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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse.
unschweissbar macht; man setzt deshalb in der Regel nicht über
0,1 Prozent zu.

Anfangs macht ein Zusatz von Aluminium das Flussmetall aller-
dings dünnflüssig durch die bei seiner Oxydation entwickelte Wärme
und nicht, wie man früher annahm, dadurch, dass es den Schmelzpunkt
des Stahls bedeutend herabsetze. Noch im Jahre 1891 wurden in
einem Aufsatz der Zeitschrift für angewandte Chemie (S. 150) die
Wirkungen des Aluminiumzusatzes wie folgt angegeben: 1. der
Schmelzpunkt wird um etwa 300° C. herabgedrückt, so dass das Metall
nicht überhitzt zu werden braucht; 2. die Schmelze wird ganz dünn-
flüssig, gestattet das leichte Entweichen der Gase und füllt die fein-
sten Formen scharf aus; 3. der Guss wird völlig dicht; 4. jede Blasen-
und Porenbildung wird vermieden; 5. eine bedeutend höhere Festigkeit
wird erzielt. Es wird ein Zusatz von 0,3 bis 0,7 Prozent Alumi-
nium oder von 3 bis 7 Prozent einer geschmolzenen Ferroaluminium-
legierung empfohlen, welche am besten beim Giessen in die Pfanne
oder die ausfliessende Schmelze eingetragen werden soll. Osmond 1)
hat aber durch genaue Messungen schon 1890 nachgewiesen, dass
ein Aluminiumzusatz die Schmelztemperatur des Stahls nur ganz
unbedeutend herabsetze. Flusseisen, das eine Schmelztemperatur von
1500 C. hatte, zeigte bei 5,8 Prozent Aluminium eine Schmelz-
temperatur von 1475° C.

Zu der Annahme der bedeutenden Herabsetzung der Schmelz-
temperatur durch Aluminium hatte die Erfindung des sogenannten
Mitisgusses, die wir deshalb hier besprechen wollen, Veranlassung ge-
geben. Mitisguss ist in Tiegeln unter Aluminiumzusatz geschmolzenes
und in Formen gegossenes weiches Eisen, das ein besserer Ersatz für
schmiedbaren oder Temperguss sein sollte. Die Erfindung rührte von
dem Schweden Thorsten Nordenfeldt her. C. G. Wittenström
konstruierte den mit Petroleum zu heizenden Schmelzofen. Beide
nahmen 1885 Patente in England, Deutschland u. s. w. 2). Faustmann
und Oestberg kauften das Patentrecht für Schweden und legten 1886
in Carlsvick bei Stockholm eine Giesserei für Mitisguss an.

J. Oestberg aus Stockholm gab in einem Vortrage, den er in
der Versammlung der amerikanischen Bergingenieure (mining engi-
neers) zu Pittsburg hielt, das Verfahren weiteren Kreisen bekannt.
Hierbei behauptete er noch, die Schmelzhitze des Eisens werde durch

1) Journal of the Iron and Steel Institute 1890, II, p. 177.
2) In Engineering Bd. XXXIX, S. 561. D. R. P. Nr. 32119 1885 erteilt.
Engl. Pat. vom 8. Juli 1885.

Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse.
unschweiſsbar macht; man setzt deshalb in der Regel nicht über
0,1 Prozent zu.

Anfangs macht ein Zusatz von Aluminium das Fluſsmetall aller-
dings dünnflüssig durch die bei seiner Oxydation entwickelte Wärme
und nicht, wie man früher annahm, dadurch, daſs es den Schmelzpunkt
des Stahls bedeutend herabsetze. Noch im Jahre 1891 wurden in
einem Aufsatz der Zeitschrift für angewandte Chemie (S. 150) die
Wirkungen des Aluminiumzusatzes wie folgt angegeben: 1. der
Schmelzpunkt wird um etwa 300° C. herabgedrückt, so daſs das Metall
nicht überhitzt zu werden braucht; 2. die Schmelze wird ganz dünn-
flüssig, gestattet das leichte Entweichen der Gase und füllt die fein-
sten Formen scharf aus; 3. der Guſs wird völlig dicht; 4. jede Blasen-
und Porenbildung wird vermieden; 5. eine bedeutend höhere Festigkeit
wird erzielt. Es wird ein Zusatz von 0,3 bis 0,7 Prozent Alumi-
nium oder von 3 bis 7 Prozent einer geschmolzenen Ferroaluminium-
legierung empfohlen, welche am besten beim Gieſsen in die Pfanne
oder die ausflieſsende Schmelze eingetragen werden soll. Osmond 1)
hat aber durch genaue Messungen schon 1890 nachgewiesen, daſs
ein Aluminiumzusatz die Schmelztemperatur des Stahls nur ganz
unbedeutend herabsetze. Fluſseisen, das eine Schmelztemperatur von
1500 C. hatte, zeigte bei 5,8 Prozent Aluminium eine Schmelz-
temperatur von 1475° C.

