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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Titsingh's Nachfolger. Neue Beschränkung.
davon. Das aus 50 Personen bestehende Dolmetscher-Collegium
und viele andere Aemter waren ganz auf die Niederländer ange-
wiesen -- ganz Nangasaki soll fast ausschliesslich vom Handel mit
den Ausländern gelebt haben. Nur um Jenen ihre Erwerbsquelle
zu erhalten und die Verbindung mit Europa nicht ganz abzubrechen,
scheint die japanische Regierung den Verkehr mit den Holländern
fortgesetzt und Opfer dafür gebracht zu haben. Selbst wenn ihnen
europäische Artikel ein Bedürfniss gewesen wären, so konnten sie
solche seit Ende des vorigen Jahrhunderts von den Chinesen wohl-
feiler beziehen als von den Holländern.

Titsingh's Nachfolger verdarben durch unvorsichtiges Beneh-
men wieder, was er gebessert hatte. Der Siogun wünschte zwei
persische Pferde zu besitzen, welche die Compagnie ihm auch
schickte, und bestellte bald darauf noch ein gleiches Paar. Unglück-
licher Weise aber fand sein einziger Sohn, der Thronfolger, mit
einem dieser Pferde stürzend, seinen Tod; das Gegengeschenk,
welches für das erste Paar in 500 Pikul Kupfer bestanden hatte,
blieb für das zweite Paar aus, und der Handelsvorsteher war un-
vorsichtig genug, wiederholt daran zu erinnern. Dazu kam, dass
sich die Holländer seit 1789 der ferneren Lieferung der sogenannten
"Nangasakischen Geschenke" weigerten, eines an die dortigen
Beamten zu entrichtenden Tributes, welcher die Kosten der Factorei
mit 12,000 Gulden jährlich beschwerte. Diese unklugen Maassregeln
hatten die Beschränkung des Privilegiums der Hofreise auf die
vierjährige Frist und die Verminderung der Kupferausfuhr auf ein
Minimum zur Folge: "die Bergwerke seien erschöpft, nur um die
alte Freundschaft mit den Niederländern zu erhalten, bringe der
Siogun dieses Opfer." Den Schlusssatz der kaiserlichen Verord-
nung, welche den Holländern drohte ihre Waaren zu verbrennen
und ihrem Aufenthalte in Japan ein Ende zu machen, wenn sie sich
noch einmal unterständen auf Erhöhung der Kupferlieferung anzu-
tragen, liessen die japanischen Dolmetscher in der Uebersetzung
fort; diese Veruntreuung wurde aber entdeckt und hatte die Hin-
richtung von mehreren dabei betheiligten Beamten zur Folge. Die
Regierung zu Batavia wollte um diese Zeit den japanischen Handel
ganz aufgeben, die Oberbehörde im Vaterlande liess es aber nicht
zu und begnügte sich in Erwartung besserer Zeiten, die Ausgaben
möglichst zu beschränken. -- Der Krieg in Europa machte es den
Holländern unmöglich, die von den Japanern bestellten Waaren

Titsingh’s Nachfolger. Neue Beschränkung.
davon. Das aus 50 Personen bestehende Dolmetscher-Collegium
und viele andere Aemter waren ganz auf die Niederländer ange-
wiesen — ganz Naṅgasaki soll fast ausschliesslich vom Handel mit
den Ausländern gelebt haben. Nur um Jenen ihre Erwerbsquelle
zu erhalten und die Verbindung mit Europa nicht ganz abzubrechen,
scheint die japanische Regierung den Verkehr mit den Holländern
fortgesetzt und Opfer dafür gebracht zu haben. Selbst wenn ihnen
europäische Artikel ein Bedürfniss gewesen wären, so konnten sie
solche seit Ende des vorigen Jahrhunderts von den Chinesen wohl-
feiler beziehen als von den Holländern.

