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Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860.

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oder ziehen im Garten ein Kraut aus, oder sehen sie, wer spa-
zieren kann, mit übereinander geschlagenen Armen von ferne.
Ob nun dieser Gegenstand, mit dem wir so viel verkehren,
schön oder häßlich sei, das übt einen veredelnden oder abstum-
pfenden Einfluß auf uns aus; wird uns an's Haus ziehen oder
demselben entfremden. Jn der Wohnung machen sich sodann
Reinlichkeit oder Unreinlichkeit, Ordnung oder Unordnung gel-
tend; das wird so oder so auf uns wirken. Die Wohnung
schließt ein Stück der atmosphärischen Luft, in der und von der
wir leben, ein. Ob dieses Stück Luft gesund sei, d. h. nach
seiner Zusammensetzung so beschaffen wie die Luft draußen;
trocken, wenn die Luft draußen zufällig feucht ist; feucht, wenn
die Luft draußen zu trocken; die gehörige Wärme habe, wenn
die Luft draußen zu kalt; die gehörige Kühle, wenn die Luft
draußen zu heiß ist, das wird auf unsere Gesundheit Einfluß
haben, um so größern Einfluß, je länger wir in unserer Woh-
nung verweilen; und einen großen Theil des Lebens, Alle
wenigstens den dritten Theil bringen wir in unsern Wohnungen
zu. Die Wohnung schließt uns von dem Licht ab, das wir
zu unserm Leben so nöthig haben. Ob durch hinreichende und
helle Fenster uns genug Licht zugeführt werde; andere Woh-
nungen, Bäume, Berge uns das Licht nicht entziehen, wird
großen Einfluß auf unser Befinden haben. Die Wohnung soll
uns schützen vor Nässe und Feuchtigkeit. Ein Dach haben wir
meistens; aber ob auch die Feuchtigkeit des Bodens fern ge-
halten werde, oder ob wir beständig kalte Füße haben, daß
uns ist, wir ständen im Wasser, ist von großer Bedeutung für
unsere Gesundheit.

Es ist nun allerdings richtig: diese Dinge, eine schöne
oder häßliche Wohnung, Reinlichkeit oder Unreinlichkeit, eine
athembare Luft, Wärme, Licht, Trockenheit sind zum größten
Theil mein Werk. Alles ist nicht mein Werk. Eine schöne
Wohnung kann ich nur bis zu einem bestimmten Punkte er-
zwingen, so weit mein kleines Geldchen reicht und so weit man
durch Reinlichkeit, Ordnung und Einfachheit auch ein geringes
Häuschen schön machen kann. Aber weiter bringe ich es dann
nicht. Säulen und Kapitäler drauf kann ich nicht um mein

oder ziehen im Garten ein Kraut aus, oder ſehen ſie, wer ſpa-
zieren kann, mit übereinander geſchlagenen Armen von ferne.
Ob nun dieſer Gegenſtand, mit dem wir ſo viel verkehren,
ſchön oder häßlich ſei, das übt einen veredelnden oder abſtum-
pfenden Einfluß auf uns aus; wird uns an's Haus ziehen oder
demſelben entfremden. Jn der Wohnung machen ſich ſodann
Reinlichkeit oder Unreinlichkeit, Ordnung oder Unordnung gel-
tend; das wird ſo oder ſo auf uns wirken. Die Wohnung
ſchließt ein Stück der atmoſphäriſchen Luft, in der und von der
wir leben, ein. Ob dieſes Stück Luft geſund ſei, d. h. nach
ſeiner Zuſammenſetzung ſo beſchaffen wie die Luft draußen;
trocken, wenn die Luft draußen zufällig feucht iſt; feucht, wenn
die Luft draußen zu trocken; die gehörige Wärme habe, wenn
die Luft draußen zu kalt; die gehörige Kühle, wenn die Luft
draußen zu heiß iſt, das wird auf unſere Geſundheit Einfluß
haben, um ſo größern Einfluß, je länger wir in unſerer Woh-
nung verweilen; und einen großen Theil des Lebens, Alle
wenigſtens den dritten Theil bringen wir in unſern Wohnungen
zu. Die Wohnung ſchließt uns von dem Licht ab, das wir
zu unſerm Leben ſo nöthig haben. Ob durch hinreichende und
helle Fenſter uns genug Licht zugeführt werde; andere Woh-
nungen, Bäume, Berge uns das Licht nicht entziehen, wird
großen Einfluß auf unſer Befinden haben. Die Wohnung ſoll
uns ſchützen vor Näſſe und Feuchtigkeit. Ein Dach haben wir
meiſtens; aber ob auch die Feuchtigkeit des Bodens fern ge-
halten werde, oder ob wir beſtändig kalte Füße haben, daß
uns iſt, wir ſtänden im Waſſer, iſt von großer Bedeutung für
unſere Geſundheit.

