Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beckmann, Johann: Anleitung zur Technologie. Göttingen, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite
Achter Abschnitt.
1. Die Zeit der Erfindung des Branteweins, die
auf sehr viele Gewerbe, auf den Handel, auf
die Lebensart, Gesundheit und Glückseligkeit
der Menschen einen bewundernswürdigen Ein-
fluß gehabt hat, ist nicht mit Gewißheit be-
kant. Daß der erste von Arabern aus Wein
gemacht, und deswegen vinum vstum genant
worden; daß Arabische Aerzte ihn zuerst zu
Arzueyen angewendet; daß die Europäer ihn
aus arabischen Büchern kennen gelernt haben;
und daß seine Bereitung noch ums Jahr 1333
sehr schwierig und umständlich gewesen ist,
auch noch von den Chemisten als eine geheime
Kunst angesehen worden, wird aus den Schrif-
ten des Arnolds von Ville Neuve (Arnoldus
de villa nova)
, des Raymundus Lull und
des Theophrastus Paracelsus mehr als wahr-
scheinlich, und ohne Grund geben einige den
Arnold für den Erfinder an. Alexander Tas-
soni
erzählt, die Modeneser hätten zuerst in
Europa, zur Zeit eines gar zu ergiebigen
Weinwuchses, Brantewein in Menge gemacht
und verhandelt. Die deutschen Bergleute hät-
ten sich zuerst an dieses Getränk gewöhnt, und
der starke Verbrauch hätte die Venetianer früh
angetrieben, dieses Gewerb und den Handel
mit den Modenesern zu theilen. Jnzwischen
scheint der Brantewein doch erst gegen das
Ende des funfzehnten Jahrhunderts in allge-
meinen Gebrauch gekommen zu seyn, und da-
mals hieß er noch gebranter Wein. Jn des
Erzstif[ts] Cölln Reformation aus dem er-
sten Viertel des 16ten Jahrhunderts, kömt
er noch nicht vor, ungeachtet er daselbst
hätte genant werden müssen, wenn er damals
schon in Westphalen gebräuchlich gewesen wä-
re. Landgraf Wilhelm II verordnete in den
ersten Jahren des sechszehnten Jahrhunderts:
"Wer
Achter Abſchnitt.
1. Die Zeit der Erfindung des Branteweins, die
auf ſehr viele Gewerbe, auf den Handel, auf
die Lebensart, Geſundheit und Gluͤckſeligkeit
der Menſchen einen bewundernswuͤrdigen Ein-
fluß gehabt hat, iſt nicht mit Gewißheit be-
kant. Daß der erſte von Arabern aus Wein
gemacht, und deswegen vinum vſtum genant
worden; daß Arabiſche Aerzte ihn zuerſt zu
Arzueyen angewendet; daß die Europaͤer ihn
aus arabiſchen Buͤchern kennen gelernt haben;
und daß ſeine Bereitung noch ums Jahr 1333
ſehr ſchwierig und umſtaͤndlich geweſen iſt,
auch noch von den Chemiſten als eine geheime
Kunſt angeſehen worden, wird aus den Schrif-
ten des Arnolds von Ville Neuve (Arnoldus
de villa nova)
, des Raymundus Lull und
des Theophraſtus Paracelſus mehr als wahr-
ſcheinlich, und ohne Grund geben einige den
Arnold fuͤr den Erfinder an. Alexander Taſ-
ſoni
erzaͤhlt, die Modeneſer haͤtten zuerſt in
Europa, zur Zeit eines gar zu ergiebigen
Weinwuchſes, Brantewein in Menge gemacht
und verhandelt. Die deutſchen Bergleute haͤt-
ten ſich zuerſt an dieſes Getraͤnk gewoͤhnt, und
der ſtarke Verbrauch haͤtte die Venetianer fruͤh
angetrieben, dieſes Gewerb und den Handel
mit den Modeneſern zu theilen. Jnzwiſchen
ſcheint der Brantewein doch erſt gegen das
Ende des funfzehnten Jahrhunderts in allge-
meinen Gebrauch gekommen zu ſeyn, und da-
mals hieß er noch gebranter Wein. Jn des
Erzſtif[ts] Coͤlln Reformation aus dem er-
ſten Viertel des 16ten Jahrhunderts, koͤmt
er noch nicht vor, ungeachtet er daſelbſt
haͤtte genant werden muͤſſen, wenn er damals
ſchon in Weſtphalen gebraͤuchlich geweſen waͤ-
re. Landgraf Wilhelm II verordnete in den
erſten Jahren des ſechszehnten Jahrhunderts:
“Wer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0166" n="106"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Achter Ab&#x017F;chnitt.</hi> </fw><lb/>
          <list>
            <item>1. Die Zeit der Erfindung des Branteweins, die<lb/>
auf &#x017F;ehr viele Gewerbe, auf den Handel, auf<lb/>
die Lebensart, Ge&#x017F;undheit und Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit<lb/>
der Men&#x017F;chen einen bewundernswu&#x0364;rdigen Ein-<lb/>
fluß gehabt hat, i&#x017F;t nicht mit Gewißheit be-<lb/>
kant. Daß der er&#x017F;te von Arabern aus Wein<lb/>
gemacht, und deswegen <hi rendition="#aq">vinum v&#x017F;tum</hi> genant<lb/>
worden; daß Arabi&#x017F;che Aerzte ihn zuer&#x017F;t zu<lb/>
Arzueyen angewendet; daß die Europa&#x0364;er ihn<lb/>
aus arabi&#x017F;chen Bu&#x0364;chern kennen gelernt haben;<lb/>
