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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Walzwerke.
seine Aufmerksamkeit zugewendet und war wohl zu ähnlichen Ergeb-
nissen gekommen wie Dr. Kögel. Angeblich hatte er seinen Söhnen
nach Abschluss ihrer Studien seine Ideen mitgeteilt. Diese kamen
dann "nach mehrjähriger, beharrlicher Arbeit mit Hülfe reichen,
theoretischen Wissens zum Ziel".

Mannesmann kaufte Kögels Patent und Alfred Mannes-
mann
erhielt bereits am 18. Februar 1886 ein Patent auf das Schräg-
walzverfahren für Österreich-Ungarn. Der Erfindergedanke ist in
dem Patente wie folgt ausgedrückt 1): Das Schrägwalzverfahren ge-
stattet fast beliebige Querschnittsveränderungen, so dass aus einem
Blocke unmittelbar fertiges Rund- und Profileisen, ferner durch Ver-
stellen der Walzen während des Durchgangs Walzstücke von un-
gleichem Querschnitt und endlich ganz oder teilweise hohle Produkte
mit oder ohne Anwendung eines Dorns erzeugt werden können. Das
Eigentümliche des neuen Walzverfahrens besteht darin, dass die
Arbeitsstücke nicht, wie bei
den bekannten Darstellungs-
weisen, senkrecht zur Achsen-
richtung der rollenden Teile,
sondern parallel oder schief zu
dieser fortschreiten, wodurch

[Abbildung] Fig. 317.
sie dem Einflusse der Walzen viel länger ausgesetzt bleiben. Die
Walzen sind im allgemeinen nicht cylindrisch, sondern so geformt,
dass verschiedene Punkte ihrer Flächen ungleiche Umfangsgeschwindig-
keiten haben, die den Teilen der durchlaufenden Walzstücke verschieden
starke Drehungen erteilen, so dass die Aussenfasern derselben eine
seilartige Windung erhalten (Fig. 317).

Am meisten hat sich das Mannesmann-Walzverfahren für die
Darstellung nahtloser Röhren bewährt. Dieselben konnten aus massi-
ven Blöcken in einer Operation hergestellt werden. Das Wesen des
Mannesmann-Walzverfahrens und das dabei zur Verwendung kommende
Walzwerk ist durchaus abweichend von dem gewöhnlichen Walzen.
Die Walzen haben stumpfkegelförmige Gestalt, ihre Achsen liegen
schräg zu einander, weshalb man das Verfahren auch als "Schräg-
walzen" bezeichnet, und die Walzen laufen in gleicher Richtung mit
grosser Geschwindigkeit um. Die Form der Walzen und die Stellung
ihrer Achsen bedingen hauptsächlich die Wirkungsweise. Die Walzen-
achsen liegen in parallelen Ebenen, Fig. 318 (a. f. S.), sind aber in der

1) Siehe Dingl. Polyt. Journ. 1887, Bd. 265, S. 542.
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Die Walzwerke.
seine Aufmerksamkeit zugewendet und war wohl zu ähnlichen Ergeb-
nissen gekommen wie Dr. Kögel. Angeblich hatte er seinen Söhnen
nach Abschluſs ihrer Studien seine Ideen mitgeteilt. Diese kamen
dann „nach mehrjähriger, beharrlicher Arbeit mit Hülfe reichen,
theoretischen Wissens zum Ziel“.

Mannesmann kaufte Kögels Patent und Alfred Mannes-
mann
erhielt bereits am 18. Februar 1886 ein Patent auf das Schräg-
walzverfahren für Österreich-Ungarn. Der Erfindergedanke ist in
dem Patente wie folgt ausgedrückt 1): Das Schrägwalzverfahren ge-
stattet fast beliebige Querschnittsveränderungen, so daſs aus einem
Blocke unmittelbar fertiges Rund- und Profileisen, ferner durch Ver-
stellen der Walzen während des Durchgangs Walzstücke von un-
gleichem Querschnitt und endlich ganz oder teilweise hohle Produkte
mit oder ohne Anwendung eines Dorns erzeugt werden können. Das
Eigentümliche des neuen Walzverfahrens besteht darin, daſs die
Arbeitsstücke nicht, wie bei
den bekannten Darstellungs-
weisen, senkrecht zur Achsen-
richtung der rollenden Teile,
sondern parallel oder schief zu
dieser fortschreiten, wodurch

[Abbildung] Fig. 317.
sie dem Einflusse der Walzen viel länger ausgesetzt bleiben. Die
Walzen sind im allgemeinen nicht cylindrisch, sondern so geformt,
daſs verschiedene Punkte ihrer Flächen ungleiche Umfangsgeschwindig-
keiten haben, die den Teilen der durchlaufenden Walzstücke verschieden
starke Drehungen erteilen, so daſs die Auſsenfasern derselben eine
seilartige Windung erhalten (Fig. 317).

