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Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860.

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kräftigen müsse, um den andern Gebieten des Lebens aufzu-
helfen. Dem entspricht dann aber auch, daß die Familie auch
äußerlich durch das Haus angefaßt werde, daß sie auch durch
das Haus als eine Familie hingestellt werde. Wenn ein echtes
Familienleben zu Stande kommen soll, daß man das Gefühl
hat, man gehöre in einer andern Weise zusammen als in der,
in welcher alle Menschen zusammengehören, muß eine gewisse
Abgeschlossenheit vorhanden sein. Man wird deßwegen kein
kalter Egoist. Jch kann dennoch mit meinem Nachbar im Frieden
leben; ja ich werde weit eher mit ihm im Frieden leben, wenn
ein jeder seine eigene Hausthüre hat. Diese ewige Ver-
brüderung, die sich bis in das Jnnerste der Häuser fortpflanzt,
taugt nichts. Jch kann mich mit den Menschen verbrüdern,
sobald ich zur Hausthüre hinaus bin, schon auf der Gasse, ge-
schweige an den Orten der gemeinsamen Arbeiten, geselliger oder
ernster Zusammenkünfte. Ein Winkelchen sollte man noch haben,
da man für sich ist. Und wo noch ein Zustand einfacher Natür-
lichkeit ist, macht sich dieses Bestreben auch geltend. Unsere
Zeit, die in allem zur Jndustrie wird, hat uns diese kasernen-
artigen Häuser gebracht, die außen fix und innen nix sind,
außen Palläste vorstellen und inwendig enge Zimmer haben,
schlechte, dunkle Gänge, steile Treppen, stinkende oder gar keine
Abtritte, Keller- und Dachwohnungen, viele Leute drin, daß
jedes Winkelchen Zins trägt, und es Allen schlecht ist. Wie
gemeinsame Wohnungen hundert Anlässe zu Streit und Ver-
drießlichkeiten geben, davon wollen wir gar nichts sagen; wir
halten uns hier einfach an das Sprichwort: "Ein halbes Haus
ist eine halbe Hölle."

Der Form nach wird das Haus in feuchten, sumpfigen
Gegenden mehr in die Höhe gehen, in hohen, dem Winde stark
ausgesetzten niedrig sein; in der Regel soll es nicht weiter in
die Luft hinaufragen, als es sich auf der Oberfläche ausdehnt,
also ungefähr die Würfelform haben.

Sein Raum soll der Zahl der Bewohner entsprechend sein,
und der Raum auf eine Person nach der Luft berechnet werden,
die wir zu einem gesunden und vernünftigen Leben brauchen.
Auf die Stunde sollte der Mensch einen Würfel Luft von 200

kräftigen müſſe, um den andern Gebieten des Lebens aufzu-
helfen. Dem entſpricht dann aber auch, daß die Familie auch
äußerlich durch das Haus angefaßt werde, daß ſie auch durch
das Haus als eine Familie hingeſtellt werde. Wenn ein echtes
Familienleben zu Stande kommen ſoll, daß man das Gefühl
hat, man gehöre in einer andern Weiſe zuſammen als in der,
in welcher alle Menſchen zuſammengehören, muß eine gewiſſe
Abgeſchloſſenheit vorhanden ſein. Man wird deßwegen kein
kalter Egoiſt. Jch kann dennoch mit meinem Nachbar im Frieden
leben; ja ich werde weit eher mit ihm im Frieden leben, wenn
ein jeder ſeine eigene Hausthüre hat. Dieſe ewige Ver-
brüderung, die ſich bis in das Jnnerſte der Häuſer fortpflanzt,
taugt nichts. Jch kann mich mit den Menſchen verbrüdern,
ſobald ich zur Hausthüre hinaus bin, ſchon auf der Gaſſe, ge-
ſchweige an den Orten der gemeinſamen Arbeiten, geſelliger oder
ernſter Zuſammenkünfte. Ein Winkelchen ſollte man noch haben,
da man für ſich iſt. Und wo noch ein Zuſtand einfacher Natür-
lichkeit iſt, macht ſich dieſes Beſtreben auch geltend. Unſere
Zeit, die in allem zur Jnduſtrie wird, hat uns dieſe kaſernen-
artigen Häuſer gebracht, die außen fix und innen nix ſind,
außen Palläſte vorſtellen und inwendig enge Zimmer haben,
ſchlechte, dunkle Gänge, ſteile Treppen, ſtinkende oder gar keine
Abtritte, Keller- und Dachwohnungen, viele Leute drin, daß
jedes Winkelchen Zins trägt, und es Allen ſchlecht iſt. Wie
gemeinſame Wohnungen hundert Anläſſe zu Streit und Ver-
drießlichkeiten geben, davon wollen wir gar nichts ſagen; wir
halten uns hier einfach an das Sprichwort: „Ein halbes Haus
iſt eine halbe Hölle.“

