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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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IV. Besuche. Die Bunyo's.
Nebengebäuden eines etwa zehn Minuten von Akabane gelegenen
Tempels: man tritt aus der Strasse durch ein stattliches Portal, von
wo eine breite Steinbahn wohl dreihundert Schritt weit nach
dem etwas höher gelegenen Heiligthum hinanführt. Links von
diesem Aufgange liegt ein kleines Gebäude mit niedlichem Gärt-
chen, die Wohnung Heusken's; rechts neben dem Tempeleingange
das geräumige Haus des Minister-Residenten. Der von Herrn
von Bellecourt bewohnte Tempel Sakaidzi beherrscht, auf der
Höhe gelegen, eine weite Aussicht über den Golf, ist aber kleiner
als der amerikanische. Die schönste Umgebung hat die englische
Gesandtschaft, deren Bewohner sich zur Zeit auf einem Ausfluge
nach dem Fusiyama befanden; sie liegt etwas weiter südöst-
lich unter derselben Anhöhe, nah dem Meeresstrande in einer
weiten parkartigen Anlage, welche die Erb-Begräbnisse mehre-
rer Daimio-Familien umschliesst. Der Name dieses Tempels ist
Todzendzi.

Nachmittags an demselben Tage erschienen in Akabane
wieder die beiden Bunyo's Sakai und Hori-Oribe mit ihrem Auf-
passer und dem Dolmetscher Moriyama. Sie brachten die Nach-
richt, dass der Minister des Auswärtigen den Gesandten erst am
15. September empfangen könne, und baten diesen nochmals, doch
sogleich mit ihnen die Verhandlungen zu beginnen, was Graf
Eulenburg aus guten Gründen ablehnte. Er hatte erfahren, dass
die Stellung dieser Herren sie zu gar keiner selbstständigen Ent-
scheidung befähige, dass sie nur die Werkzeuge des Ministeriums
und ohne allen Einfluss, dass ihre Ansichten für die Regierung
ohne jede Bedeutung und Wichtigkeit seien. Man wusste genau,
was sie mitzutheilen hatten: eine positive Weigerung, jetzt mit
Preussen abzuschliessen. Unter diesen Umständen musste es wün-
schenswerth erscheinen, die ganze Sache bis zur Besprechung
mit dem Minister intact zu lassen, um dann ihm selbst mit Nach-
druck antworten zu können. Graf Eulenburg liess den Bunyo's
eine Collation vorsetzen und führte, alles Politische geflissentlich
vermeidend, die Unterhaltung auf unverfängliche Gegenstände; der
corpulente Sakai, ein munterer Lebemann, thaute bald auf und
that viele neugierige Fragen. Vor Allem interessirten ihn unsere
Aerzte: "die japanischen behandelten ihre Kranken jetzt auch auf
europäische Weise, und richteten sich dabei vorzüglich nach einem
deutschen Werke". Nach einigen Fragen kam heraus, dass es

IV. Besuche. Die Bunyo’s.
Nebengebäuden eines etwa zehn Minuten von Akabane gelegenen
Tempels: man tritt aus der Strasse durch ein stattliches Portal, von
wo eine breite Steinbahn wohl dreihundert Schritt weit nach
dem etwas höher gelegenen Heiligthum hinanführt. Links von
diesem Aufgange liegt ein kleines Gebäude mit niedlichem Gärt-
chen, die Wohnung Heusken’s; rechts neben dem Tempeleingange
das geräumige Haus des Minister-Residenten. Der von Herrn
von Bellecourt bewohnte Tempel Sakaïdži beherrscht, auf der
Höhe gelegen, eine weite Aussicht über den Golf, ist aber kleiner
als der amerikanische. Die schönste Umgebung hat die englische
Gesandtschaft, deren Bewohner sich zur Zeit auf einem Ausfluge
nach dem Fusiyama befanden; sie liegt etwas weiter südöst-
lich unter derselben Anhöhe, nah dem Meeresstrande in einer
weiten parkartigen Anlage, welche die Erb-Begräbnisse mehre-
rer Daïmio-Familien umschliesst. Der Name dieses Tempels ist
Todžendži.

