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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Die Wohnräume. IV.
Japaner verachten allen Anstrich, die Gebäude der Vornehmen
zeichnen sich nur durch kostbare Holzarten, zuweilen durch etwas
Schnitzwerk aus; aber die Arbeit ist selbst an den Pfeilern und
Balken so sauber und zierlich, wie bei uns an guten Möbeln, kein
Fleckchen, kein Riss, kein Sprung, kein schiefer Winkel sichtbar.
Die einzigen Zierrathen waren geprägte und gravirte Metallknöpfe
oder Buckel an den Verbindungspuncten der Balken, von eleganter
Form und Zeichnung. Der Eindruck des Ganzen ist sehr angenehm,
helle, luftige, behagliche Räume, in denen man sich wohl fühlt.
Das durchscheinende Papier hat durchaus die Wirkung von matt-
geschliffenem Glase und erzeugt ein mildes ruhiges Licht.

Unmittelbar an diese Gemächer lehnt sich ein langes Gebäude
mit den Wohnräumen des Gesandten und der übrigen Reisenden,
einer Reihe von Doppelzimmern, wovon das innere auf den Corridor,
das äussere wieder auf einen grünen Hof geht; eine bedeckte
Veranda läuft auch vor diesen entlang. Auf der anderen Seite des
Ganges liegen mehrere grössere Räume: das gemeinsame Esszimmer
des Gefolges und zwei Stuben zur Aufnahme der See-Officiere,
von denen immer einige als Gäste des Gesandten in Akabane weil-
ten. Vorn war eine Wachtstube für die Seesoldaten eingerichtet,
welche bei Tage einige Posten bezogen. Nach dem abgesonderten
Küchengebäude, wo Heerde nach europäischem Muster gemauert
waren, führte seitlich von dem Corridor ein bedeckter Gang. --
Das ganze Haus hatte früher in Simoda gestanden, wo man die
fremden Gesandtschaften abzufertigen dachte, und sollte nun in
Yeddo demselben Zwecke dienen.

An Möbeln kein Ueberfluss. Der Japaner sitzt, liegt und
schläft auf den weichen Binsenmatten des Fussbodens, und bewahrt
seine Habseligkeiten meist in einfachen Kasten. Einige Tische und
Stühle, keineswegs in hinreichender Anzahl, und roh gezimmerte
Bettgestelle hatte die japanische Regierung für ihre Gäste machen
lassen; alles Uebrige mussten wir mitbringen. Die Expedition zog
mit Koch und Kegel ein und machte es sich so behaglich als möglich;
es blieb aber doch ein Lagerleben und war nur bei schönem Wetter
recht angenehm. Vor Allem fehlte die Hausfrau; einer der Attaches,
welcher holländisch sprach, übernahm deren Functionen, hatte aber
die grösste Mühe den Japanern unsere Bedürfnisse begreiflich zu
machen und lag beständig in heissem Kampfe mit dem "Iseya"
oder Comprador, und den "Kodzugai's", den Hausdienern. Durch

Die Wohnräume. IV.
Japaner verachten allen Anstrich, die Gebäude der Vornehmen
zeichnen sich nur durch kostbare Holzarten, zuweilen durch etwas
Schnitzwerk aus; aber die Arbeit ist selbst an den Pfeilern und
Balken so sauber und zierlich, wie bei uns an guten Möbeln, kein
Fleckchen, kein Riss, kein Sprung, kein schiefer Winkel sichtbar.
Die einzigen Zierrathen waren geprägte und gravirte Metallknöpfe
oder Buckel an den Verbindungspuncten der Balken, von eleganter
Form und Zeichnung. Der Eindruck des Ganzen ist sehr angenehm,
helle, luftige, behagliche Räume, in denen man sich wohl fühlt.
Das durchscheinende Papier hat durchaus die Wirkung von matt-
geschliffenem Glase und erzeugt ein mildes ruhiges Licht.

Unmittelbar an diese Gemächer lehnt sich ein langes Gebäude
mit den Wohnräumen des Gesandten und der übrigen Reisenden,
einer Reihe von Doppelzimmern, wovon das innere auf den Corridor,
das äussere wieder auf einen grünen Hof geht; eine bedeckte
Veranda läuft auch vor diesen entlang. Auf der anderen Seite des
Ganges liegen mehrere grössere Räume: das gemeinsame Esszimmer
des Gefolges und zwei Stuben zur Aufnahme der See-Officiere,
von denen immer einige als Gäste des Gesandten in Akabane weil-
ten. Vorn war eine Wachtstube für die Seesoldaten eingerichtet,
welche bei Tage einige Posten bezogen. Nach dem abgesonderten
Küchengebäude, wo Heerde nach europäischem Muster gemauert
waren, führte seitlich von dem Corridor ein bedeckter Gang. —
Das ganze Haus hatte früher in Simoda gestanden, wo man die
fremden Gesandtschaften abzufertigen dachte, und sollte nun in
Yeddo demselben Zwecke dienen.

