Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

Mauern mit Holzwerk ausgeschlagen, getäfelt, oder wenigstens
mit einem festen Papier sammt gehöriger Unterlage überzogen
sein. Die Farbe der Wände soll so sein, daß das Auge da-
durch nicht in einen Reizungszustand versetzt wird; weiße über-
tünchte Wände sind in Zimmern, in denen man sich oft auf-
halten muß, zu vermeiden.

Gestampfte Erde, sogenannter Pisebau, leitet Kälte und
Wärme zu gut; das Holzwerk, das damit in Berührung kommt,
fault leicht; auch eignet sich diese Bauart namentlich in Gegen-
den nicht, die von Ueberschwemmungen heimgesucht werden; auch
Runsen und Waldbächen in den Bergen würden solche Gebäude
wahrscheinlich einen schwachen Widerstand leisten. Jndessen be-
vor ich in einem schlechten Holz- oder gemauerten Hause mit
zehn und zwanzig Parten zusammen wohnte und das ganze
Jahr wegen jeder verbrannten Mehlsuppe stritte, stampfte ich
lieber Erde oder Moos zwischen Latten zu einem eigenen Häus-
chen zusammen, und wenn ich alle zwei Jahre so ein Häuschen
zurecht stampfen müßte.

Die Bedachung wird auch je nach dem Lande verschieden
sein, aus Holz, Stroh, Schiefer, Steinen oder Ziegeln bestehen.
Das beste wird ein guter Ziegel sein. Der Einrichtung nach,
um dieses hier gleich abzuthun, soll das Dach mäßig geneigt
sein, damit das Wasser gut abfließe und es doch kein thurm-
ähnliches Aussehen gewinne; es soll nicht zu weit vorspringen,
daß Luft und Licht den obern Zimmern nicht zu sehr abgesperrt
wird; nicht zu viel Winkel, Ecken und Spitzen enthalten, son-
dern so einfach als möglich sein, damit Regen und Schnee nicht
länger als nöthig verweilen und in's Jnnere dringen.

Um das Holzwerk des Hauses, sei das Haus ganz aus Holz
gebaut oder gemauert, vor der Fäulniß zu bewahren, ist Luft
das beste und einzige Mittel. Luft soll vom Keller bis zum
Dachstuhl in Zimmern, auf Gängen und Treppen freien und
ungehinderten Zutritt haben.

4. Die Einrichtung. Das Haus soll eine Einzelwoh-
nung sein, d. h. für eine Familie eingerichtet. Man predigt
heutzutage von allen Dächern, wie die Familie der Grundstock
der Gesellschaft und des Staates sei, und wie man die Familie

Mauern mit Holzwerk ausgeſchlagen, getäfelt, oder wenigſtens
mit einem feſten Papier ſammt gehöriger Unterlage überzogen
ſein. Die Farbe der Wände ſoll ſo ſein, daß das Auge da-
durch nicht in einen Reizungszuſtand verſetzt wird; weiße über-
tünchte Wände ſind in Zimmern, in denen man ſich oft auf-
halten muß, zu vermeiden.

Geſtampfte Erde, ſogenannter Piſébau, leitet Kälte und
Wärme zu gut; das Holzwerk, das damit in Berührung kommt,
fault leicht; auch eignet ſich dieſe Bauart namentlich in Gegen-
den nicht, die von Ueberſchwemmungen heimgeſucht werden; auch
Runſen und Waldbächen in den Bergen würden ſolche Gebäude
wahrſcheinlich einen ſchwachen Widerſtand leiſten. Jndeſſen be-
vor ich in einem ſchlechten Holz- oder gemauerten Hauſe mit
zehn und zwanzig Parten zuſammen wohnte und das ganze
Jahr wegen jeder verbrannten Mehlſuppe ſtritte, ſtampfte ich
lieber Erde oder Moos zwiſchen Latten zu einem eigenen Häus-
chen zuſammen, und wenn ich alle zwei Jahre ſo ein Häuschen
zurecht ſtampfen müßte.

