Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Verfall der Kuanbak-Herrschaft. Regierung der Ex-Mikado's.
ursprünglich im Namen der Erbkaiser übten, gingen durch den
Brauch und die Gewohnheit langer Zeiträume allmälich auf sie
selbst über. So entstanden die Erblehen. Einige dieser Fürsten
wuchsen den schwachen Kuanbak's über den Kopf und schüttelten
deren Herrschaft ab: schon im Anfange des elften Jahrhunderts
bekriegten mehrere selbstständig gewordene Daimio's einander unge-
straft, und um 1050 brach in den nördlichen Landschaften von
Nippon eine Rebellion gegen die Centralregierung aus, welche erst
nach langen heftigen Kämpfen unterdrückt wurde. Der siegende
Held dieses Krieges war Minamoto-no-Yori-yosi31), der nach
seinem Tode als Kriegsgott Fatsman-yu verehrt wurde, der Stamm-
vater der späteren Siogun-Dynastieen.



Dem einundsiebzigsten Mikado Go-Sansio32) gelang es um das
1070.Jahr 1070, dem schwachen Kuanbak das Ruder der Herrschaft zu ent-
winden; er wurde auch für kurze Zeit Herr der rebellischen Grossen.
Seine Nachfolger fuhren zwar fort den Häuptern der Fudsiwara
den hergebrachten Kuanbak-Titel zu verleihen, doch scheint dieses
Amt seitdem eine Art Hausministerium geworden zu sein; die frühere
Macht erlangten sie trotz mancherlei Versuchen niemals wieder.

Die nächsten achtzig Jahre bieten nun die merkwürdige
Erscheinung, dass die Erbkaiser, sobald sie einen lebensfähigen
Erben haben, dem Throne freiwillig entsagen, aber die Leitung
des Staates in der Hand behalten. Das Ceremoniel, mit welchem
die Kuanbak's die geheiligte Person des Mikado umgeben hatten,
und dessen man sich jetzt nicht mehr entledigen konnte, scheint
jede freie Bewegung gehemmt und ein kräftiges Eingreifen in die
Geschäfte unmöglich gemacht zu haben. Go-Sansio abdicirt schon
nach dreijähriger Regierung zu Gunsten seines Sohnes Dsiro-kawa,
der, von seinem Vater in die Geschäfte eingeweiht, im Jahre 1086
ebenfalls abdankt, um die Leitung des Staates nach dessen Tode
zu übernehmen. Er regiert das Land unter den beiden folgenden
Kaisern, seinem Sohne und Enkel. Der Letztere, Toba, resignirt

31) Auch diese Familie leitet sich von dem Geschlechte der Erbkaiser her: der
zweiundfunfzigste Mikado Saga-no-ten-o (810--823) verlieh seinen vier Töchtern
den Namen Minamoto; von einer derselben soll das Geschlecht des Yori-yosi
abstammen.

Verfall der Kuanbak-Herrschaft. Regierung der Ex-Mikado’s.
ursprünglich im Namen der Erbkaiser übten, gingen durch den
Brauch und die Gewohnheit langer Zeiträume allmälich auf sie
selbst über. So entstanden die Erblehen. Einige dieser Fürsten
wuchsen den schwachen Kuanbak’s über den Kopf und schüttelten
deren Herrschaft ab: schon im Anfange des elften Jahrhunderts
bekriegten mehrere selbstständig gewordene Daïmio’s einander unge-
straft, und um 1050 brach in den nördlichen Landschaften von
Nippon eine Rebellion gegen die Centralregierung aus, welche erst
nach langen heftigen Kämpfen unterdrückt wurde. Der siegende
Held dieses Krieges war Minamoto-no-Yori-yosi31), der nach
seinem Tode als Kriegsgott Fatsman-yu verehrt wurde, der Stamm-
vater der späteren Siogun-Dynastieen.



Dem einundsiebzigsten Mikado Go-Sansio32) gelang es um das
1070.Jahr 1070, dem schwachen Kuanbak das Ruder der Herrschaft zu ent-
winden; er wurde auch für kurze Zeit Herr der rebellischen Grossen.
Seine Nachfolger fuhren zwar fort den Häuptern der Fudsiwara
den hergebrachten Kuanbak-Titel zu verleihen, doch scheint dieses
Amt seitdem eine Art Hausministerium geworden zu sein; die frühere
Macht erlangten sie trotz mancherlei Versuchen niemals wieder.

