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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Communalverfassung.

Die Bunyo's haben, wie die Daimio's, Gewalt über Leben
und Tod ihrer Untergebenen, üben als Statthalter in ihren Districten
die höchste Gerichtsbarkeit aus und sind nur der Centralbehörde
verantwortlich, welche sie auf das strengste beaufsichtigt und für
alle Ungehörigkeiten bestraft. Die japanischen Beamten müssen,
gleichviel ob befähigt und vorbereitet oder nicht, jede ihnen vom
Siogun übertragene Stellung annehmen. Blinder Gehorsam gegen
den Vorgesetzten ist die unverbrüchliche Regel, jede Abweichung
davon gilt für ehrlos.

Wie der Lehnsadel und die kaiserlichen Statthalter der Central-
regierung, so sind Jenen die Communalbehörden für das Volk ver-
antwortlich. Die Städte und Flecken sind in Strassen abgetheilt,
deren jede etwa hundert Häuser umfasst; sie können durch Thore
von den Nachbarstrassen abgeschlossen werden. Jeder Hausvater
muss nicht nur für seine eigene, sondern auch für die fünf ihm
zunächst wohnenden Familien einstehen; der Gassenmeister, Ottona,
dem zwei Gehülfen, die Kasira, beigegeben sind, ist für seine
Strasse dem Viertelsmeister, dieser wieder dem Bürgermeister ver-
antwortlich. Letztere Würde soll häufig in den ersten Bürger-
familien erblich sein, während die niederen Aemter durch die Wahl
der Bürger unter Bestätigung der Oberbehörde besetzt werden.
Die Bürgermeister sind den kaiserlichen oder fürstlichen Beamten
verantwortlich; -- ein Generalaufpasser hat die Obliegenheit, von
Allem, was vorgeht, zuerst unterrichtet zu sein und den Behörden
Anzeige zu machen. -- Aehnlich ist die Einrichtung auf dem Lande,
doch giebt es wahrscheinlich viele Abweichungen in den verschie-
denen Theilen des Reiches, denn die Regierung der Siogun's scheint
den Grundsatz befolgt zu haben, den einzelnen Landschaften ihre
von Alters her eingelebten Institutionen zu lassen. Die Lehnsfürsten
haben sogar die Befugniss, auf ihren Territorien selbstständig Gesetze
und Verordnungen zu erlassen, sofern dieselben nur nicht mit den
Interessen des Gesammtstaates oder anderer Landestheile -- oder
mit den Befehlen des Siogun collidiren. Die Communalbehörden
haben für die öffentliche Sicherheit zu sorgen; am Ende jeder
Strasse steht ein Wachthaus, wo die Kasira und der Reihe nach
einige von den Hausvätern die Wache beziehen. Diese halten Nachts
ihre Umgänge, zeigen durch lautes Zusammenschlagen zweier Hölzer
die Stunden an und spähen von hohen Warten aus nach den
Feuersbrünsten, welche dann durch Glockenklang der Bevölkerung

Communalverfassung.

Die Bunyo’s haben, wie die Daïmio’s, Gewalt über Leben
und Tod ihrer Untergebenen, üben als Statthalter in ihren Districten
die höchste Gerichtsbarkeit aus und sind nur der Centralbehörde
verantwortlich, welche sie auf das strengste beaufsichtigt und für
alle Ungehörigkeiten bestraft. Die japanischen Beamten müssen,
gleichviel ob befähigt und vorbereitet oder nicht, jede ihnen vom
Siogun übertragene Stellung annehmen. Blinder Gehorsam gegen
den Vorgesetzten ist die unverbrüchliche Regel, jede Abweichung
davon gilt für ehrlos.

