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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Die Mannschaft. Verwüstung auf der Arkona. III.
löste die gefährlichsten und schwierigsten Aufgaben ohne einen
Augenblick ihre Kaltblütigkeit und gute Laune zu verlieren. Der
Kampf mit den Elementen schien im Gegentheil die Energie und
Fröhlichkeit der von Natur etwas träumerischen und schwerfäl-
ligen Ostseeleute zu wecken, sie stiegen munterer in die Wanten
als beim herrlichsten Wetter, und hielten aus bis zum letzten Augen-
blick ohne zu wanken und zu weichen. Ihre Unerschrockenheit
und Ausdauer, und die Ruhe und Geistesgegenwart des Comman-
danten und aller Officiere gab auch den Passagieren Vertrauen und
Sicherheit, und wer nicht an Seekrankheit litt, fand in dem ge-
waltigen Aufruhr der Elemente den grossartigsten Genuss.

Der Orkan war sehr kurz und bewegte sich von S.O. nach
N.W. Sein Durchmesser muss sehr klein, seine Axe der Arkona
um ein viertel auf zehn am nächsten gewesen sein. Der Wind
blies zwischen zehn und elf schon aus S.S.W., später aus S.W.,
und hatte so in wenig Stunden die halbe Windrose durchlaufen.
Der niedrigste Barometerstand (um 9 Uhr 15 Minuten) war 28,96:
von halb zehn fing das Quecksilber wieder an zu steigen, stand um
halb zwölf auf 29,75, und um acht Uhr Abends auf 30,14. Die
grösste Differenz betrug fast vierzehn Linien.

An Frühstück war an diesem Tage nicht zu denken gewesen;
man suchte sich eines Schiffszwiebacks zu bemächtigen und zer-
malmte ihn, so gut es gehen wollte. Nachmittags konnte aber
wieder Feuer gemacht werden, und um vier Uhr setzte man sich
in der Officiersmesse mit rühmlichem Appetit zu Tische. Seit dem
Morgen hatte sich auch dort Vieles verändert, denn für solch' tollen
Tanz war die Stauung der Schränke nicht eingerichtet; mancher
Teller, manche Flasche brach den Hals, und mancher gestern noch
rüstige Stuhl hinkte jetzt auf drei Beinen. -- Die Passagiere arbei-
teten den ganzen Abend, um ihre Kammern wieder bewohnbar zu
machen. Der Verlust an Booten, Segeln und Takelage war kein
geringer, aber der Bau des Schiffes hatte sich glänzend bewährt.

Gegen Abend bezog sich der Himmel wieder und es begann
zu regnen, aber die Luft blieb still und das Schaukeln des Schiffes
3. Septbr.wiegte die ermüdete Mannschaft in sanften Schlaf. Am folgenden
Morgen hatte sich die See wieder ganz beruhigt; da ein günstiger
Südwind aufsprang, wurden die Feuer gelöscht und Segel gesetzt.
Das Besteck war trotz den vielen Coursänderungen und der Un-
möglichkeit, bei der hohen See die Geschwindigkeit durch Loggen

Die Mannschaft. Verwüstung auf der Arkona. III.
löste die gefährlichsten und schwierigsten Aufgaben ohne einen
Augenblick ihre Kaltblütigkeit und gute Laune zu verlieren. Der
Kampf mit den Elementen schien im Gegentheil die Energie und
Fröhlichkeit der von Natur etwas träumerischen und schwerfäl-
ligen Ostseeleute zu wecken, sie stiegen munterer in die Wanten
als beim herrlichsten Wetter, und hielten aus bis zum letzten Augen-
blick ohne zu wanken und zu weichen. Ihre Unerschrockenheit
und Ausdauer, und die Ruhe und Geistesgegenwart des Comman-
danten und aller Officiere gab auch den Passagieren Vertrauen und
Sicherheit, und wer nicht an Seekrankheit litt, fand in dem ge-
waltigen Aufruhr der Elemente den grossartigsten Genuss.

Der Orkan war sehr kurz und bewegte sich von S.O. nach
N.W. Sein Durchmesser muss sehr klein, seine Axe der Arkona
um ein viertel auf zehn am nächsten gewesen sein. Der Wind
blies zwischen zehn und elf schon aus S.S.W., später aus S.W.,
und hatte so in wenig Stunden die halbe Windrose durchlaufen.
Der niedrigste Barometerstand (um 9 Uhr 15 Minuten) war 28,96:
von halb zehn fing das Quecksilber wieder an zu steigen, stand um
halb zwölf auf 29,75, und um acht Uhr Abends auf 30,14. Die
grösste Differenz betrug fast vierzehn Linien.