Die Bedachung wird auch je nach dem Lande verſchieden
ſein, aus Holz, Stroh, Schiefer, Steinen oder Ziegeln beſtehen.
Das beſte wird ein guter Ziegel ſein. Der Einrichtung nach,
um dieſes hier gleich abzuthun, ſoll das Dach mäßig geneigt
ſein, damit das Waſſer gut abfließe und es doch kein thurm-
ähnliches Ausſehen gewinne; es ſoll nicht zu weit vorſpringen,
daß Luft und Licht den obern Zimmern nicht zu ſehr abgeſperrt
wird; nicht zu viel Winkel, Ecken und Spitzen enthalten, ſon-
dern ſo einfach als möglich ſein, damit Regen und Schnee nicht
länger als nöthig verweilen und in's Jnnere dringen.

Um das Holzwerk des Hauſes, ſei das Haus ganz aus Holz
gebaut oder gemauert, vor der Fäulniß zu bewahren, iſt Luft
das beſte und einzige Mittel. Luft ſoll vom Keller bis zum
Dachſtuhl in Zimmern, auf Gängen und Treppen freien und
ungehinderten Zutritt haben.

4. Die Einrichtung. Das Haus ſoll eine Einzelwoh-
nung ſein, d. h. für eine Familie eingerichtet. Man predigt
heutzutage von allen Dächern, wie die Familie der Grundſtock
der Geſellſchaft und des Staates ſei, und wie man die Familie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0039" n="39"/>
Mauern mit Holzwerk ausge&#x017F;chlagen, getäfelt, oder wenig&#x017F;tens<lb/>
mit einem fe&#x017F;ten Papier &#x017F;ammt gehöriger Unterlage überzogen<lb/>
&#x017F;ein. Die Farbe der Wände &#x017F;oll &#x017F;o &#x017F;ein, daß das Auge da-<lb/>
durch nicht in einen Reizungszu&#x017F;tand ver&#x017F;etzt wird; weiße über-<lb/>
tünchte Wände &#x017F;ind in Zimmern, in denen man &#x017F;ich oft auf-<lb/>
halten muß, zu vermeiden.</p><lb/>
        <p>Ge&#x017F;tampfte Erde, &#x017F;ogenannter Pi&#x017F;<hi rendition="#aq">é</hi>bau, leitet Kälte und<lb/>
Wärme zu gut; das Holzwerk, das damit in Berührung kommt,<lb/>
fault leicht; auch eignet &#x017F;ich die&#x017F;e Bauart namentlich in Gegen-<lb/>
den nicht, die von Ueber&#x017F;chwemmungen heimge&#x017F;ucht werden; auch<lb/>
Run&#x017F;en und Waldbächen in den Bergen würden &#x017F;olche Gebäude<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich einen &#x017F;chwachen Wider&#x017F;tand lei&#x017F;ten. Jnde&#x017F;&#x017F;en be-<lb/>
vor ich in einem &#x017F;chlechten Holz- oder gemauerten Hau&#x017F;e mit<lb/>
zehn und zwanzig Parten zu&#x017F;ammen wohnte und das ganze<lb/>
Jahr wegen jeder verbrannten Mehl&#x017F;uppe &#x017F;tritte, &#x017F;tampfte ich<lb/>
lieber Erde oder Moos zwi&#x017F;chen Latten zu einem eigenen Häus-<lb/>
chen zu&#x017F;ammen, und wenn ich alle zwei Jahre &#x017F;o ein Häuschen<lb/>
zurecht &#x017F;tampfen müßte.</p><lb/>
        <p>Die Bedachung wird auch je nach dem Lande ver&#x017F;chieden<lb/>
&#x017F;ein, aus Holz, Stroh, Schiefer, Steinen oder Ziegeln be&#x017F;tehen.<lb/>
Das be&#x017F;te wird ein guter Ziegel &#x017F;ein. Der Einrichtung nach,<lb/>
um die&#x017F;es hier gleich abzuthun, &#x017F;oll das Dach mäßig geneigt<lb/>
&#x017F;ein, damit das Wa&#x017F;&#x017F;er gut abfließe und es doch kein thurm-<lb/>
ähnliches Aus&#x017F;ehen gewinne; es &#x017F;oll nicht zu weit vor&#x017F;pringen,<lb/>
daß Luft und Licht den obern Zimmern nicht zu &#x017F;ehr abge&#x017F;perrt<lb/>
