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Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860.

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I.

Es geht durch unsere Zeit ein mächtiges Streben, die
Gesundheits- und Lebenszustände zu verbessern. Einzelne und
die Gesellschaft und der Staat machen großartige Anstrengungen.
Unter den Einzelnen sind es natürlich zumeist die Wohlhaben-
den und Reichen. Diese waren von jeher besser daran; aber
es macht sich doch auch jetzt die Einsicht immer mehr unter
ihnen geltend, daß gerade in Bezug auf die Wohnungen der
Frage nach der Gesundheit nicht immer die ihr gebührende
Stellung gegeben worden sei. Unter der ärmern Bevölkerung
machen sich ebenfalls Anstrengungen in dieser Richtung bemerk-
bar. Es werden allerhand, das Leben und die Gesundheit
mittelbar und unmittelbar fördernde Anstalten benützt. Die
Bessern unter ihnen suchen sich eine eigene Wohnung zu ver-
schaffen und dieselbe so angenehm als möglich zu gestalten.
Jndessen steht es mit dieser Classe der Bevölkerung am schlimm-
sten, namentlich in Bezug auf die Wohnungen in den Städten.
Auf dem Lande weiß man noch eher unterzukommen, und wenn
verhältnißmäßig oft in einem Hause ebenso viel Leute zusammen
gepfropft sind als in den Städten, so stehen doch die Häuser
weiter aus einander und ist die Luft- und andere Verderbniß
nicht so groß. Die Zunahme der Wohnungen hat fast nirgends
mit der Zunahme der Bevölkerung Schritt gehalten, am aller-
wenigsten in industriellen und Handels-Städten, dahin sich
arbeitende Bevölkerung massenweise gezogen hat. Es wird oft
in solchen Städten sehr viel gebaut, daß man meint, alles
müßte Platz finden. Aber es ist oft nur Schein. Es werden
viel Arbeitslocale gebaut, Fabriken, Werkstätten, Häuser für die
Reichen und Vornehmen, öffentliche Gebäude; aber Wohnungen
für die arbeitenden und ärmern Leute nicht viel; ja umgekehrt,

I.

Es geht durch unſere Zeit ein mächtiges Streben, die
Geſundheits- und Lebenszuſtände zu verbeſſern. Einzelne und
die Geſellſchaft und der Staat machen großartige Anſtrengungen.
Unter den Einzelnen ſind es natürlich zumeiſt die Wohlhaben-
den und Reichen. Dieſe waren von jeher beſſer daran; aber
es macht ſich doch auch jetzt die Einſicht immer mehr unter
ihnen geltend, daß gerade in Bezug auf die Wohnungen der
Frage nach der Geſundheit nicht immer die ihr gebührende
Stellung gegeben worden ſei. Unter der ärmern Bevölkerung
machen ſich ebenfalls Anſtrengungen in dieſer Richtung bemerk-
bar. Es werden allerhand, das Leben und die Geſundheit
mittelbar und unmittelbar fördernde Anſtalten benützt. Die
Beſſern unter ihnen ſuchen ſich eine eigene Wohnung zu ver-
ſchaffen und dieſelbe ſo angenehm als möglich zu geſtalten.
Jndeſſen ſteht es mit dieſer Claſſe der Bevölkerung am ſchlimm-
ſten, namentlich in Bezug auf die Wohnungen in den Städten.
Auf dem Lande weiß man noch eher unterzukommen, und wenn
verhältnißmäßig oft in einem Hauſe ebenſo viel Leute zuſammen
gepfropft ſind als in den Städten, ſo ſtehen doch die Häuſer
weiter aus einander und iſt die Luft- und andere Verderbniß
nicht ſo groß. Die Zunahme der Wohnungen hat faſt nirgends
mit der Zunahme der Bevölkerung Schritt gehalten, am aller-
wenigſten in induſtriellen und Handels-Städten, dahin ſich
arbeitende Bevölkerung maſſenweiſe gezogen hat. Es wird oft
in ſolchen Städten ſehr viel gebaut, daß man meint, alles
müßte Platz finden. Aber es iſt oft nur Schein. Es werden
viel Arbeitslocale gebaut, Fabriken, Werkſtätten, Häuſer für die
Reichen und Vornehmen, öffentliche Gebäude; aber Wohnungen
für die arbeitenden und ärmern Leute nicht viel; ja umgekehrt,

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[[3]/0003] I. Es geht durch unſere Zeit ein mächtiges Streben, die Geſundheits- und Lebenszuſtände zu verbeſſern. Einzelne und die Geſellſchaft und der Staat machen großartige Anſtrengungen. Unter den Einzelnen ſind es natürlich zumeiſt die Wohlhaben- den und Reichen. Dieſe waren von jeher beſſer daran; aber es macht ſich doch auch jetzt die Einſicht immer mehr unter ihnen geltend, daß gerade in Bezug auf die Wohnungen der Frage nach der Geſundheit nicht immer die ihr gebührende Stellung gegeben worden ſei. Unter der ärmern Bevölkerung machen ſich ebenfalls Anſtrengungen in dieſer Richtung bemerk- bar. Es werden allerhand, das Leben und die Geſundheit mittelbar und unmittelbar fördernde Anſtalten benützt. Die Beſſern unter ihnen ſuchen ſich eine eigene Wohnung zu ver- ſchaffen und dieſelbe ſo angenehm als möglich zu geſtalten. Jndeſſen ſteht es mit dieſer Claſſe der Bevölkerung am ſchlimm- ſten, namentlich in Bezug auf die Wohnungen in den Städten. Auf dem Lande weiß man noch eher unterzukommen, und wenn verhältnißmäßig oft in einem Hauſe ebenſo viel Leute zuſammen gepfropft ſind als in den Städten, ſo ſtehen doch die Häuſer weiter aus einander und iſt die Luft- und andere Verderbniß nicht ſo groß. Die Zunahme der Wohnungen hat faſt nirgends mit der Zunahme der Bevölkerung Schritt gehalten, am aller- wenigſten in induſtriellen und Handels-Städten, dahin ſich arbeitende Bevölkerung maſſenweiſe gezogen hat. Es wird oft in ſolchen Städten ſehr viel gebaut, daß man meint, alles müßte Platz finden. Aber es iſt oft nur Schein. Es werden viel Arbeitslocale gebaut, Fabriken, Werkſtätten, Häuſer für die Reichen und Vornehmen, öffentliche Gebäude; aber Wohnungen für die arbeitenden und ärmern Leute nicht viel; ja umgekehrt,

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Zitationshilfe: Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860/3>, abgerufen am 24.11.2024.