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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Admiral Putiatine in Nangasaki.
imposante Geschwader, die nie gesehenen Dampfschiffe und vor
Allem das entschlossene Auftreten Perry's, der seinen Zweck am
besten durch eine drohende Haltung zu erreichen glaubte, machten
grossen Eindruck auf die Japaner; sie liessen sich einschüchtern
und glaubten jetzt an die Möglichkeit des Krieges. Der Aufenthalt
der Amerikaner dauerte dieses Mal nur fünf Tage: der Commodor
kündigte den Japanern an, dass er im kommenden Frühjahr mit
seinem ganzen Geschwader wiederkommen würde, um sich die
Antwort des Siogun zu holen, und ging dann wieder in See.

Kurz nach dem Eintreffen Perry's bei Uraga erschien vor
Nangasaki ein russisches Geschwader unter Admiral Putiatine, der
einen Brief des kaiserlichen Staatskanzlers an den japanischen
Reichsrath überbrachte. Die Behörden nahmen das Schreiben in
Empfang, sobald sie Erlaubniss dazu aus Yeddo erhielten. Das
freundschaftliche Auftreten des russischen Bevollmächtigten, welcher
den Reichsgesetzen gemäss nach Nangasaki kam, stach eben so
günstig gegen die drohende Haltung Perry's ab, als die würdige
Sprache des russischen Schreibens gegen die gesuchte Formlosig-
keit des amerikanischen. Die Regierung beeilte sich mit Putiatine
in Unterhandlung zu treten und erklärte, dass es ihre bestimmte
Absicht sei, den Fremden die japanischen Häfen zu öffnen, sobald
die dazu nothwendigen Vorkehrungen getroffen wären; übrigens
ständen auch jetzt schon alle Häfen des Reiches solchen Schiffen
offen, die Ausbesserungen vornehmen wollten oder Holz und Wasser
brauchten; um aber jede Verwickelung zu vermeiden, sei es der
Schiffsmannschaft nicht gestattet an das Land zu kommen. Diese
Zugeständnisse seien übrigens den Fremden schon seit lange gemacht,
aber nicht zur allgemeinen Kenntniss gelangt. Was den Handel
angehe, so müssten nach einer Jahrhunderte langen Absperrung
des Reiches nothwendig einige vorbereitende Maassregeln getroffen
werden, und es sei wohl ein Jahr erforderlich, bis man einen
Handelstraktat in Wirkung bringen könne. -- Ob die Antwort so
günstig ausgefallen wäre, wenn nicht im kommenden Frühling Perry's
Besuch in Aussicht gestanden hätte, ist zweifelhaft. Die Klugheit
gebot dem friedlichen Auftreten der Russen das zu gewähren, was
man dem Drohen der Amerikaner zugestehen zu müssen erwartete,
um -- so meinte man -- einen Krieg zu vermeiden. Die Regierung
wahrte dadurch ihre Ehre und hatte wenigstens den Schein, aus
eigenem Antriebe zu handeln.


Admiral Putiatine in Naṅgasaki.
imposante Geschwader, die nie gesehenen Dampfschiffe und vor
Allem das entschlossene Auftreten Perry’s, der seinen Zweck am
besten durch eine drohende Haltung zu erreichen glaubte, machten
grossen Eindruck auf die Japaner; sie liessen sich einschüchtern
und glaubten jetzt an die Möglichkeit des Krieges. Der Aufenthalt
der Amerikaner dauerte dieses Mal nur fünf Tage: der Commodor
kündigte den Japanern an, dass er im kommenden Frühjahr mit
seinem ganzen Geschwader wiederkommen würde, um sich die
Antwort des Siogun zu holen, und ging dann wieder in See.