wird; nicht zu viel Winkel, Ecken und Spitzen enthalten, &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;o einfach als möglich &#x017F;ein, damit Regen und Schnee nicht<lb/>
länger als nöthig verweilen und in's Jnnere dringen.</p><lb/>
        <p>Um das Holzwerk des Hau&#x017F;es, &#x017F;ei das Haus ganz aus Holz<lb/>
gebaut oder gemauert, vor der Fäulniß zu bewahren, i&#x017F;t Luft<lb/>
das be&#x017F;te und einzige Mittel. Luft &#x017F;oll vom Keller bis zum<lb/>
Dach&#x017F;tuhl in Zimmern, auf Gängen und Treppen freien und<lb/>
ungehinderten Zutritt haben.</p><lb/>
        <p>4. <hi rendition="#g">Die Einrichtung</hi>. Das Haus &#x017F;oll eine Einzelwoh-<lb/>
nung &#x017F;ein, d. h. für <hi rendition="#g">eine</hi> Familie eingerichtet. Man predigt<lb/>
heutzutage von allen Dächern, wie die Familie der Grund&#x017F;tock<lb/>
der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft und des Staates &#x017F;ei, und wie man die Familie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0039] Mauern mit Holzwerk ausgeſchlagen, getäfelt, oder wenigſtens mit einem feſten Papier ſammt gehöriger Unterlage überzogen ſein. Die Farbe der Wände ſoll ſo ſein, daß das Auge da- durch nicht in einen Reizungszuſtand verſetzt wird; weiße über- tünchte Wände ſind in Zimmern, in denen man ſich oft auf- halten muß, zu vermeiden. Geſtampfte Erde, ſogenannter Piſébau, leitet Kälte und Wärme zu gut; das Holzwerk, das damit in Berührung kommt, fault leicht; auch eignet ſich dieſe Bauart namentlich in Gegen- den nicht, die von Ueberſchwemmungen heimgeſucht werden; auch Runſen und Waldbächen in den Bergen würden ſolche Gebäude wahrſcheinlich einen ſchwachen Widerſtand leiſten. Jndeſſen be- vor ich in einem ſchlechten Holz- oder gemauerten Hauſe mit zehn und zwanzig Parten zuſammen wohnte und das ganze Jahr wegen jeder verbrannten Mehlſuppe ſtritte, ſtampfte ich lieber Erde oder Moos zwiſchen Latten zu einem eigenen Häus- chen zuſammen, und wenn ich alle zwei Jahre ſo ein Häuschen zurecht ſtampfen müßte. Die Bedachung wird auch je nach dem Lande verſchieden ſein, aus Holz, Stroh, Schiefer, Steinen oder Ziegeln beſtehen. Das beſte wird ein guter Ziegel ſein. Der Einrichtung nach, um dieſes hier gleich abzuthun, ſoll das Dach mäßig geneigt ſein, damit das Waſſer gut abfließe und es doch kein thurm- ähnliches Ausſehen gewinne; es ſoll nicht zu weit vorſpringen, daß Luft und Licht den obern Zimmern nicht zu ſehr abgeſperrt wird; nicht zu viel Winkel, Ecken und Spitzen enthalten, ſon- dern ſo einfach als möglich ſein, damit Regen und Schnee nicht länger als nöthig verweilen und in's Jnnere dringen. Um das Holzwerk des Hauſes, ſei das Haus ganz aus Holz gebaut oder gemauert, vor der Fäulniß zu bewahren, iſt Luft das beſte und einzige Mittel. Luft ſoll vom Keller bis zum Dachſtuhl in Zimmern, auf Gängen und Treppen freien und ungehinderten Zutritt haben. 4. Die Einrichtung. Das Haus ſoll eine Einzelwoh- nung ſein, d. h. für eine Familie eingerichtet. Man predigt heutzutage von allen Dächern, wie die Familie der Grundſtock der Geſellſchaft und des Staates ſei, und wie man die Familie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860/39
Zitationshilfe: Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860/39>, abgerufen am 23.11.2024.