Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite

Grossbritannien.
von Brammen für Panzerplatten. Ausserdem kamen um diese Zeit
mancherlei Spezialwalzwerke zur Einführung. 1889 erbaute Morgan
in Worcester ein kontinuierliches Walzwerk mit hintereinander
stehenden Walzgerüsten.

Der englische Schiffsbau, der mehr und mehr zur Verwendung
von Flussstahl überging und enorme Mengen verbrauchte, war in
den achtziger Jahren grossen Schwankungen ausgesetzt. 1882 betrug
der Tonnengehalt der neuerbauten Schiffe 1200000; sank dann 1886
auf 473675 und stieg wieder 1889 auf 1326240.

Am 19. Juni 1889 starb der bekannte Metallurg Dr. John Percy,
dessen Werk über Eisen und Stahl einen Weltruf erlangt hat. Er war
1817 in Nottingham als Sohn eines Rechtsanwaltes geboren, studierte
Medizin und erlangte schon in seinem 21. Jahre die Doktorwürde.
Dann ging er nach Paris, wo er bei Gay-Lussac Chemie studierte
und in dessen Laboratorien den Grund zu seiner gründlichen Kenntnis
der analytischen Chemie legte. Er liess sich dann als Arzt in Bir-
mingham nieder, aber die dortige Metallindustrie veranlasste ihn, seine
chemischen Kenntnisse der Metallurgie zu widmen, worin er bald
Grosses und Originelles leistete, weshalb ihm die Professur für Metallurgie
an der Royal School of Mines in London übertragen wurde.

Am 7. Mai 1890 starb auch der Altmeister des Werkzeug-
maschinenbaues James Nasmyth, 82 Jahre alt.

Im Jahre 1890 wurde die britische Eisenerzeugung zum erstenmal
überflügelt. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika, die schon im
Jahre zuvor in der Flussstahlproduktion England übertroffen hatten,
siegten jetzt auch in der Roheisenerzeugung mit 9350 gegen 8030
Kilotonnen. Diese für das englische Selbstgefühl schmerzliche That-
sache machte zwar einen tiefen Eindruck, blieb aber in der nächsten
Zeit ohne besondere Wirkung auf die Entwickelung der britischen
Eisenindustrie. Man gab sich der Hoffnung hin, dass der Sieg der
Amerikaner eine vorübergehende Erscheinung sei, herbeigeführt durch
aussergewöhnliche Anstrengungen. Man tadelte das scharfe Blasen
bei den amerikanischen Hochöfen, wodurch dieselben rasch zerstört
wurden, so dass sie durchschnittlich nur 21/4 Jahre, die englischen
dagegen sechs Jahre aushielten. Selbst diese kurze Lebensdauer der
amerikanischen Hochöfen wurde nur erreicht durch eine übermässige
Wasserkühlung von Gestell und Rost, welche die englischen Öfen
nicht oder lange nicht in diesem Masse nötig hatten. Der Sieg der
Amerikaner war aber keineswegs ein zufälliger oder vorübergehender
Erfolg, wie sich aus nachfolgender Produktionstafel ergiebt.


Groſsbritannien.
von Brammen für Panzerplatten. Auſserdem kamen um diese Zeit
mancherlei Spezialwalzwerke zur Einführung. 1889 erbaute Morgan
in Worcester ein kontinuierliches Walzwerk mit hintereinander
stehenden Walzgerüsten.

Der englische Schiffsbau, der mehr und mehr zur Verwendung
von Fluſsstahl überging und enorme Mengen verbrauchte, war in
den achtziger Jahren groſsen Schwankungen ausgesetzt. 1882 betrug
der Tonnengehalt der neuerbauten Schiffe 1200000; sank dann 1886
auf 473675 und stieg wieder 1889 auf 1326240.

Am 19. Juni 1889 starb der bekannte Metallurg Dr. John Percy,
dessen Werk über Eisen und Stahl einen Weltruf erlangt hat. Er war
1817 in Nottingham als Sohn eines Rechtsanwaltes geboren, studierte
Medizin und erlangte schon in seinem 21. Jahre die Doktorwürde.
Dann ging er nach Paris, wo er bei Gay-Lussac Chemie studierte
und in dessen Laboratorien den Grund zu seiner gründlichen Kenntnis
der analytischen Chemie legte. Er lieſs sich dann als Arzt in Bir-
mingham nieder, aber die dortige Metallindustrie veranlaſste ihn, seine
chemischen Kenntnisse der Metallurgie zu widmen, worin er bald
Groſses und Originelles leistete, weshalb ihm die Professur für Metallurgie
an der Royal School of Mines in London übertragen wurde.

