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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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I. Die Strafanstalt.
in Grund schiessen können. Auch gegen einen Angriff fremder
Kriegsschiffe würde das Fort die Stadt auf kurze Zeit vertheidigen
können, doch ist sein Hauptzweck der einer Zwingburg für die
asiatische Bevölkerung. Der Bau des Arsenals und der Officier-
wohnungen war schon weit vorgeschritten und zu einer Caserne für
zweihundert Artilleristen der Grund gelegt. Die Kosten betrugen
bis dahin 14,000 Pfund Sterling. -- Schön ist die Aussicht von
diesem Burghügel auf die Stadt, die Rhede, die grünen Hügel mit
den schimmernden Wohnhäusern der Europäer, besonders Morgens,
wenn leichte Nebel auf der Insel lagern, und die Wipfel der Palmen
und Casuarinen sich wie aus flockigem Federflaum erheben. Im
Westen liegt Newharbour mit den Docks der P. and O. Company,
und am Fusse des Festungshügels ein Morast, dessen schlammige
Ufer die Malaien bewohnen. Sie werden seltsamer Weise von den
schädlichen Ausdünstungen des Sumpfes nicht belästigt.

Sehr interessant und belehrend war ein Besuch in der zur
Aufnahme vorderindischer Verbrecher bestimmten Strafanstalt (Con-
vict lines). Am Eingang überrascht die geringe Stärke der Sepoy-
Wache -- zehn Mann -- und die unbedeutende Höhe der Ring-
mauer. Die Sicherheit wird aber durch die eigenthümlichen Ver-
hältnisse der Insel und durch die innere Einrichtung der Anstalt
gewährleistet, so dass es keiner äusseren Schutzmittel bedarf. Die
Gefangenen, meist Hindu's, finden entweichend weder bei Malaien
noch bei Chinesen Aufnahme, und im Walde übt der Tiger die
Polizei. Wird einer zurückgebracht, so verliert er alle durch
früheres gutes Betragen errungenen Vortheile und muss wieder in
die unterste Classe eintreten. -- Die Haupteigenthümlichkeit der
Anstalt ist die Beaufsichtigung der Sträflinge durch Sträflinge. Solche
unter ihnen, die sich längere Zeit -- fünf bis acht Jahre -- gut
betragen haben, werden als Aufseher, Schreiber und Kranken-
wärter gebraucht, und erhalten dafür ein Monatsgehalt von etwa
vier Thalern. Ueber dreihundert Stellen sind auf diese Weise be-
setzt; der Vorsteher der Anstalt, ein Hauptmann, hat ausser zwei
englischen Wachtmeistern keinen Beamten der nicht Sträfling wäre.
Die Aufseher müssen für Jeden einstehen der ihnen anvertraut
wird, auch wenn sie, wie häufig vorkommt, zum Stein- oder Holz-
hauen, zu Strassenbauten oder anderen öffentlichen Arbeiten mit
Proviant versehen auf mehrere Wochen in entlegene Gegenden der
Insel geschickt werden. Die Kosten der Anstalt sind sehr gering;

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I. Die Strafanstalt.
in Grund schiessen können. Auch gegen einen Angriff fremder
Kriegsschiffe würde das Fort die Stadt auf kurze Zeit vertheidigen
können, doch ist sein Hauptzweck der einer Zwingburg für die
asiatische Bevölkerung. Der Bau des Arsenals und der Officier-
wohnungen war schon weit vorgeschritten und zu einer Caserne für
zweihundert Artilleristen der Grund gelegt. Die Kosten betrugen
bis dahin 14,000 Pfund Sterling. — Schön ist die Aussicht von
diesem Burghügel auf die Stadt, die Rhede, die grünen Hügel mit
den schimmernden Wohnhäusern der Europäer, besonders Morgens,
wenn leichte Nebel auf der Insel lagern, und die Wipfel der Palmen
und Casuarinen sich wie aus flockigem Federflaum erheben. Im
Westen liegt Newharbour mit den Docks der P. and O. Company,
und am Fusse des Festungshügels ein Morast, dessen schlammige
Ufer die Malaien bewohnen. Sie werden seltsamer Weise von den
schädlichen Ausdünstungen des Sumpfes nicht belästigt.