An Möbeln kein Ueberfluss. Der Japaner sitzt, liegt und
schläft auf den weichen Binsenmatten des Fussbodens, und bewahrt
seine Habseligkeiten meist in einfachen Kasten. Einige Tische und
Stühle, keineswegs in hinreichender Anzahl, und roh gezimmerte
Bettgestelle hatte die japanische Regierung für ihre Gäste machen
lassen; alles Uebrige mussten wir mitbringen. Die Expedition zog
mit Koch und Kegel ein und machte es sich so behaglich als möglich;
es blieb aber doch ein Lagerleben und war nur bei schönem Wetter
recht angenehm. Vor Allem fehlte die Hausfrau; einer der Attachés,
welcher holländisch sprach, übernahm deren Functionen, hatte aber
die grösste Mühe den Japanern unsere Bedürfnisse begreiflich zu
machen und lag beständig in heissem Kampfe mit dem »Iseya«
oder Comprador, und den »Kodžugaï’s«, den Hausdienern. Durch

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[266/0296] Die Wohnräume. IV. Japaner verachten allen Anstrich, die Gebäude der Vornehmen zeichnen sich nur durch kostbare Holzarten, zuweilen durch etwas Schnitzwerk aus; aber die Arbeit ist selbst an den Pfeilern und Balken so sauber und zierlich, wie bei uns an guten Möbeln, kein Fleckchen, kein Riss, kein Sprung, kein schiefer Winkel sichtbar. Die einzigen Zierrathen waren geprägte und gravirte Metallknöpfe oder Buckel an den Verbindungspuncten der Balken, von eleganter Form und Zeichnung. Der Eindruck des Ganzen ist sehr angenehm, helle, luftige, behagliche Räume, in denen man sich wohl fühlt. Das durchscheinende Papier hat durchaus die Wirkung von matt- geschliffenem Glase und erzeugt ein mildes ruhiges Licht. Unmittelbar an diese Gemächer lehnt sich ein langes Gebäude mit den Wohnräumen des Gesandten und der übrigen Reisenden, einer Reihe von Doppelzimmern, wovon das innere auf den Corridor, das äussere wieder auf einen grünen Hof geht; eine bedeckte Veranda läuft auch vor diesen entlang. Auf der anderen Seite des Ganges liegen mehrere grössere Räume: das gemeinsame Esszimmer des Gefolges und zwei Stuben zur Aufnahme der See-Officiere, von denen immer einige als Gäste des Gesandten in Akabane weil- ten. Vorn war eine Wachtstube für die Seesoldaten eingerichtet, welche bei Tage einige Posten bezogen. Nach dem abgesonderten Küchengebäude, wo Heerde nach europäischem Muster gemauert waren, führte seitlich von dem Corridor ein bedeckter Gang. — Das ganze Haus hatte früher in Simoda gestanden, wo man die fremden Gesandtschaften abzufertigen dachte, und sollte nun in Yeddo demselben Zwecke dienen. An Möbeln kein Ueberfluss. Der Japaner sitzt, liegt und schläft auf den weichen Binsenmatten des Fussbodens, und bewahrt seine Habseligkeiten meist in einfachen Kasten. Einige Tische und Stühle, keineswegs in hinreichender Anzahl, und roh gezimmerte Bettgestelle hatte die japanische Regierung für ihre Gäste machen lassen; alles Uebrige mussten wir mitbringen. Die Expedition zog mit Koch und Kegel ein und machte es sich so behaglich als möglich; es blieb aber doch ein Lagerleben und war nur bei schönem Wetter recht angenehm. Vor Allem fehlte die Hausfrau; einer der Attachés, welcher holländisch sprach, übernahm deren Functionen, hatte aber die grösste Mühe den Japanern unsere Bedürfnisse begreiflich zu machen und lag beständig in heissem Kampfe mit dem »Iseya« oder Comprador, und den »Kodžugaï’s«, den Hausdienern. Durch

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/296>, abgerufen am 24.11.2024.