Nachmittags an demselben Tage erschienen in Akabane
wieder die beiden Bunyo’s Sakaï und Hori-Oribe mit ihrem Auf-
passer und dem Dolmetscher Moriyama. Sie brachten die Nach-
richt, dass der Minister des Auswärtigen den Gesandten erst am
15. September empfangen könne, und baten diesen nochmals, doch
sogleich mit ihnen die Verhandlungen zu beginnen, was Graf
Eulenburg aus guten Gründen ablehnte. Er hatte erfahren, dass
die Stellung dieser Herren sie zu gar keiner selbstständigen Ent-
scheidung befähige, dass sie nur die Werkzeuge des Ministeriums
und ohne allen Einfluss, dass ihre Ansichten für die Regierung
ohne jede Bedeutung und Wichtigkeit seien. Man wusste genau,
was sie mitzutheilen hatten: eine positive Weigerung, jetzt mit
Preussen abzuschliessen. Unter diesen Umständen musste es wün-
schenswerth erscheinen, die ganze Sache bis zur Besprechung
mit dem Minister intact zu lassen, um dann ihm selbst mit Nach-
druck antworten zu können. Graf Eulenburg liess den Bunyo’s
eine Collation vorsetzen und führte, alles Politische geflissentlich
vermeidend, die Unterhaltung auf unverfängliche Gegenstände; der
corpulente Sakaï, ein munterer Lebemann, thaute bald auf und
that viele neugierige Fragen. Vor Allem interessirten ihn unsere
Aerzte: »die japanischen behandelten ihre Kranken jetzt auch auf
europäische Weise, und richteten sich dabei vorzüglich nach einem
deutschen Werke«. Nach einigen Fragen kam heraus, dass es

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[271/0301] IV. Besuche. Die Bunyo’s. Nebengebäuden eines etwa zehn Minuten von Akabane gelegenen Tempels: man tritt aus der Strasse durch ein stattliches Portal, von wo eine breite Steinbahn wohl dreihundert Schritt weit nach dem etwas höher gelegenen Heiligthum hinanführt. Links von diesem Aufgange liegt ein kleines Gebäude mit niedlichem Gärt- chen, die Wohnung Heusken’s; rechts neben dem Tempeleingange das geräumige Haus des Minister-Residenten. Der von Herrn von Bellecourt bewohnte Tempel Sakaïdži beherrscht, auf der Höhe gelegen, eine weite Aussicht über den Golf, ist aber kleiner als der amerikanische. Die schönste Umgebung hat die englische Gesandtschaft, deren Bewohner sich zur Zeit auf einem Ausfluge nach dem Fusiyama befanden; sie liegt etwas weiter südöst- lich unter derselben Anhöhe, nah dem Meeresstrande in einer weiten parkartigen Anlage, welche die Erb-Begräbnisse mehre- rer Daïmio-Familien umschliesst. Der Name dieses Tempels ist Todžendži. Nachmittags an demselben Tage erschienen in Akabane wieder die beiden Bunyo’s Sakaï und Hori-Oribe mit ihrem Auf- passer und dem Dolmetscher Moriyama. Sie brachten die Nach- richt, dass der Minister des Auswärtigen den Gesandten erst am 15. September empfangen könne, und baten diesen nochmals, doch sogleich mit ihnen die Verhandlungen zu beginnen, was Graf Eulenburg aus guten Gründen ablehnte. Er hatte erfahren, dass die Stellung dieser Herren sie zu gar keiner selbstständigen Ent- scheidung befähige, dass sie nur die Werkzeuge des Ministeriums und ohne allen Einfluss, dass ihre Ansichten für die Regierung ohne jede Bedeutung und Wichtigkeit seien. Man wusste genau, was sie mitzutheilen hatten: eine positive Weigerung, jetzt mit Preussen abzuschliessen. Unter diesen Umständen musste es wün- schenswerth erscheinen, die ganze Sache bis zur Besprechung mit dem Minister intact zu lassen, um dann ihm selbst mit Nach- druck antworten zu können. Graf Eulenburg liess den Bunyo’s eine Collation vorsetzen und führte, alles Politische geflissentlich vermeidend, die Unterhaltung auf unverfängliche Gegenstände; der corpulente Sakaï, ein munterer Lebemann, thaute bald auf und that viele neugierige Fragen. Vor Allem interessirten ihn unsere Aerzte: »die japanischen behandelten ihre Kranken jetzt auch auf europäische Weise, und richteten sich dabei vorzüglich nach einem deutschen Werke«. Nach einigen Fragen kam heraus, dass es

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/301>, abgerufen am 25.11.2024.