Am meisten hat sich das Mannesmann-Walzverfahren für die
Darstellung nahtloser Röhren bewährt. Dieselben konnten aus massi-
ven Blöcken in einer Operation hergestellt werden. Das Wesen des
Mannesmann-Walzverfahrens und das dabei zur Verwendung kommende
Walzwerk ist durchaus abweichend von dem gewöhnlichen Walzen.
Die Walzen haben stumpfkegelförmige Gestalt, ihre Achsen liegen
schräg zu einander, weshalb man das Verfahren auch als „Schräg-
walzen“ bezeichnet, und die Walzen laufen in gleicher Richtung mit
groſser Geschwindigkeit um. Die Form der Walzen und die Stellung
ihrer Achsen bedingen hauptsächlich die Wirkungsweise. Die Walzen-
achsen liegen in parallelen Ebenen, Fig. 318 (a. f. S.), sind aber in der

1) Siehe Dingl. Polyt. Journ. 1887, Bd. 265, S. 542.
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[803/0819] Die Walzwerke. seine Aufmerksamkeit zugewendet und war wohl zu ähnlichen Ergeb- nissen gekommen wie Dr. Kögel. Angeblich hatte er seinen Söhnen nach Abschluſs ihrer Studien seine Ideen mitgeteilt. Diese kamen dann „nach mehrjähriger, beharrlicher Arbeit mit Hülfe reichen, theoretischen Wissens zum Ziel“. Mannesmann kaufte Kögels Patent und Alfred Mannes- mann erhielt bereits am 18. Februar 1886 ein Patent auf das Schräg- walzverfahren für Österreich-Ungarn. Der Erfindergedanke ist in dem Patente wie folgt ausgedrückt 1): Das Schrägwalzverfahren ge- stattet fast beliebige Querschnittsveränderungen, so daſs aus einem Blocke unmittelbar fertiges Rund- und Profileisen, ferner durch Ver- stellen der Walzen während des Durchgangs Walzstücke von un- gleichem Querschnitt und endlich ganz oder teilweise hohle Produkte mit oder ohne Anwendung eines Dorns erzeugt werden können. Das Eigentümliche des neuen Walzverfahrens besteht darin, daſs die Arbeitsstücke nicht, wie bei den bekannten Darstellungs- weisen, senkrecht zur Achsen- richtung der rollenden Teile, sondern parallel oder schief zu dieser fortschreiten, wodurch [Abbildung Fig. 317.] sie dem Einflusse der Walzen viel länger ausgesetzt bleiben. Die Walzen sind im allgemeinen nicht cylindrisch, sondern so geformt, daſs verschiedene Punkte ihrer Flächen ungleiche Umfangsgeschwindig- keiten haben, die den Teilen der durchlaufenden Walzstücke verschieden starke Drehungen erteilen, so daſs die Auſsenfasern derselben eine seilartige Windung erhalten (Fig. 317). Am meisten hat sich das Mannesmann-Walzverfahren für die Darstellung nahtloser Röhren bewährt. Dieselben konnten aus massi- ven Blöcken in einer Operation hergestellt werden. Das Wesen des Mannesmann-Walzverfahrens und das dabei zur Verwendung kommende Walzwerk ist durchaus abweichend von dem gewöhnlichen Walzen. Die Walzen haben stumpfkegelförmige Gestalt, ihre Achsen liegen schräg zu einander, weshalb man das Verfahren auch als „Schräg- walzen“ bezeichnet, und die Walzen laufen in gleicher Richtung mit groſser Geschwindigkeit um. Die Form der Walzen und die Stellung ihrer Achsen bedingen hauptsächlich die Wirkungsweise. Die Walzen- achsen liegen in parallelen Ebenen, Fig. 318 (a. f. S.), sind aber in der 1) Siehe Dingl. Polyt. Journ. 1887, Bd. 265, S. 542. 51*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 803. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/819>, abgerufen am 28.07.2024.