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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Der Priesterstand; Sclaven. -- Wirkungen des Absperrungs-Systemes.
Geistlichen dem Range nach über dem Kriegerstande, in der Praxis
aber geniessen nur die Priester einiger Sinto-Secten gleichen An-
sehns mit den Samrai, zu welchen sie gehören. Die Bonzen der
meisten buddistischen Secten -- und diese bilden die Mehrheit des
Priesterstandes -- stehen in sehr geringer Achtung. -- Jyeyas soll
seiner Zeit den Mikado, um ihn in seine Gewalt zu bekommen, dazu
vermocht haben, seine beiden Söhne zu Oberpriestern der Haupt-
tempel von Yeddo zu ernennen, während früher Miako der Sitz
der geistlichen Oberhäupter von Japan war. Noch jetzt sind unter
den höchsten Staatsbeamten in Yeddo einige, deren Functionen
sich auf den religiösen Cultus beziehen -- die Niederländer nannten
sie Tempelherren. -- Ausser den Priestern giebt es viele Arten von
Mönchs- und Nonnenorden, welche durch das ganze Land verbreitet
sind, eine feste und anerkannte Organisation und jeder ein beson-
deres Oberhaupt haben; diese Ordensvorsteher lebten früher eben-
falls in Miako.

Es soll Sclaven in Japan geben, Abkömmlinge von Kriegs-
gefangenen aus alter Zeit und solche, die von unbemittelten Eltern in
die Knechtschaft verkauft worden sind. Die Nachrichten darüber
sind dunkel und voll Widersprüche. Allem Anscheine nach ist nur
der Verkauf auf eine bestimmte Reihe von Jahren gestattet, nach
deren Ablauf der Geknechtete wieder frei wird. Aelteren Nachrichten
zufolge dürfen die Herren ihre Sclaven aus eigener Machtvoll-
kommenheit nach den Landesgesetzen und sogar mit dem Tode
bestrafen, verfallen aber selbst dem Gesetze, wenn sie dabei grausam
oder ungerecht verfahren.



Dass der Wohlstand und die Gesittung der Japaner sich
unter dem beschriebenen Regimente bedeutend gehoben hat, ist
schon gesagt worden. Der Charakter des Volkes ist heute ziemlich
derselbe, wie vor zweihundert Jahren, im Wesentlichen passen die
Schilderungen des Franz Xaver und anderer Reisenden aus dem
sechszehnten und siebzehnten Jahrhundert auch auf die heutigen
Japaner; aber ihre Sitten sind durch den langen Frieden milder,
ihre Anschauungen freier und menschlicher geworden. Der Druck,
unter welchem das japanische Volk lebte, scheint seiner Entwickelung
heilsam gewesen zu sein. Das System des Jyeyas war gegen die
Zustände des funfzehnten und sechszehnten Jahrhunderts eine grosse

Der Priesterstand; Sclaven. — Wirkungen des Absperrungs-Systemes.
Geistlichen dem Range nach über dem Kriegerstande, in der Praxis
aber geniessen nur die Priester einiger Sinto-Secten gleichen An-
sehns mit den Samraï, zu welchen sie gehören. Die Bonzen der
meisten buddistischen Secten — und diese bilden die Mehrheit des
Priesterstandes — stehen in sehr geringer Achtung. — Jyeyas soll
seiner Zeit den Mikado, um ihn in seine Gewalt zu bekommen, dazu
vermocht haben, seine beiden Söhne zu Oberpriestern der Haupt-
tempel von Yeddo zu ernennen, während früher Miako der Sitz
der geistlichen Oberhäupter von Japan war. Noch jetzt sind unter
den höchsten Staatsbeamten in Yeddo einige, deren Functionen
sich auf den religiösen Cultus beziehen — die Niederländer nannten
sie Tempelherren. — Ausser den Priestern giebt es viele Arten von
Mönchs- und Nonnenorden, welche durch das ganze Land verbreitet
sind, eine feste und anerkannte Organisation und jeder ein beson-
deres Oberhaupt haben; diese Ordensvorsteher lebten früher eben-
falls in Miako.