und daß &#x017F;eine Bereitung noch ums Jahr 1333<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;chwierig und um&#x017F;ta&#x0364;ndlich gewe&#x017F;en i&#x017F;t,<lb/>
auch noch von den Chemi&#x017F;ten als eine geheime<lb/>
Kun&#x017F;t ange&#x017F;ehen worden, wird aus den Schrif-<lb/>
ten des <hi rendition="#fr">Arnolds von Ville Neuve</hi> <hi rendition="#aq">(Arnoldus<lb/>
de villa nova)</hi>, des <hi rendition="#fr">Raymundus Lull</hi> und<lb/>
des <hi rendition="#fr">Theophra&#x017F;tus Paracel&#x017F;us</hi> mehr als wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich, und ohne Grund geben einige den<lb/>
Arnold fu&#x0364;r den Erfinder an. <hi rendition="#fr">Alexander Ta&#x017F;-<lb/>
&#x017F;oni</hi> erza&#x0364;hlt, die Modene&#x017F;er ha&#x0364;tten zuer&#x017F;t in<lb/>
Europa, zur Zeit eines gar zu ergiebigen<lb/>
Weinwuch&#x017F;es, Brantewein in Menge gemacht<lb/>
und verhandelt. Die deut&#x017F;chen Bergleute ha&#x0364;t-<lb/>
ten &#x017F;ich zuer&#x017F;t an die&#x017F;es Getra&#x0364;nk gewo&#x0364;hnt, und<lb/>
der &#x017F;tarke Verbrauch ha&#x0364;tte die Venetianer fru&#x0364;h<lb/>
angetrieben, die&#x017F;es Gewerb und den Handel<lb/>
mit den Modene&#x017F;ern zu theilen. Jnzwi&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;cheint der Brantewein doch er&#x017F;t gegen das<lb/>
Ende des funfzehnten Jahrhunderts in allge-<lb/>
meinen Gebrauch gekommen zu &#x017F;eyn, und da-<lb/>
mals hieß er noch <hi rendition="#fr">gebranter Wein.</hi> Jn des<lb/><hi rendition="#fr">Erz&#x017F;tif<supplied>ts</supplied> Co&#x0364;lln Reformation</hi> aus dem er-<lb/>
&#x017F;ten Viertel des 16ten Jahrhunderts, ko&#x0364;mt<lb/>
er noch nicht vor, ungeachtet er da&#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ha&#x0364;tte genant werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, wenn er damals<lb/>
&#x017F;chon in We&#x017F;tphalen gebra&#x0364;uchlich gewe&#x017F;en wa&#x0364;-<lb/>
re. Landgraf <hi rendition="#fr">Wilhelm</hi> <hi rendition="#aq">II</hi> verordnete in den<lb/>
er&#x017F;ten Jahren des &#x017F;echszehnten Jahrhunderts:<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201C;Wer</fw><lb/></item>
          </list>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0166] Achter Abſchnitt. 1. Die Zeit der Erfindung des Branteweins, die auf ſehr viele Gewerbe, auf den Handel, auf die Lebensart, Geſundheit und Gluͤckſeligkeit der Menſchen einen bewundernswuͤrdigen Ein- fluß gehabt hat, iſt nicht mit Gewißheit be- kant. Daß der erſte von Arabern aus Wein gemacht, und deswegen vinum vſtum genant worden; daß Arabiſche Aerzte ihn zuerſt zu Arzueyen angewendet; daß die Europaͤer ihn aus arabiſchen Buͤchern kennen gelernt haben; und daß ſeine Bereitung noch ums Jahr 1333 ſehr ſchwierig und umſtaͤndlich geweſen iſt, auch noch von den Chemiſten als eine geheime Kunſt angeſehen worden, wird aus den Schrif- ten des Arnolds von Ville Neuve (Arnoldus de villa nova), des Raymundus Lull und des Theophraſtus Paracelſus mehr als wahr- ſcheinlich, und ohne Grund geben einige den Arnold fuͤr den Erfinder an. Alexander Taſ- ſoni erzaͤhlt, die Modeneſer haͤtten zuerſt in Europa, zur Zeit eines gar zu ergiebigen Weinwuchſes, Brantewein in Menge gemacht und verhandelt. Die deutſchen Bergleute haͤt- ten ſich zuerſt an dieſes Getraͤnk gewoͤhnt, und der ſtarke Verbrauch haͤtte die Venetianer fruͤh angetrieben, dieſes Gewerb und den Handel mit den Modeneſern zu theilen. Jnzwiſchen ſcheint der Brantewein doch erſt gegen das Ende des funfzehnten Jahrhunderts in allge- meinen Gebrauch gekommen zu ſeyn, und da- mals hieß er noch gebranter Wein. Jn des Erzſtifts Coͤlln Reformation aus dem er- ſten Viertel des 16ten Jahrhunderts, koͤmt er noch nicht vor, ungeachtet er daſelbſt haͤtte genant werden muͤſſen, wenn er damals ſchon in Weſtphalen gebraͤuchlich geweſen waͤ- re. Landgraf Wilhelm II verordnete in den erſten Jahren des ſechszehnten Jahrhunderts: “Wer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beckmann_technologie_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beckmann_technologie_1777/166
Zitationshilfe: Beckmann, Johann: Anleitung zur Technologie. Göttingen, 1777, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beckmann_technologie_1777/166>, abgerufen am 25.11.2024.