Sehr interessant und belehrend war ein Besuch in der zur
Aufnahme vorderindischer Verbrecher bestimmten Strafanstalt (Con-
vict lines). Am Eingang überrascht die geringe Stärke der Sepoy-
Wache — zehn Mann — und die unbedeutende Höhe der Ring-
mauer. Die Sicherheit wird aber durch die eigenthümlichen Ver-
hältnisse der Insel und durch die innere Einrichtung der Anstalt
gewährleistet, so dass es keiner äusseren Schutzmittel bedarf. Die
Gefangenen, meist Hindu’s, finden entweichend weder bei Malaien
noch bei Chinesen Aufnahme, und im Walde übt der Tiger die
Polizei. Wird einer zurückgebracht, so verliert er alle durch
früheres gutes Betragen errungenen Vortheile und muss wieder in
die unterste Classe eintreten. — Die Haupteigenthümlichkeit der
Anstalt ist die Beaufsichtigung der Sträflinge durch Sträflinge. Solche
unter ihnen, die sich längere Zeit — fünf bis acht Jahre — gut
betragen haben, werden als Aufseher, Schreiber und Kranken-
wärter gebraucht, und erhalten dafür ein Monatsgehalt von etwa
vier Thalern. Ueber dreihundert Stellen sind auf diese Weise be-
setzt; der Vorsteher der Anstalt, ein Hauptmann, hat ausser zwei
englischen Wachtmeistern keinen Beamten der nicht Sträfling wäre.
Die Aufseher müssen für Jeden einstehen der ihnen anvertraut
wird, auch wenn sie, wie häufig vorkommt, zum Stein- oder Holz-
hauen, zu Strassenbauten oder anderen öffentlichen Arbeiten mit
Proviant versehen auf mehrere Wochen in entlegene Gegenden der
Insel geschickt werden. Die Kosten der Anstalt sind sehr gering;

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[211/0241] I. Die Strafanstalt. in Grund schiessen können. Auch gegen einen Angriff fremder Kriegsschiffe würde das Fort die Stadt auf kurze Zeit vertheidigen können, doch ist sein Hauptzweck der einer Zwingburg für die asiatische Bevölkerung. Der Bau des Arsenals und der Officier- wohnungen war schon weit vorgeschritten und zu einer Caserne für zweihundert Artilleristen der Grund gelegt. Die Kosten betrugen bis dahin 14,000 Pfund Sterling. — Schön ist die Aussicht von diesem Burghügel auf die Stadt, die Rhede, die grünen Hügel mit den schimmernden Wohnhäusern der Europäer, besonders Morgens, wenn leichte Nebel auf der Insel lagern, und die Wipfel der Palmen und Casuarinen sich wie aus flockigem Federflaum erheben. Im Westen liegt Newharbour mit den Docks der P. and O. Company, und am Fusse des Festungshügels ein Morast, dessen schlammige Ufer die Malaien bewohnen. Sie werden seltsamer Weise von den schädlichen Ausdünstungen des Sumpfes nicht belästigt. Sehr interessant und belehrend war ein Besuch in der zur Aufnahme vorderindischer Verbrecher bestimmten Strafanstalt (Con- vict lines). Am Eingang überrascht die geringe Stärke der Sepoy- Wache — zehn Mann — und die unbedeutende Höhe der Ring- mauer. Die Sicherheit wird aber durch die eigenthümlichen Ver- hältnisse der Insel und durch die innere Einrichtung der Anstalt gewährleistet, so dass es keiner äusseren Schutzmittel bedarf. Die Gefangenen, meist Hindu’s, finden entweichend weder bei Malaien noch bei Chinesen Aufnahme, und im Walde übt der Tiger die Polizei. Wird einer zurückgebracht, so verliert er alle durch früheres gutes Betragen errungenen Vortheile und muss wieder in die unterste Classe eintreten. — Die Haupteigenthümlichkeit der Anstalt ist die Beaufsichtigung der Sträflinge durch Sträflinge. Solche unter ihnen, die sich längere Zeit — fünf bis acht Jahre — gut betragen haben, werden als Aufseher, Schreiber und Kranken- wärter gebraucht, und erhalten dafür ein Monatsgehalt von etwa vier Thalern. Ueber dreihundert Stellen sind auf diese Weise be- setzt; der Vorsteher der Anstalt, ein Hauptmann, hat ausser zwei englischen Wachtmeistern keinen Beamten der nicht Sträfling wäre. Die Aufseher müssen für Jeden einstehen der ihnen anvertraut wird, auch wenn sie, wie häufig vorkommt, zum Stein- oder Holz- hauen, zu Strassenbauten oder anderen öffentlichen Arbeiten mit Proviant versehen auf mehrere Wochen in entlegene Gegenden der Insel geschickt werden. Die Kosten der Anstalt sind sehr gering; 14*

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/241>, abgerufen am 25.11.2024.