Es soll Sclaven in Japan geben, Abkömmlinge von Kriegs-
gefangenen aus alter Zeit und solche, die von unbemittelten Eltern in
die Knechtschaft verkauft worden sind. Die Nachrichten darüber
sind dunkel und voll Widersprüche. Allem Anscheine nach ist nur
der Verkauf auf eine bestimmte Reihe von Jahren gestattet, nach
deren Ablauf der Geknechtete wieder frei wird. Aelteren Nachrichten
zufolge dürfen die Herren ihre Sclaven aus eigener Machtvoll-
kommenheit nach den Landesgesetzen und sogar mit dem Tode
bestrafen, verfallen aber selbst dem Gesetze, wenn sie dabei grausam
oder ungerecht verfahren.



Dass der Wohlstand und die Gesittung der Japaner sich
unter dem beschriebenen Regimente bedeutend gehoben hat, ist
schon gesagt worden. Der Charakter des Volkes ist heute ziemlich
derselbe, wie vor zweihundert Jahren, im Wesentlichen passen die
Schilderungen des Franz Xaver und anderer Reisenden aus dem
sechszehnten und siebzehnten Jahrhundert auch auf die heutigen
Japaner; aber ihre Sitten sind durch den langen Frieden milder,
ihre Anschauungen freier und menschlicher geworden. Der Druck,
unter welchem das japanische Volk lebte, scheint seiner Entwickelung
heilsam gewesen zu sein. Das System des Jyeyas war gegen die
Zustände des funfzehnten und sechszehnten Jahrhunderts eine grosse

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[128/0158] Der Priesterstand; Sclaven. — Wirkungen des Absperrungs-Systemes. Geistlichen dem Range nach über dem Kriegerstande, in der Praxis aber geniessen nur die Priester einiger Sinto-Secten gleichen An- sehns mit den Samraï, zu welchen sie gehören. Die Bonzen der meisten buddistischen Secten — und diese bilden die Mehrheit des Priesterstandes — stehen in sehr geringer Achtung. — Jyeyas soll seiner Zeit den Mikado, um ihn in seine Gewalt zu bekommen, dazu vermocht haben, seine beiden Söhne zu Oberpriestern der Haupt- tempel von Yeddo zu ernennen, während früher Miako der Sitz der geistlichen Oberhäupter von Japan war. Noch jetzt sind unter den höchsten Staatsbeamten in Yeddo einige, deren Functionen sich auf den religiösen Cultus beziehen — die Niederländer nannten sie Tempelherren. — Ausser den Priestern giebt es viele Arten von Mönchs- und Nonnenorden, welche durch das ganze Land verbreitet sind, eine feste und anerkannte Organisation und jeder ein beson- deres Oberhaupt haben; diese Ordensvorsteher lebten früher eben- falls in Miako. Es soll Sclaven in Japan geben, Abkömmlinge von Kriegs- gefangenen aus alter Zeit und solche, die von unbemittelten Eltern in die Knechtschaft verkauft worden sind. Die Nachrichten darüber sind dunkel und voll Widersprüche. Allem Anscheine nach ist nur der Verkauf auf eine bestimmte Reihe von Jahren gestattet, nach deren Ablauf der Geknechtete wieder frei wird. Aelteren Nachrichten zufolge dürfen die Herren ihre Sclaven aus eigener Machtvoll- kommenheit nach den Landesgesetzen und sogar mit dem Tode bestrafen, verfallen aber selbst dem Gesetze, wenn sie dabei grausam oder ungerecht verfahren. Dass der Wohlstand und die Gesittung der Japaner sich unter dem beschriebenen Regimente bedeutend gehoben hat, ist schon gesagt worden. Der Charakter des Volkes ist heute ziemlich derselbe, wie vor zweihundert Jahren, im Wesentlichen passen die Schilderungen des Franz Xaver und anderer Reisenden aus dem sechszehnten und siebzehnten Jahrhundert auch auf die heutigen Japaner; aber ihre Sitten sind durch den langen Frieden milder, ihre Anschauungen freier und menschlicher geworden. Der Druck, unter welchem das japanische Volk lebte, scheint seiner Entwickelung heilsam gewesen zu sein. Das System des Jyeyas war gegen die Zustände des funfzehnten und sechszehnten Jahrhunderts eine grosse

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/158>, abgerufen am 23.11.2024.