Titsingh’s Nachfolger verdarben durch unvorsichtiges Beneh-
men wieder, was er gebessert hatte. Der Siogun wünschte zwei
persische Pferde zu besitzen, welche die Compagnie ihm auch
schickte, und bestellte bald darauf noch ein gleiches Paar. Unglück-
licher Weise aber fand sein einziger Sohn, der Thronfolger, mit
einem dieser Pferde stürzend, seinen Tod; das Gegengeschenk,
welches für das erste Paar in 500 Pikul Kupfer bestanden hatte,
blieb für das zweite Paar aus, und der Handelsvorsteher war un-
vorsichtig genug, wiederholt daran zu erinnern. Dazu kam, dass
sich die Holländer seit 1789 der ferneren Lieferung der sogenannten
»Nangasakischen Geschenke« weigerten, eines an die dortigen
Beamten zu entrichtenden Tributes, welcher die Kosten der Factorei
mit 12,000 Gulden jährlich beschwerte. Diese unklugen Maassregeln
hatten die Beschränkung des Privilegiums der Hofreise auf die
vierjährige Frist und die Verminderung der Kupferausfuhr auf ein
Minimum zur Folge: »die Bergwerke seien erschöpft, nur um die
alte Freundschaft mit den Niederländern zu erhalten, bringe der
Siogun dieses Opfer.« Den Schlusssatz der kaiserlichen Verord-
nung, welche den Holländern drohte ihre Waaren zu verbrennen
und ihrem Aufenthalte in Japan ein Ende zu machen, wenn sie sich
noch einmal unterständen auf Erhöhung der Kupferlieferung anzu-
tragen, liessen die japanischen Dolmetscher in der Uebersetzung
fort; diese Veruntreuung wurde aber entdeckt und hatte die Hin-
richtung von mehreren dabei betheiligten Beamten zur Folge. Die
Regierung zu Batavia wollte um diese Zeit den japanischen Handel
ganz aufgeben, die Oberbehörde im Vaterlande liess es aber nicht
zu und begnügte sich in Erwartung besserer Zeiten, die Ausgaben
möglichst zu beschränken. — Der Krieg in Europa machte es den
Holländern unmöglich, die von den Japanern bestellten Waaren

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[151/0181] Titsingh’s Nachfolger. Neue Beschränkung. davon. Das aus 50 Personen bestehende Dolmetscher-Collegium und viele andere Aemter waren ganz auf die Niederländer ange- wiesen — ganz Naṅgasaki soll fast ausschliesslich vom Handel mit den Ausländern gelebt haben. Nur um Jenen ihre Erwerbsquelle zu erhalten und die Verbindung mit Europa nicht ganz abzubrechen, scheint die japanische Regierung den Verkehr mit den Holländern fortgesetzt und Opfer dafür gebracht zu haben. Selbst wenn ihnen europäische Artikel ein Bedürfniss gewesen wären, so konnten sie solche seit Ende des vorigen Jahrhunderts von den Chinesen wohl- feiler beziehen als von den Holländern. Titsingh’s Nachfolger verdarben durch unvorsichtiges Beneh- men wieder, was er gebessert hatte. Der Siogun wünschte zwei persische Pferde zu besitzen, welche die Compagnie ihm auch schickte, und bestellte bald darauf noch ein gleiches Paar. Unglück- licher Weise aber fand sein einziger Sohn, der Thronfolger, mit einem dieser Pferde stürzend, seinen Tod; das Gegengeschenk, welches für das erste Paar in 500 Pikul Kupfer bestanden hatte, blieb für das zweite Paar aus, und der Handelsvorsteher war un- vorsichtig genug, wiederholt daran zu erinnern. Dazu kam, dass sich die Holländer seit 1789 der ferneren Lieferung der sogenannten »Nangasakischen Geschenke« weigerten, eines an die dortigen Beamten zu entrichtenden Tributes, welcher die Kosten der Factorei mit 12,000 Gulden jährlich beschwerte. Diese unklugen Maassregeln hatten die Beschränkung des Privilegiums der Hofreise auf die vierjährige Frist und die Verminderung der Kupferausfuhr auf ein Minimum zur Folge: »die Bergwerke seien erschöpft, nur um die alte Freundschaft mit den Niederländern zu erhalten, bringe der Siogun dieses Opfer.« Den Schlusssatz der kaiserlichen Verord- nung, welche den Holländern drohte ihre Waaren zu verbrennen und ihrem Aufenthalte in Japan ein Ende zu machen, wenn sie sich noch einmal unterständen auf Erhöhung der Kupferlieferung anzu- tragen, liessen die japanischen Dolmetscher in der Uebersetzung fort; diese Veruntreuung wurde aber entdeckt und hatte die Hin- richtung von mehreren dabei betheiligten Beamten zur Folge. Die Regierung zu Batavia wollte um diese Zeit den japanischen Handel ganz aufgeben, die Oberbehörde im Vaterlande liess es aber nicht zu und begnügte sich in Erwartung besserer Zeiten, die Ausgaben möglichst zu beschränken. — Der Krieg in Europa machte es den Holländern unmöglich, die von den Japanern bestellten Waaren

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/181>, abgerufen am 27.11.2024.