Kurz nach dem Eintreffen Perry’s bei Uraga erschien vor
Naṅgasaki ein russisches Geschwader unter Admiral Putiatine, der
einen Brief des kaiserlichen Staatskanzlers an den japanischen
Reichsrath überbrachte. Die Behörden nahmen das Schreiben in
Empfang, sobald sie Erlaubniss dazu aus Yeddo erhielten. Das
freundschaftliche Auftreten des russischen Bevollmächtigten, welcher
den Reichsgesetzen gemäss nach Naṅgasaki kam, stach eben so
günstig gegen die drohende Haltung Perry’s ab, als die würdige
Sprache des russischen Schreibens gegen die gesuchte Formlosig-
keit des amerikanischen. Die Regierung beeilte sich mit Putiatine
in Unterhandlung zu treten und erklärte, dass es ihre bestimmte
Absicht sei, den Fremden die japanischen Häfen zu öffnen, sobald
die dazu nothwendigen Vorkehrungen getroffen wären; übrigens
ständen auch jetzt schon alle Häfen des Reiches solchen Schiffen
offen, die Ausbesserungen vornehmen wollten oder Holz und Wasser
brauchten; um aber jede Verwickelung zu vermeiden, sei es der
Schiffsmannschaft nicht gestattet an das Land zu kommen. Diese
Zugeständnisse seien übrigens den Fremden schon seit lange gemacht,
aber nicht zur allgemeinen Kenntniss gelangt. Was den Handel
angehe, so müssten nach einer Jahrhunderte langen Absperrung
des Reiches nothwendig einige vorbereitende Maassregeln getroffen
werden, und es sei wohl ein Jahr erforderlich, bis man einen
Handelstraktat in Wirkung bringen könne. — Ob die Antwort so
günstig ausgefallen wäre, wenn nicht im kommenden Frühling Perry’s
Besuch in Aussicht gestanden hätte, ist zweifelhaft. Die Klugheit
gebot dem friedlichen Auftreten der Russen das zu gewähren, was
man dem Drohen der Amerikaner zugestehen zu müssen erwartete,
um — so meinte man — einen Krieg zu vermeiden. Die Regierung
wahrte dadurch ihre Ehre und hatte wenigstens den Schein, aus
eigenem Antriebe zu handeln.


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[175/0205] Admiral Putiatine in Naṅgasaki. imposante Geschwader, die nie gesehenen Dampfschiffe und vor Allem das entschlossene Auftreten Perry’s, der seinen Zweck am besten durch eine drohende Haltung zu erreichen glaubte, machten grossen Eindruck auf die Japaner; sie liessen sich einschüchtern und glaubten jetzt an die Möglichkeit des Krieges. Der Aufenthalt der Amerikaner dauerte dieses Mal nur fünf Tage: der Commodor kündigte den Japanern an, dass er im kommenden Frühjahr mit seinem ganzen Geschwader wiederkommen würde, um sich die Antwort des Siogun zu holen, und ging dann wieder in See. Kurz nach dem Eintreffen Perry’s bei Uraga erschien vor Naṅgasaki ein russisches Geschwader unter Admiral Putiatine, der einen Brief des kaiserlichen Staatskanzlers an den japanischen Reichsrath überbrachte. Die Behörden nahmen das Schreiben in Empfang, sobald sie Erlaubniss dazu aus Yeddo erhielten. Das freundschaftliche Auftreten des russischen Bevollmächtigten, welcher den Reichsgesetzen gemäss nach Naṅgasaki kam, stach eben so günstig gegen die drohende Haltung Perry’s ab, als die würdige Sprache des russischen Schreibens gegen die gesuchte Formlosig- keit des amerikanischen. Die Regierung beeilte sich mit Putiatine in Unterhandlung zu treten und erklärte, dass es ihre bestimmte Absicht sei, den Fremden die japanischen Häfen zu öffnen, sobald die dazu nothwendigen Vorkehrungen getroffen wären; übrigens ständen auch jetzt schon alle Häfen des Reiches solchen Schiffen offen, die Ausbesserungen vornehmen wollten oder Holz und Wasser brauchten; um aber jede Verwickelung zu vermeiden, sei es der Schiffsmannschaft nicht gestattet an das Land zu kommen. Diese Zugeständnisse seien übrigens den Fremden schon seit lange gemacht, aber nicht zur allgemeinen Kenntniss gelangt. Was den Handel angehe, so müssten nach einer Jahrhunderte langen Absperrung des Reiches nothwendig einige vorbereitende Maassregeln getroffen werden, und es sei wohl ein Jahr erforderlich, bis man einen Handelstraktat in Wirkung bringen könne. — Ob die Antwort so günstig ausgefallen wäre, wenn nicht im kommenden Frühling Perry’s Besuch in Aussicht gestanden hätte, ist zweifelhaft. Die Klugheit gebot dem friedlichen Auftreten der Russen das zu gewähren, was man dem Drohen der Amerikaner zugestehen zu müssen erwartete, um — so meinte man — einen Krieg zu vermeiden. Die Regierung wahrte dadurch ihre Ehre und hatte wenigstens den Schein, aus eigenem Antriebe zu handeln.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/205>, abgerufen am 06.05.2024.