Am 7. Mai 1890 starb auch der Altmeister des Werkzeug-
maschinenbaues James Nasmyth, 82 Jahre alt.

Im Jahre 1890 wurde die britische Eisenerzeugung zum erstenmal
überflügelt. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika, die schon im
Jahre zuvor in der Fluſsstahlproduktion England übertroffen hatten,
siegten jetzt auch in der Roheisenerzeugung mit 9350 gegen 8030
Kilotonnen. Diese für das englische Selbstgefühl schmerzliche That-
sache machte zwar einen tiefen Eindruck, blieb aber in der nächsten
Zeit ohne besondere Wirkung auf die Entwickelung der britischen
Eisenindustrie. Man gab sich der Hoffnung hin, daſs der Sieg der
Amerikaner eine vorübergehende Erscheinung sei, herbeigeführt durch
auſsergewöhnliche Anstrengungen. Man tadelte das scharfe Blasen
bei den amerikanischen Hochöfen, wodurch dieselben rasch zerstört
wurden, so daſs sie durchschnittlich nur 2¼ Jahre, die englischen
dagegen sechs Jahre aushielten. Selbst diese kurze Lebensdauer der
amerikanischen Hochöfen wurde nur erreicht durch eine übermäſsige
Wasserkühlung von Gestell und Rost, welche die englischen Öfen
nicht oder lange nicht in diesem Maſse nötig hatten. Der Sieg der
Amerikaner war aber keineswegs ein zufälliger oder vorübergehender
Erfolg, wie sich aus nachfolgender Produktionstafel ergiebt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0960" n="944"/><fw place="top" type="header">Gro&#x017F;sbritannien.</fw><lb/>
von Brammen für Panzerplatten. Au&#x017F;serdem kamen um diese Zeit<lb/>
mancherlei Spezialwalzwerke zur Einführung. 1889 erbaute <hi rendition="#g">Morgan</hi><lb/>
in Worcester ein kontinuierliches Walzwerk mit hintereinander<lb/>
stehenden Walzgerüsten.</p><lb/>
          <p>Der englische Schiffsbau, der mehr und mehr zur Verwendung<lb/>
von Flu&#x017F;sstahl überging und enorme Mengen verbrauchte, war in<lb/>
den achtziger Jahren gro&#x017F;sen Schwankungen ausgesetzt. 1882 betrug<lb/>
der Tonnengehalt der neuerbauten Schiffe 1200000; sank dann 1886<lb/>
auf 473675 und stieg wieder 1889 auf 1326240.</p><lb/>
          <p>Am 19. Juni 1889 starb der bekannte Metallurg Dr. <hi rendition="#g">John Percy</hi>,<lb/>
dessen Werk über Eisen und Stahl einen Weltruf erlangt hat. Er war<lb/>
1817 in Nottingham als Sohn eines Rechtsanwaltes geboren, studierte<lb/>
Medizin und erlangte schon in seinem 21. Jahre die Doktorwürde.<lb/>
Dann ging er nach Paris, wo er bei <hi rendition="#g">Gay-Lussac</hi> Chemie studierte<lb/>
und in dessen Laboratorien den Grund zu seiner gründlichen Kenntnis<lb/>
der analytischen Chemie legte. Er lie&#x017F;s sich dann als Arzt in Bir-<lb/>
mingham nieder, aber die dortige Metallindustrie veranla&#x017F;ste ihn, seine<lb/>
chemischen Kenntnisse der Metallurgie zu widmen, worin er bald<lb/>
Gro&#x017F;ses und Originelles leistete, weshalb ihm die Professur für Metallurgie<lb/>
an der Royal School of Mines in London übertragen wurde.</p><lb/>
          <p>Am 7. Mai 1890 starb auch der Altmeister des Werkzeug-<lb/>
maschinenbaues <hi rendition="#g">James Nasmyth</hi>, 82 Jahre alt.</p><lb/>
          <p>Im Jahre 1890 wurde die britische Eisenerzeugung zum erstenmal<lb/>
überflügelt. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika, die schon im<lb/>
Jahre zuvor in der Flu&#x017F;sstahlproduktion England übertroffen hatten,<lb/>
siegten jetzt auch in der Roheisenerzeugung mit 9350 gegen 8030<lb/>
Kilotonnen. Diese für das englische Selbstgefühl schmerzliche That-<lb/>
sache machte zwar einen tiefen Eindruck, blieb aber in der nächsten<lb/>
Zeit ohne besondere Wirkung auf die Entwickelung der britischen<lb/>