Die nächsten achtzig Jahre bieten nun die merkwürdige
Erscheinung, dass die Erbkaiser, sobald sie einen lebensfähigen
Erben haben, dem Throne freiwillig entsagen, aber die Leitung
des Staates in der Hand behalten. Das Ceremoniel, mit welchem
die Kuanbak’s die geheiligte Person des Mikado umgeben hatten,
und dessen man sich jetzt nicht mehr entledigen konnte, scheint
jede freie Bewegung gehemmt und ein kräftiges Eingreifen in die
Geschäfte unmöglich gemacht zu haben. Go-Sansio abdicirt schon
nach dreijähriger Regierung zu Gunsten seines Sohnes Dsiro-kawa,
der, von seinem Vater in die Geschäfte eingeweiht, im Jahre 1086
ebenfalls abdankt, um die Leitung des Staates nach dessen Tode
zu übernehmen. Er regiert das Land unter den beiden folgenden
Kaisern, seinem Sohne und Enkel. Der Letztere, Toba, resignirt

31) Auch diese Familie leitet sich von dem Geschlechte der Erbkaiser her: der
zweiundfunfzigste Mikado Saga-no-ten-o (810—823) verlieh seinen vier Töchtern
den Namen Minamoto; von einer derselben soll das Geschlecht des Yori-yosi
abstammen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0062" n="32"/><fw place="top" type="header">Verfall der <hi rendition="#k">Kuanbak</hi>-Herrschaft. Regierung der <hi rendition="#k">Ex-Mikado</hi>&#x2019;s.</fw><lb/>
ursprünglich im Namen der Erbkaiser übten, gingen durch den<lb/>
Brauch und die Gewohnheit langer Zeiträume allmälich auf sie<lb/>
selbst über. So entstanden die Erblehen. Einige dieser Fürsten<lb/>
wuchsen den schwachen <hi rendition="#k">Kuanbak</hi>&#x2019;s über den Kopf und schüttelten<lb/>
deren Herrschaft ab: schon im Anfange des elften Jahrhunderts<lb/>
bekriegten mehrere selbstständig gewordene <hi rendition="#k">Daïmio</hi>&#x2019;s einander unge-<lb/>
straft, und um 1050 brach in den nördlichen Landschaften von<lb/><hi rendition="#k"><placeName>Nippon</placeName></hi> eine Rebellion gegen die Centralregierung aus, welche erst<lb/>
nach langen heftigen Kämpfen unterdrückt wurde. Der siegende<lb/>
Held dieses Krieges war <hi rendition="#k"><persName ref="nognd">Minamoto-no-Yori-yosi</persName></hi><note place="foot" n="31)">Auch diese Familie leitet sich von dem Geschlechte der Erbkaiser her: der<lb/>
zweiundfunfzigste <hi rendition="#k"><persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/n86103711">Mikado Saga-no-ten-o</persName></hi> (810&#x2014;823) verlieh seinen vier Töchtern<lb/>
den Namen <hi rendition="#k">Minamoto</hi>; von einer derselben soll das Geschlecht des <hi rendition="#k"><persName ref="nognd">Yori-yosi</persName></hi><lb/>
abstammen.</note>, der nach<lb/>
seinem Tode als Kriegsgott <hi rendition="#k">Fatsman-yu</hi> verehrt wurde, der Stamm-<lb/>
vater der späteren <hi rendition="#k">Siogun</hi>-Dynastieen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Dem einundsiebzigsten <hi rendition="#k">Mikado <persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/nr91026396">Go-Sansio</persName></hi><note place="foot" n="32)"><persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/nr91026396"><hi rendition="#k">Sansio</hi> der Zweite.</persName></note> gelang es um das<lb/><note place="left">1070.</note>Jahr 1070, dem schwachen <hi rendition="#k">Kuanbak</hi> das Ruder der Herrschaft zu ent-<lb/>
winden; er wurde auch für kurze Zeit Herr der rebellischen Grossen.<lb/>
Seine Nachfolger fuhren zwar fort den Häuptern der <hi rendition="#k">Fudsiwara</hi><lb/>
den hergebrachten <hi rendition="#k">Kuanbak</hi>-Titel zu verleihen, doch scheint dieses<lb/>
Amt seitdem eine Art Hausministerium geworden zu sein; die frühere<lb/>
Macht erlangten sie trotz mancherlei Versuchen niemals wieder.</p><lb/>
          <p>Die nächsten achtzig Jahre bieten nun die merkwürdige<lb/>