Zu der Annahme der bedeutenden Herabsetzung der Schmelz-
temperatur durch Aluminium hatte die Erfindung des sogenannten
Mitisgusses, die wir deshalb hier besprechen wollen, Veranlassung ge-
geben. Mitisguſs ist in Tiegeln unter Aluminiumzusatz geschmolzenes
und in Formen gegossenes weiches Eisen, das ein besserer Ersatz für
schmiedbaren oder Temperguſs sein sollte. Die Erfindung rührte von
dem Schweden Thorsten Nordenfeldt her. C. G. Wittenström
konstruierte den mit Petroleum zu heizenden Schmelzofen. Beide
nahmen 1885 Patente in England, Deutschland u. s. w. 2). Faustmann
und Oestberg kauften das Patentrecht für Schweden und legten 1886
in Carlsvick bei Stockholm eine Gieſserei für Mitisguſs an.

J. Oestberg aus Stockholm gab in einem Vortrage, den er in
der Versammlung der amerikanischen Bergingenieure (mining engi-
neers) zu Pittsburg hielt, das Verfahren weiteren Kreisen bekannt.
Hierbei behauptete er noch, die Schmelzhitze des Eisens werde durch

1) Journal of the Iron and Steel Institute 1890, II, p. 177.
2) In Engineering Bd. XXXIX, S. 561. D. R. P. Nr. 32119 1885 erteilt.
Engl. Pat. vom 8. Juli 1885.
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[764/0780] Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse. unschweiſsbar macht; man setzt deshalb in der Regel nicht über 0,1 Prozent zu. Anfangs macht ein Zusatz von Aluminium das Fluſsmetall aller- dings dünnflüssig durch die bei seiner Oxydation entwickelte Wärme und nicht, wie man früher annahm, dadurch, daſs es den Schmelzpunkt des Stahls bedeutend herabsetze. Noch im Jahre 1891 wurden in einem Aufsatz der Zeitschrift für angewandte Chemie (S. 150) die Wirkungen des Aluminiumzusatzes wie folgt angegeben: 1. der Schmelzpunkt wird um etwa 300° C. herabgedrückt, so daſs das Metall nicht überhitzt zu werden braucht; 2. die Schmelze wird ganz dünn- flüssig, gestattet das leichte Entweichen der Gase und füllt die fein- sten Formen scharf aus; 3. der Guſs wird völlig dicht; 4. jede Blasen- und Porenbildung wird vermieden; 5. eine bedeutend höhere Festigkeit wird erzielt. Es wird ein Zusatz von 0,3 bis 0,7 Prozent Alumi- nium oder von 3 bis 7 Prozent einer geschmolzenen Ferroaluminium- legierung empfohlen, welche am besten beim Gieſsen in die Pfanne oder die ausflieſsende Schmelze eingetragen werden soll. Osmond 1) hat aber durch genaue Messungen schon 1890 nachgewiesen, daſs ein Aluminiumzusatz die Schmelztemperatur des Stahls nur ganz unbedeutend herabsetze. Fluſseisen, das eine Schmelztemperatur von 1500 C. hatte, zeigte bei 5,8 Prozent Aluminium eine Schmelz- temperatur von 1475° C. Zu der Annahme der bedeutenden Herabsetzung der Schmelz- temperatur durch Aluminium hatte die Erfindung des sogenannten Mitisgusses, die wir deshalb hier besprechen wollen, Veranlassung ge- geben. Mitisguſs ist in Tiegeln unter Aluminiumzusatz geschmolzenes und in Formen gegossenes weiches Eisen, das ein besserer Ersatz für schmiedbaren oder Temperguſs sein sollte. Die Erfindung rührte von dem Schweden Thorsten Nordenfeldt her. C. G. Wittenström konstruierte den mit Petroleum zu heizenden Schmelzofen. Beide nahmen 1885 Patente in England, Deutschland u. s. w. 2). Faustmann und Oestberg kauften das Patentrecht für Schweden und legten 1886 in Carlsvick bei Stockholm eine Gieſserei für Mitisguſs an. J. Oestberg aus Stockholm gab in einem Vortrage, den er in der Versammlung der amerikanischen Bergingenieure (mining engi- neers) zu Pittsburg hielt, das Verfahren weiteren Kreisen bekannt. Hierbei behauptete er noch, die Schmelzhitze des Eisens werde durch 1) Journal of the Iron and Steel Institute 1890, II, p. 177. 2) In Engineering Bd. XXXIX, S. 561. D. R. P. Nr. 32119 1885 erteilt. Engl. Pat. vom 8. Juli 1885.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 764. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/780>, abgerufen am 22.11.2024.