Es iſt nun allerdings richtig: dieſe Dinge, eine ſchöne
oder häßliche Wohnung, Reinlichkeit oder Unreinlichkeit, eine
athembare Luft, Wärme, Licht, Trockenheit ſind zum größten
Theil mein Werk. Alles iſt nicht mein Werk. Eine ſchöne
Wohnung kann ich nur bis zu einem beſtimmten Punkte er-
zwingen, ſo weit mein kleines Geldchen reicht und ſo weit man
durch Reinlichkeit, Ordnung und Einfachheit auch ein geringes
Häuschen ſchön machen kann. Aber weiter bringe ich es dann
nicht. Säulen und Kapitäler drauf kann ich nicht um mein

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[12/0012] oder ziehen im Garten ein Kraut aus, oder ſehen ſie, wer ſpa- zieren kann, mit übereinander geſchlagenen Armen von ferne. Ob nun dieſer Gegenſtand, mit dem wir ſo viel verkehren, ſchön oder häßlich ſei, das übt einen veredelnden oder abſtum- pfenden Einfluß auf uns aus; wird uns an's Haus ziehen oder demſelben entfremden. Jn der Wohnung machen ſich ſodann Reinlichkeit oder Unreinlichkeit, Ordnung oder Unordnung gel- tend; das wird ſo oder ſo auf uns wirken. Die Wohnung ſchließt ein Stück der atmoſphäriſchen Luft, in der und von der wir leben, ein. Ob dieſes Stück Luft geſund ſei, d. h. nach ſeiner Zuſammenſetzung ſo beſchaffen wie die Luft draußen; trocken, wenn die Luft draußen zufällig feucht iſt; feucht, wenn die Luft draußen zu trocken; die gehörige Wärme habe, wenn die Luft draußen zu kalt; die gehörige Kühle, wenn die Luft draußen zu heiß iſt, das wird auf unſere Geſundheit Einfluß haben, um ſo größern Einfluß, je länger wir in unſerer Woh- nung verweilen; und einen großen Theil des Lebens, Alle wenigſtens den dritten Theil bringen wir in unſern Wohnungen zu. Die Wohnung ſchließt uns von dem Licht ab, das wir zu unſerm Leben ſo nöthig haben. Ob durch hinreichende und helle Fenſter uns genug Licht zugeführt werde; andere Woh- nungen, Bäume, Berge uns das Licht nicht entziehen, wird großen Einfluß auf unſer Befinden haben. Die Wohnung ſoll uns ſchützen vor Näſſe und Feuchtigkeit. Ein Dach haben wir meiſtens; aber ob auch die Feuchtigkeit des Bodens fern ge- halten werde, oder ob wir beſtändig kalte Füße haben, daß uns iſt, wir ſtänden im Waſſer, iſt von großer Bedeutung für unſere Geſundheit. Es iſt nun allerdings richtig: dieſe Dinge, eine ſchöne oder häßliche Wohnung, Reinlichkeit oder Unreinlichkeit, eine athembare Luft, Wärme, Licht, Trockenheit ſind zum größten Theil mein Werk. Alles iſt nicht mein Werk. Eine ſchöne Wohnung kann ich nur bis zu einem beſtimmten Punkte er- zwingen, ſo weit mein kleines Geldchen reicht und ſo weit man durch Reinlichkeit, Ordnung und Einfachheit auch ein geringes Häuschen ſchön machen kann. Aber weiter bringe ich es dann nicht. Säulen und Kapitäler drauf kann ich nicht um mein

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Zitationshilfe: Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860/12>, abgerufen am 23.04.2024.