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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Walzwerke.
welche sich bei dem oben beschriebenen Walzverfahren bilden, stehen
ihrer Verwendung im Wege, wogegen dieser Übelstand fortfällt,
sobald das Walzen über einen Dorn erfolgt, wie es Fig. 319 nach
dem Patent von 1897 (D. R. P. Nr. 100001) darstellt. Dieses Ver-
fahren ist deshalb, weiter ausgebildet, für die Praxis allein wichtig
geworden. Es eignet sich ganz besonders für die Herstellung naht-
loser Röhren aus Flusseisenblöcken. Die Walzen sind ähnlich wie
die oben beschriebenen; zwischen ihren konvergierenden Enden be-
findet sich eine verhältnismässig schwache Stange mit dem Dorn, über
den sich das Rohr ohne grossen
Widerstand vorwalzt. Es tritt näm-
lich bei dem energischen Zug der
Fasern an der Oberfläche und der
raschen Rotation, auch wenn noch
keine Öffnung in der Mittelachse
des Walzstückes sich bildet, eine
schwammige Auflockerung des Kerns
ein, welche dem Dorn nur geringen
Widerstand bietet. Das ganze Rohr
walzt sich deshalb leicht über den
Dorn. Durch das Anpressen wider
den Dorn wird aber die innere
Röhrenöffnung glatt. Durch An-
wendung eines zweiten, stärkeren
Dorns kann man das Rohr ganz
oder teilweise ausweiten und so
z. B. eine Muffe anwalzen, was in
derselben Hitze oder nach kurzem
Anwärmen des Rohres geschehen
[Abbildung] Fig. 319.
kann. Zum Ausweiten eines Rohres kann man tonnenförmige Walzen
benutzen, durch welche das Walzstück in entgegengesetzter Richtung,
wie oben angegeben, sich bewegt und der Dorn von der divergierenden
Seite der Walzen eintritt.

Die überraschenden Erscheinungen des Schrägwalzverfahrens er-
regten die grösste Bewunderung der Fachleute wie der Laien. -- Die
Herstellung der Rohre erfordert im Moment des Durchwalzens eine
grosse Kraftleistung. Man hat berechnet, dass ein Rohr von 50 bis
60 mm Weite 2000 Pferdekräfte brauche. Aber auch diese Schwierig-
keit hatten die Gebrüder Mannesmann in genialer Weise über-
wunden. Es genügt nämlich eine verhältnismässig schwache Betriebs-

Die Walzwerke.
welche sich bei dem oben beschriebenen Walzverfahren bilden, stehen
ihrer Verwendung im Wege, wogegen dieser Übelstand fortfällt,
sobald das Walzen über einen Dorn erfolgt, wie es Fig. 319 nach
dem Patent von 1897 (D. R. P. Nr. 100001) darstellt. Dieses Ver-
fahren ist deshalb, weiter ausgebildet, für die Praxis allein wichtig
geworden. Es eignet sich ganz besonders für die Herstellung naht-
loser Röhren aus Fluſseisenblöcken. Die Walzen sind ähnlich wie
die oben beschriebenen; zwischen ihren konvergierenden Enden be-
findet sich eine verhältnismäſsig schwache Stange mit dem Dorn, über
den sich das Rohr ohne groſsen
Widerstand vorwalzt. Es tritt näm-
lich bei dem energischen Zug der
Fasern an der Oberfläche und der
raschen Rotation, auch wenn noch
keine Öffnung in der Mittelachse
des Walzstückes sich bildet, eine
schwammige Auflockerung des Kerns
ein, welche dem Dorn nur geringen
Widerstand bietet. Das ganze Rohr
walzt sich deshalb leicht über den
Dorn. Durch das Anpressen wider
den Dorn wird aber die innere
Röhrenöffnung glatt. Durch An-
wendung eines zweiten, stärkeren
Dorns kann man das Rohr ganz
oder teilweise ausweiten und so
z. B. eine Muffe anwalzen, was in
derselben Hitze oder nach kurzem
Anwärmen des Rohres geschehen
[Abbildung] Fig. 319.
kann. Zum Ausweiten eines Rohres kann man tonnenförmige Walzen
benutzen, durch welche das Walzstück in entgegengesetzter Richtung,
wie oben angegeben, sich bewegt und der Dorn von der divergierenden
Seite der Walzen eintritt.

Die überraschenden Erscheinungen des Schrägwalzverfahrens er-
regten die gröſste Bewunderung der Fachleute wie der Laien. — Die
Herstellung der Rohre erfordert im Moment des Durchwalzens eine
groſse Kraftleistung. Man hat berechnet, daſs ein Rohr von 50 bis
60 mm Weite 2000 Pferdekräfte brauche. Aber auch diese Schwierig-
keit hatten die Gebrüder Mannesmann in genialer Weise über-
wunden. Es genügt nämlich eine verhältnismäſsig schwache Betriebs-

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[805/0821] Die Walzwerke. welche sich bei dem oben beschriebenen Walzverfahren bilden, stehen ihrer Verwendung im Wege, wogegen dieser Übelstand fortfällt, sobald das Walzen über einen Dorn erfolgt, wie es Fig. 319 nach dem Patent von 1897 (D. R. P. Nr. 100001) darstellt. Dieses Ver- fahren ist deshalb, weiter ausgebildet, für die Praxis allein wichtig geworden. Es eignet sich ganz besonders für die Herstellung naht- loser Röhren aus Fluſseisenblöcken. Die Walzen sind ähnlich wie die oben beschriebenen; zwischen ihren konvergierenden Enden be- findet sich eine verhältnismäſsig schwache Stange mit dem Dorn, über den sich das Rohr ohne groſsen Widerstand vorwalzt. Es tritt näm- lich bei dem energischen Zug der Fasern an der Oberfläche und der raschen Rotation, auch wenn noch keine Öffnung in der Mittelachse des Walzstückes sich bildet, eine schwammige Auflockerung des Kerns ein, welche dem Dorn nur geringen Widerstand bietet. Das ganze Rohr walzt sich deshalb leicht über den Dorn. Durch das Anpressen wider den Dorn wird aber die innere Röhrenöffnung glatt. Durch An- wendung eines zweiten, stärkeren Dorns kann man das Rohr ganz oder teilweise ausweiten und so z. B. eine Muffe anwalzen, was in derselben Hitze oder nach kurzem Anwärmen des Rohres geschehen [Abbildung Fig. 319.] kann. Zum Ausweiten eines Rohres kann man tonnenförmige Walzen benutzen, durch welche das Walzstück in entgegengesetzter Richtung, wie oben angegeben, sich bewegt und der Dorn von der divergierenden Seite der Walzen eintritt. Die überraschenden Erscheinungen des Schrägwalzverfahrens er- regten die gröſste Bewunderung der Fachleute wie der Laien. — Die Herstellung der Rohre erfordert im Moment des Durchwalzens eine groſse Kraftleistung. Man hat berechnet, daſs ein Rohr von 50 bis 60 mm Weite 2000 Pferdekräfte brauche. Aber auch diese Schwierig- keit hatten die Gebrüder Mannesmann in genialer Weise über- wunden. Es genügt nämlich eine verhältnismäſsig schwache Betriebs-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 805. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/821>, abgerufen am 06.07.2024.