Pächter nach Belieben zu verjagen; es ist
aber feststehender Gebrauch, eine Familie so lange in ruhigem Besitze
zu lassen, als sie die ihr anvertrauten Aecker fleissig bebaut. So
vererbt sich der Besitz auch bei den Landleuten von Geschlecht zu
Geschlecht, und doch ist diese Erbpacht kein eigentliches Recht; der
Gebrauch besteht überall nur so lange, als kein Grund da ist ihn zu
stören. Wie der Taïkūn — immer im Namen des Mikado — das
Recht übt, in gewissen Fällen einen Daïmio, ja dessen ganze Familie
zu ächten und ihres Lehens zu berauben, so hat der Grundbesitzer
sogar die Pflicht jeden Pächter auszuweisen, der ein Jahr lang seine
Felder nicht bestellt, und unter Umständen auch dessen Erben.

Der Antheil des Grundherrn an der Aernte ist nach dem
Gebrauche der einzelnen Landschaften und der Güte des Bodens
verschieden, in den meisten Gegenden aber gewiss sehr bedeutend 12).
Sein Verhältniss zum Ertrage pflegt festzustehen; der Rentmeister
des Gutsherrn reist jährlich auf dessen Besitzungen herum, misst
die Aernte einzelner Aecker aus und taxirt danach den wirklichen
Ertrag des Jahres, nach dem sich die Abgabe richtet. — Das be-
wegliche Inventar und sämmtliche Gebäude sind Eigenthum des
Pächters, der sie bei seinem Abzuge niederreissen, mitnehmen oder
seinem Nachfolger verkaufen kann. Aehnlich scheint es in den
Städten zu sein, wo zwar die Häuser den Bürgern gehören, für
den Grund und Boden aber dem Herrn des Territoriums ein jähr-
licher Zins gezahlt wird. Auch Fremde können nicht Grundeigen-
thum erwerben; sie miethen die Bauplätze von der Regierung und

12) Nach den Angaben der Japaner betrüge der vom Landmann an den Grund-
herrn zu entrichtende Zehnte gewöhnlich ein Fünftel der Aernte. Nach Herrn
Alcocks Beschreibung der auf der Reise von Naṅgasaki nach Yeddo gesehenen
Strecken von Nippon und Kiusiu wäre aber das Aussehen der Landleute fast überall
sehr elend und dürftig. Sie sollen kaum mehr als das nackte Leben haben, mit
Lumpen bekleidet sein und in engen, düsteren Hütten ohne jede Bequemlichkeit
wohnen. Nur in der Nähe der Städte wäre es besser. Danach müsste man auf
einen höheren Grundzins schliessen, der in der That auch durch die Erwägung wahr-
scheinlich wird, dass so viele privilegirte Nichtsthuer — die ungeheuere Anzahl der
zweischwertigen Samraï — vom Schweisse des Landmannes leben. Alle Einkünfte
der Daïmio’s bestehen in den Naturalabgaben ihrer Pächter; jene sind die eigentlichen
Grosshändler des Landes und lassen ihren Bauern wahrscheinlich nur grade so viel,
als diese zu ihrer Existenz brauchen, oder nur geringen Ueberschuss. Die bessere
Lage der Landleute in der Nähe der Städte erklärt sich bei der Unvollkommenheit
der Transportmittel durch die leichtere und somit höhere Verwerthung ihrer Boden-
erzeugnisse.
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[87/0107] VII. Grundbesitz. Abgaben. Dieser hat das Recht, jeden Augenblick frei über sein Grundstück zu verfügen und den Pächter nach Belieben zu verjagen; es ist aber feststehender Gebrauch, eine Familie so lange in ruhigem Besitze zu lassen, als sie die ihr anvertrauten Aecker fleissig bebaut. So vererbt sich der Besitz auch bei den Landleuten von Geschlecht zu Geschlecht, und doch ist diese Erbpacht kein eigentliches Recht; der Gebrauch besteht überall nur so lange, als kein Grund da ist ihn zu stören. Wie der Taïkūn — immer im Namen des Mikado — das Recht übt, in gewissen Fällen einen Daïmio, ja dessen ganze Familie zu ächten und ihres Lehens zu berauben, so hat der Grundbesitzer sogar die Pflicht jeden Pächter auszuweisen, der ein Jahr lang seine Felder nicht bestellt, und unter Umständen auch dessen Erben. Der Antheil des Grundherrn an der Aernte ist nach dem Gebrauche der einzelnen Landschaften und der Güte des Bodens verschieden, in den meisten Gegenden aber gewiss sehr bedeutend 12). Sein Verhältniss zum Ertrage pflegt festzustehen; der Rentmeister des Gutsherrn reist jährlich auf dessen Besitzungen herum, misst die Aernte einzelner Aecker aus und taxirt danach den wirklichen Ertrag des Jahres, nach dem sich die Abgabe richtet. — Das be- wegliche Inventar und sämmtliche Gebäude sind Eigenthum des Pächters, der sie bei seinem Abzuge niederreissen, mitnehmen oder seinem Nachfolger verkaufen kann. Aehnlich scheint es in den Städten zu sein, wo zwar die Häuser den Bürgern gehören, für den Grund und Boden aber dem Herrn des Territoriums ein jähr- licher Zins gezahlt wird. Auch Fremde können nicht Grundeigen- thum erwerben; sie miethen die Bauplätze von der Regierung und 12) Nach den Angaben der Japaner betrüge der vom Landmann an den Grund- herrn zu entrichtende Zehnte gewöhnlich ein Fünftel der Aernte. Nach Herrn Alcocks Beschreibung der auf der Reise von Naṅgasaki nach Yeddo gesehenen Strecken von Nippon und Kiusiu wäre aber das Aussehen der Landleute fast überall sehr elend und dürftig. Sie sollen kaum mehr als das nackte Leben haben, mit Lumpen bekleidet sein und in engen, düsteren Hütten ohne jede Bequemlichkeit wohnen. Nur in der Nähe der Städte wäre es besser. Danach müsste man auf einen höheren Grundzins schliessen, der in der That auch durch die Erwägung wahr- scheinlich wird, dass so viele privilegirte Nichtsthuer — die ungeheuere Anzahl der zweischwertigen Samraï — vom Schweisse des Landmannes leben. Alle Einkünfte der Daïmio’s bestehen in den Naturalabgaben ihrer Pächter; jene sind die eigentlichen Grosshändler des Landes und lassen ihren Bauern wahrscheinlich nur grade so viel, als diese zu ihrer Existenz brauchen, oder nur geringen Ueberschuss. Die bessere Lage der Landleute in der Nähe der Städte erklärt sich bei der Unvollkommenheit der Transportmittel durch die leichtere und somit höhere Verwerthung ihrer Boden- erzeugnisse.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/107>, abgerufen am 25.11.2024.