Eisenindustrie. Man gab sich der Hoffnung hin, da&#x017F;s der Sieg der<lb/>
Amerikaner eine vorübergehende Erscheinung sei, herbeigeführt durch<lb/>
au&#x017F;sergewöhnliche Anstrengungen. Man tadelte das scharfe Blasen<lb/>
bei den amerikanischen Hochöfen, wodurch dieselben rasch zerstört<lb/>
wurden, so da&#x017F;s sie durchschnittlich nur 2¼ Jahre, die englischen<lb/>
dagegen sechs Jahre aushielten. Selbst diese kurze Lebensdauer der<lb/>
amerikanischen Hochöfen wurde nur erreicht durch eine übermä&#x017F;sige<lb/>
Wasserkühlung von Gestell und Rost, welche die englischen Öfen<lb/>
nicht oder lange nicht in diesem Ma&#x017F;se nötig hatten. Der Sieg der<lb/>
Amerikaner war aber keineswegs ein zufälliger oder vorübergehender<lb/>
Erfolg, wie sich aus nachfolgender Produktionstafel ergiebt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[944/0960] Groſsbritannien. von Brammen für Panzerplatten. Auſserdem kamen um diese Zeit mancherlei Spezialwalzwerke zur Einführung. 1889 erbaute Morgan in Worcester ein kontinuierliches Walzwerk mit hintereinander stehenden Walzgerüsten. Der englische Schiffsbau, der mehr und mehr zur Verwendung von Fluſsstahl überging und enorme Mengen verbrauchte, war in den achtziger Jahren groſsen Schwankungen ausgesetzt. 1882 betrug der Tonnengehalt der neuerbauten Schiffe 1200000; sank dann 1886 auf 473675 und stieg wieder 1889 auf 1326240. Am 19. Juni 1889 starb der bekannte Metallurg Dr. John Percy, dessen Werk über Eisen und Stahl einen Weltruf erlangt hat. Er war 1817 in Nottingham als Sohn eines Rechtsanwaltes geboren, studierte Medizin und erlangte schon in seinem 21. Jahre die Doktorwürde. Dann ging er nach Paris, wo er bei Gay-Lussac Chemie studierte und in dessen Laboratorien den Grund zu seiner gründlichen Kenntnis der analytischen Chemie legte. Er lieſs sich dann als Arzt in Bir- mingham nieder, aber die dortige Metallindustrie veranlaſste ihn, seine chemischen Kenntnisse der Metallurgie zu widmen, worin er bald Groſses und Originelles leistete, weshalb ihm die Professur für Metallurgie an der Royal School of Mines in London übertragen wurde. Am 7. Mai 1890 starb auch der Altmeister des Werkzeug- maschinenbaues James Nasmyth, 82 Jahre alt. Im Jahre 1890 wurde die britische Eisenerzeugung zum erstenmal überflügelt. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika, die schon im Jahre zuvor in der Fluſsstahlproduktion England übertroffen hatten, siegten jetzt auch in der Roheisenerzeugung mit 9350 gegen 8030 Kilotonnen. Diese für das englische Selbstgefühl schmerzliche That- sache machte zwar einen tiefen Eindruck, blieb aber in der nächsten Zeit ohne besondere Wirkung auf die Entwickelung der britischen Eisenindustrie. Man gab sich der Hoffnung hin, daſs der Sieg der Amerikaner eine vorübergehende Erscheinung sei, herbeigeführt durch auſsergewöhnliche Anstrengungen. Man tadelte das scharfe Blasen bei den amerikanischen Hochöfen, wodurch dieselben rasch zerstört wurden, so daſs sie durchschnittlich nur 2¼ Jahre, die englischen dagegen sechs Jahre aushielten. Selbst diese kurze Lebensdauer der amerikanischen Hochöfen wurde nur erreicht durch eine übermäſsige Wasserkühlung von Gestell und Rost, welche die englischen Öfen nicht oder lange nicht in diesem Maſse nötig hatten. Der Sieg der Amerikaner war aber keineswegs ein zufälliger oder vorübergehender Erfolg, wie sich aus nachfolgender Produktionstafel ergiebt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/960
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 944. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/960>, abgerufen am 23.11.2024.