Wie der Lehnsadel und die kaiserlichen Statthalter der Central-
regierung, so sind Jenen die Communalbehörden für das Volk ver-
antwortlich. Die Städte und Flecken sind in Strassen abgetheilt,
deren jede etwa hundert Häuser umfasst; sie können durch Thore
von den Nachbarstrassen abgeschlossen werden. Jeder Hausvater
muss nicht nur für seine eigene, sondern auch für die fünf ihm
zunächst wohnenden Familien einstehen; der Gassenmeister, Ottona,
dem zwei Gehülfen, die Kasira, beigegeben sind, ist für seine
Strasse dem Viertelsmeister, dieser wieder dem Bürgermeister ver-
antwortlich. Letztere Würde soll häufig in den ersten Bürger-
familien erblich sein, während die niederen Aemter durch die Wahl
der Bürger unter Bestätigung der Oberbehörde besetzt werden.
Die Bürgermeister sind den kaiserlichen oder fürstlichen Beamten
verantwortlich; — ein Generalaufpasser hat die Obliegenheit, von
Allem, was vorgeht, zuerst unterrichtet zu sein und den Behörden
Anzeige zu machen. — Aehnlich ist die Einrichtung auf dem Lande,
doch giebt es wahrscheinlich viele Abweichungen in den verschie-
denen Theilen des Reiches, denn die Regierung der Siogun’s scheint
den Grundsatz befolgt zu haben, den einzelnen Landschaften ihre
von Alters her eingelebten Institutionen zu lassen. Die Lehnsfürsten
haben sogar die Befugniss, auf ihren Territorien selbstständig Gesetze
und Verordnungen zu erlassen, sofern dieselben nur nicht mit den
Interessen des Gesammtstaates oder anderer Landestheile — oder
mit den Befehlen des Siogun collidiren. Die Communalbehörden
haben für die öffentliche Sicherheit zu sorgen; am Ende jeder
Strasse steht ein Wachthaus, wo die Kasira und der Reihe nach
einige von den Hausvätern die Wache beziehen. Diese halten Nachts
ihre Umgänge, zeigen durch lautes Zusammenschlagen zweier Hölzer
die Stunden an und spähen von hohen Warten aus nach den
Feuersbrünsten, welche dann durch Glockenklang der Bevölkerung

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[124/0154] Communalverfassung. Die Bunyo’s haben, wie die Daïmio’s, Gewalt über Leben und Tod ihrer Untergebenen, üben als Statthalter in ihren Districten die höchste Gerichtsbarkeit aus und sind nur der Centralbehörde verantwortlich, welche sie auf das strengste beaufsichtigt und für alle Ungehörigkeiten bestraft. Die japanischen Beamten müssen, gleichviel ob befähigt und vorbereitet oder nicht, jede ihnen vom Siogun übertragene Stellung annehmen. Blinder Gehorsam gegen den Vorgesetzten ist die unverbrüchliche Regel, jede Abweichung davon gilt für ehrlos. Wie der Lehnsadel und die kaiserlichen Statthalter der Central- regierung, so sind Jenen die Communalbehörden für das Volk ver- antwortlich. Die Städte und Flecken sind in Strassen abgetheilt, deren jede etwa hundert Häuser umfasst; sie können durch Thore von den Nachbarstrassen abgeschlossen werden. Jeder Hausvater muss nicht nur für seine eigene, sondern auch für die fünf ihm zunächst wohnenden Familien einstehen; der Gassenmeister, Ottona, dem zwei Gehülfen, die Kasira, beigegeben sind, ist für seine Strasse dem Viertelsmeister, dieser wieder dem Bürgermeister ver- antwortlich. Letztere Würde soll häufig in den ersten Bürger- familien erblich sein, während die niederen Aemter durch die Wahl der Bürger unter Bestätigung der Oberbehörde besetzt werden. Die Bürgermeister sind den kaiserlichen oder fürstlichen Beamten verantwortlich; — ein Generalaufpasser hat die Obliegenheit, von Allem, was vorgeht, zuerst unterrichtet zu sein und den Behörden Anzeige zu machen. — Aehnlich ist die Einrichtung auf dem Lande, doch giebt es wahrscheinlich viele Abweichungen in den verschie- denen Theilen des Reiches, denn die Regierung der Siogun’s scheint den Grundsatz befolgt zu haben, den einzelnen Landschaften ihre von Alters her eingelebten Institutionen zu lassen. Die Lehnsfürsten haben sogar die Befugniss, auf ihren Territorien selbstständig Gesetze und Verordnungen zu erlassen, sofern dieselben nur nicht mit den Interessen des Gesammtstaates oder anderer Landestheile — oder mit den Befehlen des Siogun collidiren. Die Communalbehörden haben für die öffentliche Sicherheit zu sorgen; am Ende jeder Strasse steht ein Wachthaus, wo die Kasira und der Reihe nach einige von den Hausvätern die Wache beziehen. Diese halten Nachts ihre Umgänge, zeigen durch lautes Zusammenschlagen zweier Hölzer die Stunden an und spähen von hohen Warten aus nach den Feuersbrünsten, welche dann durch Glockenklang der Bevölkerung

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/154>, abgerufen am 22.11.2024.