Erscheinung, dass die Erbkaiser, sobald sie einen lebensfähigen<lb/>
Erben haben, dem Throne freiwillig entsagen, aber die Leitung<lb/>
des Staates in der Hand behalten. Das Ceremoniel, mit welchem<lb/>
die <hi rendition="#k">Kuanbak</hi>&#x2019;s die geheiligte Person des <hi rendition="#k">Mikado</hi> umgeben hatten,<lb/>
und dessen man sich jetzt nicht mehr entledigen konnte, scheint<lb/>
jede freie Bewegung gehemmt und ein kräftiges Eingreifen in die<lb/>
Geschäfte unmöglich gemacht zu haben. <hi rendition="#k"><persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/nr91026396">Go-Sansio</persName></hi> abdicirt schon<lb/>
nach dreijähriger Regierung zu Gunsten seines Sohnes <hi rendition="#k"><persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/n88141280">Dsiro-kawa</persName></hi>,<lb/>
der, von seinem Vater in die Geschäfte eingeweiht, im Jahre 1086<lb/>
ebenfalls abdankt, um die Leitung des Staates nach dessen Tode<lb/>
zu übernehmen. Er regiert das Land unter den beiden folgenden<lb/>
Kaisern, seinem Sohne und Enkel. Der Letztere, <hi rendition="#k"><persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/no2008007404">Toba</persName></hi>, resignirt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0062] Verfall der Kuanbak-Herrschaft. Regierung der Ex-Mikado’s. ursprünglich im Namen der Erbkaiser übten, gingen durch den Brauch und die Gewohnheit langer Zeiträume allmälich auf sie selbst über. So entstanden die Erblehen. Einige dieser Fürsten wuchsen den schwachen Kuanbak’s über den Kopf und schüttelten deren Herrschaft ab: schon im Anfange des elften Jahrhunderts bekriegten mehrere selbstständig gewordene Daïmio’s einander unge- straft, und um 1050 brach in den nördlichen Landschaften von Nippon eine Rebellion gegen die Centralregierung aus, welche erst nach langen heftigen Kämpfen unterdrückt wurde. Der siegende Held dieses Krieges war Minamoto-no-Yori-yosi 31), der nach seinem Tode als Kriegsgott Fatsman-yu verehrt wurde, der Stamm- vater der späteren Siogun-Dynastieen. Dem einundsiebzigsten Mikado Go-Sansio 32) gelang es um das Jahr 1070, dem schwachen Kuanbak das Ruder der Herrschaft zu ent- winden; er wurde auch für kurze Zeit Herr der rebellischen Grossen. Seine Nachfolger fuhren zwar fort den Häuptern der Fudsiwara den hergebrachten Kuanbak-Titel zu verleihen, doch scheint dieses Amt seitdem eine Art Hausministerium geworden zu sein; die frühere Macht erlangten sie trotz mancherlei Versuchen niemals wieder. 1070. Die nächsten achtzig Jahre bieten nun die merkwürdige Erscheinung, dass die Erbkaiser, sobald sie einen lebensfähigen Erben haben, dem Throne freiwillig entsagen, aber die Leitung des Staates in der Hand behalten. Das Ceremoniel, mit welchem die Kuanbak’s die geheiligte Person des Mikado umgeben hatten, und dessen man sich jetzt nicht mehr entledigen konnte, scheint jede freie Bewegung gehemmt und ein kräftiges Eingreifen in die Geschäfte unmöglich gemacht zu haben. Go-Sansio abdicirt schon nach dreijähriger Regierung zu Gunsten seines Sohnes Dsiro-kawa, der, von seinem Vater in die Geschäfte eingeweiht, im Jahre 1086 ebenfalls abdankt, um die Leitung des Staates nach dessen Tode zu übernehmen. Er regiert das Land unter den beiden folgenden Kaisern, seinem Sohne und Enkel. Der Letztere, Toba, resignirt 31) Auch diese Familie leitet sich von dem Geschlechte der Erbkaiser her: der zweiundfunfzigste Mikado Saga-no-ten-o (810—823) verlieh seinen vier Töchtern den Namen Minamoto; von einer derselben soll das Geschlecht des Yori-yosi abstammen. 32) Sansio der Zweite.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/62
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/62>, abgerufen am 23.11.2024.