An Frühstück war an diesem Tage nicht zu denken gewesen;
man suchte sich eines Schiffszwiebacks zu bemächtigen und zer-
malmte ihn, so gut es gehen wollte. Nachmittags konnte aber
wieder Feuer gemacht werden, und um vier Uhr setzte man sich
in der Officiersmesse mit rühmlichem Appetit zu Tische. Seit dem
Morgen hatte sich auch dort Vieles verändert, denn für solch’ tollen
Tanz war die Stauung der Schränke nicht eingerichtet; mancher
Teller, manche Flasche brach den Hals, und mancher gestern noch
rüstige Stuhl hinkte jetzt auf drei Beinen. — Die Passagiere arbei-
teten den ganzen Abend, um ihre Kammern wieder bewohnbar zu
machen. Der Verlust an Booten, Segeln und Takelage war kein
geringer, aber der Bau des Schiffes hatte sich glänzend bewährt.

Gegen Abend bezog sich der Himmel wieder und es begann
zu regnen, aber die Luft blieb still und das Schaukeln des Schiffes
3. Septbr.wiegte die ermüdete Mannschaft in sanften Schlaf. Am folgenden
Morgen hatte sich die See wieder ganz beruhigt; da ein günstiger
Südwind aufsprang, wurden die Feuer gelöscht und Segel gesetzt.
Das Besteck war trotz den vielen Coursänderungen und der Un-
möglichkeit, bei der hohen See die Geschwindigkeit durch Loggen

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[254/0284] Die Mannschaft. Verwüstung auf der Arkona. III. löste die gefährlichsten und schwierigsten Aufgaben ohne einen Augenblick ihre Kaltblütigkeit und gute Laune zu verlieren. Der Kampf mit den Elementen schien im Gegentheil die Energie und Fröhlichkeit der von Natur etwas träumerischen und schwerfäl- ligen Ostseeleute zu wecken, sie stiegen munterer in die Wanten als beim herrlichsten Wetter, und hielten aus bis zum letzten Augen- blick ohne zu wanken und zu weichen. Ihre Unerschrockenheit und Ausdauer, und die Ruhe und Geistesgegenwart des Comman- danten und aller Officiere gab auch den Passagieren Vertrauen und Sicherheit, und wer nicht an Seekrankheit litt, fand in dem ge- waltigen Aufruhr der Elemente den grossartigsten Genuss. Der Orkan war sehr kurz und bewegte sich von S.O. nach N.W. Sein Durchmesser muss sehr klein, seine Axe der Arkona um ein viertel auf zehn am nächsten gewesen sein. Der Wind blies zwischen zehn und elf schon aus S.S.W., später aus S.W., und hatte so in wenig Stunden die halbe Windrose durchlaufen. Der niedrigste Barometerstand (um 9 Uhr 15 Minuten) war 28,96: von halb zehn fing das Quecksilber wieder an zu steigen, stand um halb zwölf auf 29,75, und um acht Uhr Abends auf 30,14. Die grösste Differenz betrug fast vierzehn Linien. An Frühstück war an diesem Tage nicht zu denken gewesen; man suchte sich eines Schiffszwiebacks zu bemächtigen und zer- malmte ihn, so gut es gehen wollte. Nachmittags konnte aber wieder Feuer gemacht werden, und um vier Uhr setzte man sich in der Officiersmesse mit rühmlichem Appetit zu Tische. Seit dem Morgen hatte sich auch dort Vieles verändert, denn für solch’ tollen Tanz war die Stauung der Schränke nicht eingerichtet; mancher Teller, manche Flasche brach den Hals, und mancher gestern noch rüstige Stuhl hinkte jetzt auf drei Beinen. — Die Passagiere arbei- teten den ganzen Abend, um ihre Kammern wieder bewohnbar zu machen. Der Verlust an Booten, Segeln und Takelage war kein geringer, aber der Bau des Schiffes hatte sich glänzend bewährt. Gegen Abend bezog sich der Himmel wieder und es begann zu regnen, aber die Luft blieb still und das Schaukeln des Schiffes wiegte die ermüdete Mannschaft in sanften Schlaf. Am folgenden Morgen hatte sich die See wieder ganz beruhigt; da ein günstiger Südwind aufsprang, wurden die Feuer gelöscht und Segel gesetzt. Das Besteck war trotz den vielen Coursänderungen und der Un- möglichkeit, bei der hohen See die Geschwindigkeit durch Loggen 3. Septbr.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/284>, abgerufen am 24.11.2024.