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Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751.

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Theil I. Cap. I. Satz 12.
eine Ursache angeben, warum er dennoch den
heiligen Geist die Gemahlin GOttes nenne?
warum er nicht eben so wohl sage, der Sohn
habe zween Väter oder zwo Mütter? warum
er den Sohn nicht eben so wohl eine Tochter
dieser Eltern nenne, die menschliche Natur
beyseitgesezet? warum er nicht vom Vater ohne
Unterscheid sage, Er und Sie, und so auch
vom Sohn und vom heiligen Geiste? inglei-
chem, warum er den heiligen Geist in seinem
Amte durch eine Weibsperson, die deswegen
nach ihrem Amts-Character in allen Gemei-
nen die Mutter genennet ward, repräsentiren
lassen? Hat aber die Benennung einen Grund,
so muß der Ordinarius unumgänglich den hei-
ligen Geist auf die jenige Weise, wie der Himm-
lische Vater ohne menschlich-männliches Ge-
schlecht Vater ist, für die Mutter erkennen,
und einen GOtte geziemenden Unterscheid zwi-
schen der Vaterschaft und Mutterschaft zeigen,
der noch vor dem Unterscheid des Erzeugens und
des Ausgebärens hergehe. Ja weil derselbe
bey den Menschen der Mutter viel etwas meh-
rers als dem Vater zuschreibt, und seine
menschliche Vergleichung so hoch treibet, so
könnte man von ihm eine Entscheidung fordern,
wie es sich in der GOttheit mit dem Sohn ver-
halte. Wir stehen still: doch muß man zeigen,
wohin sich des Ordinarii Einfalt versteige,
in der hiebey vorgewendeten philosophisch-
practischen Klugheit.


§ 69.

Theil I. Cap. I. Satz 12.
eine Urſache angeben, warum er dennoch den
heiligen Geiſt die Gemahlin GOttes nenne?
warum er nicht eben ſo wohl ſage, der Sohn
habe zween Vaͤter oder zwo Muͤtter? warum
er den Sohn nicht eben ſo wohl eine Tochter
dieſer Eltern nenne, die menſchliche Natur
beyſeitgeſezet? warum er nicht vom Vater ohne
Unterſcheid ſage, Er und Sie, und ſo auch
vom Sohn und vom heiligen Geiſte? inglei-
chem, warum er den heiligen Geiſt in ſeinem
Amte durch eine Weibsperſon, die deswegen
nach ihrem Amts-Character in allen Gemei-
nen die Mutter genennet ward, repraͤſentiren
laſſen? Hat aber die Benennung einen Grund,
ſo muß der Ordinarius unumgaͤnglich den hei-
ligen Geiſt auf die jenige Weiſe, wie der Him̃-
liſche Vater ohne menſchlich-maͤnnliches Ge-
ſchlecht Vater iſt, fuͤr die Mutter erkennen,
und einen GOtte geziemenden Unterſcheid zwi-
ſchen der Vaterſchaft und Mutterſchaft zeigen,
der noch vor dem Unterſcheid des Erzeugens und
des Ausgebaͤrens hergehe. Ja weil derſelbe
bey den Menſchen der Mutter viel etwas meh-
rers als dem Vater zuſchreibt, und ſeine
menſchliche Vergleichung ſo hoch treibet, ſo
koͤnnte man von ihm eine Entſcheidung fordern,
wie es ſich in der GOttheit mit dem Sohn ver-
halte. Wir ſtehen ſtill: doch muß man zeigen,
wohin ſich des Ordinarii Einfalt verſteige,
in der hiebey vorgewendeten philoſophiſch-
practiſchen Klugheit.


§ 69.
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[72/0092] Theil I. Cap. I. Satz 12. eine Urſache angeben, warum er dennoch den heiligen Geiſt die Gemahlin GOttes nenne? warum er nicht eben ſo wohl ſage, der Sohn habe zween Vaͤter oder zwo Muͤtter? warum er den Sohn nicht eben ſo wohl eine Tochter dieſer Eltern nenne, die menſchliche Natur beyſeitgeſezet? warum er nicht vom Vater ohne Unterſcheid ſage, Er und Sie, und ſo auch vom Sohn und vom heiligen Geiſte? inglei- chem, warum er den heiligen Geiſt in ſeinem Amte durch eine Weibsperſon, die deswegen nach ihrem Amts-Character in allen Gemei- nen die Mutter genennet ward, repraͤſentiren laſſen? Hat aber die Benennung einen Grund, ſo muß der Ordinarius unumgaͤnglich den hei- ligen Geiſt auf die jenige Weiſe, wie der Him̃- liſche Vater ohne menſchlich-maͤnnliches Ge- ſchlecht Vater iſt, fuͤr die Mutter erkennen, und einen GOtte geziemenden Unterſcheid zwi- ſchen der Vaterſchaft und Mutterſchaft zeigen, der noch vor dem Unterſcheid des Erzeugens und des Ausgebaͤrens hergehe. Ja weil derſelbe bey den Menſchen der Mutter viel etwas meh- rers als dem Vater zuſchreibt, und ſeine menſchliche Vergleichung ſo hoch treibet, ſo koͤnnte man von ihm eine Entſcheidung fordern, wie es ſich in der GOttheit mit dem Sohn ver- halte. Wir ſtehen ſtill: doch muß man zeigen, wohin ſich des Ordinarii Einfalt verſteige, in der hiebey vorgewendeten philoſophiſch- practiſchen Klugheit. § 69.

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Zitationshilfe: Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/92>, abgerufen am 24.11.2024.