Der Form nach wird das Haus in feuchten, ſumpfigen
Gegenden mehr in die Höhe gehen, in hohen, dem Winde ſtark
ausgeſetzten niedrig ſein; in der Regel ſoll es nicht weiter in
die Luft hinaufragen, als es ſich auf der Oberfläche ausdehnt,
alſo ungefähr die Würfelform haben.

Sein Raum ſoll der Zahl der Bewohner entſprechend ſein,
und der Raum auf eine Perſon nach der Luft berechnet werden,
die wir zu einem geſunden und vernünftigen Leben brauchen.
Auf die Stunde ſollte der Menſch einen Würfel Luft von 200

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[40/0040] kräftigen müſſe, um den andern Gebieten des Lebens aufzu- helfen. Dem entſpricht dann aber auch, daß die Familie auch äußerlich durch das Haus angefaßt werde, daß ſie auch durch das Haus als eine Familie hingeſtellt werde. Wenn ein echtes Familienleben zu Stande kommen ſoll, daß man das Gefühl hat, man gehöre in einer andern Weiſe zuſammen als in der, in welcher alle Menſchen zuſammengehören, muß eine gewiſſe Abgeſchloſſenheit vorhanden ſein. Man wird deßwegen kein kalter Egoiſt. Jch kann dennoch mit meinem Nachbar im Frieden leben; ja ich werde weit eher mit ihm im Frieden leben, wenn ein jeder ſeine eigene Hausthüre hat. Dieſe ewige Ver- brüderung, die ſich bis in das Jnnerſte der Häuſer fortpflanzt, taugt nichts. Jch kann mich mit den Menſchen verbrüdern, ſobald ich zur Hausthüre hinaus bin, ſchon auf der Gaſſe, ge- ſchweige an den Orten der gemeinſamen Arbeiten, geſelliger oder ernſter Zuſammenkünfte. Ein Winkelchen ſollte man noch haben, da man für ſich iſt. Und wo noch ein Zuſtand einfacher Natür- lichkeit iſt, macht ſich dieſes Beſtreben auch geltend. Unſere Zeit, die in allem zur Jnduſtrie wird, hat uns dieſe kaſernen- artigen Häuſer gebracht, die außen fix und innen nix ſind, außen Palläſte vorſtellen und inwendig enge Zimmer haben, ſchlechte, dunkle Gänge, ſteile Treppen, ſtinkende oder gar keine Abtritte, Keller- und Dachwohnungen, viele Leute drin, daß jedes Winkelchen Zins trägt, und es Allen ſchlecht iſt. Wie gemeinſame Wohnungen hundert Anläſſe zu Streit und Ver- drießlichkeiten geben, davon wollen wir gar nichts ſagen; wir halten uns hier einfach an das Sprichwort: „Ein halbes Haus iſt eine halbe Hölle.“ Der Form nach wird das Haus in feuchten, ſumpfigen Gegenden mehr in die Höhe gehen, in hohen, dem Winde ſtark ausgeſetzten niedrig ſein; in der Regel ſoll es nicht weiter in die Luft hinaufragen, als es ſich auf der Oberfläche ausdehnt, alſo ungefähr die Würfelform haben. Sein Raum ſoll der Zahl der Bewohner entſprechend ſein, und der Raum auf eine Perſon nach der Luft berechnet werden, die wir zu einem geſunden und vernünftigen Leben brauchen. Auf die Stunde ſollte der Menſch einen Würfel Luft von 200

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Zitationshilfe: Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860/40>, abgerufen am 22.11.2024.