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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870.
eisensteinfutter fand in Frankreich mehrfach Anwendung. Boden
und Wände des Herdes wurden aus Chromeisensteinstücken von
mindestens 38 Prozent Chrom- und 6 Prozent Siliciumgehalt mit
einem aus Kalk und Chromerz bereiteten Mörtel hergestellt. Die
Öfen hatten für 6 bis 8 Tonnen Fassungsraum; in 24 Stunden wurden
drei Chargen gemacht. Man besetzte erst mit 300 bis 500 kg Kalk-
stein und je nach dem Schwefelgehalt des Eisens mit 100 bis 200 kg
Manganerz, hierauf mit 1500 bis 1700 kg Roheisen, 500 bis 600 kg
Gussschrott, dazu aber ein Drittel Stahlabfälle; nach dem Einschmelzen
wurden 300 bis 500 kg Schrott nachgesetzt. Bei hinreichender Tem-
peratur wurde dann Schlacke abgelassen und, ehe man Ferromangan
zusetzte, Probe genommen. Zeigte sich noch ein zu hoher Gehalt an
Phosphor, so wurden Kugeln aus Kalk und Hammerschlag eingeworfen.
Es ging bei diesem Betriebe nur wenig Chrom aus dem Futter in das
Bad über und man konnte beliebig harten oder weichen Stahl machen.
Die Kosten stellten sich auf 26,32 Francs die Tonne, gegen 23,05 Francs
beim Thomasieren im Konverter. Eine Anlage von 18 bis 20 Tonnen
Erzeugung in 24 Stunden kostete 92000 Francs. Das Verfahren war
1886 eingeführt in Commercy (Dep. Meurthe), Blagny (Ardennen),
Morvillars (Dep. Belfort) und Tamari (Dep. Gard), wo der Flussstahl
zu Feinblech, Bandeisen, Ketten, Nageleisen, Draht u. s. w. verwendet
wurde; ferner war es schon früher in Ausübung zu Terre noire,
Bassege und zu Alexandrowsky bei St. Petersburg. G. von Odelst-
jerna
führte den Erzprozess in Schweden ein und zwar mit aus-
giebigerer Verwendung reiner Magnetite auf den Stahlwerken zu
Hammarby, Ankarsum, Hellefors und Söderfors, ferner auf Versuchs-
öfen zu Domnarfreet-Dale. Man gab 24 bis 30 Prozent des Roheisen-
gewichts reine Magnetite und Hämatite auf. Die Charge dauerte 10
bis 12 Stunden, also länger als bei Schrottbetrieb. Auch war der
Aufwand an Kohlen und Arbeitslöhnen um 25 Prozent höher. Dabei
ging ein beträchtlicher Teil des Eisens aus dem Erz in die Schlacke.
Das Produkt war aber ebenso gut wie beim Schrottprozess.

Ein Zusatz von Erz kam auch bei dem sauren Verfahren in
den Vereinigten Staaten damals allgemein zur Anwendung. Dieser
Zusatz gegen Schluss beschleunigt den Prozess und macht das Metall
wärmer und gleichmässiger, denn je wärmer das Flusseisen ist, je
weniger absorbiert es Gase, je blasenfreier werden die Güsse.

Blasenfreien Guss versuchte man auch durch Kombination des
Bessemer- und Martinverfahrens zu erzeugen, indem man die im
Konverter totgeblasene Charge im sauren Martinofen unter Zusatz

Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
eisensteinfutter fand in Frankreich mehrfach Anwendung. Boden
und Wände des Herdes wurden aus Chromeisensteinstücken von
mindestens 38 Prozent Chrom- und 6 Prozent Siliciumgehalt mit
einem aus Kalk und Chromerz bereiteten Mörtel hergestellt. Die
Öfen hatten für 6 bis 8 Tonnen Fassungsraum; in 24 Stunden wurden
drei Chargen gemacht. Man besetzte erst mit 300 bis 500 kg Kalk-
stein und je nach dem Schwefelgehalt des Eisens mit 100 bis 200 kg
Manganerz, hierauf mit 1500 bis 1700 kg Roheisen, 500 bis 600 kg
Guſsschrott, dazu aber ein Drittel Stahlabfälle; nach dem Einschmelzen
wurden 300 bis 500 kg Schrott nachgesetzt. Bei hinreichender Tem-
peratur wurde dann Schlacke abgelassen und, ehe man Ferromangan
zusetzte, Probe genommen. Zeigte sich noch ein zu hoher Gehalt an
Phosphor, so wurden Kugeln aus Kalk und Hammerschlag eingeworfen.
Es ging bei diesem Betriebe nur wenig Chrom aus dem Futter in das
Bad über und man konnte beliebig harten oder weichen Stahl machen.
Die Kosten stellten sich auf 26,32 Francs die Tonne, gegen 23,05 Francs
beim Thomasieren im Konverter. Eine Anlage von 18 bis 20 Tonnen
Erzeugung in 24 Stunden kostete 92000 Francs. Das Verfahren war
1886 eingeführt in Commercy (Dep. Meurthe), Blagny (Ardennen),
Morvillars (Dep. Belfort) und Tamari (Dep. Gard), wo der Fluſsstahl
zu Feinblech, Bandeisen, Ketten, Nageleisen, Draht u. s. w. verwendet
wurde; ferner war es schon früher in Ausübung zu Terre noire,
Bassège und zu Alexandrowsky bei St. Petersburg. G. von Odelst-
jerna
führte den Erzprozeſs in Schweden ein und zwar mit aus-
giebigerer Verwendung reiner Magnetite auf den Stahlwerken zu
Hammarby, Ankarsum, Hellefors und Söderfors, ferner auf Versuchs-
öfen zu Domnarfreet-Dale. Man gab 24 bis 30 Prozent des Roheisen-
gewichts reine Magnetite und Hämatite auf. Die Charge dauerte 10
bis 12 Stunden, also länger als bei Schrottbetrieb. Auch war der
Aufwand an Kohlen und Arbeitslöhnen um 25 Prozent höher. Dabei
ging ein beträchtlicher Teil des Eisens aus dem Erz in die Schlacke.
Das Produkt war aber ebenso gut wie beim Schrottprozeſs.

Ein Zusatz von Erz kam auch bei dem sauren Verfahren in
den Vereinigten Staaten damals allgemein zur Anwendung. Dieser
Zusatz gegen Schluſs beschleunigt den Prozeſs und macht das Metall
wärmer und gleichmäſsiger, denn je wärmer das Fluſseisen ist, je
weniger absorbiert es Gase, je blasenfreier werden die Güsse.

Blasenfreien Guſs versuchte man auch durch Kombination des
Bessemer- und Martinverfahrens zu erzeugen, indem man die im
Konverter totgeblasene Charge im sauren Martinofen unter Zusatz

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[706/0722] Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870. eisensteinfutter fand in Frankreich mehrfach Anwendung. Boden und Wände des Herdes wurden aus Chromeisensteinstücken von mindestens 38 Prozent Chrom- und 6 Prozent Siliciumgehalt mit einem aus Kalk und Chromerz bereiteten Mörtel hergestellt. Die Öfen hatten für 6 bis 8 Tonnen Fassungsraum; in 24 Stunden wurden drei Chargen gemacht. Man besetzte erst mit 300 bis 500 kg Kalk- stein und je nach dem Schwefelgehalt des Eisens mit 100 bis 200 kg Manganerz, hierauf mit 1500 bis 1700 kg Roheisen, 500 bis 600 kg Guſsschrott, dazu aber ein Drittel Stahlabfälle; nach dem Einschmelzen wurden 300 bis 500 kg Schrott nachgesetzt. Bei hinreichender Tem- peratur wurde dann Schlacke abgelassen und, ehe man Ferromangan zusetzte, Probe genommen. Zeigte sich noch ein zu hoher Gehalt an Phosphor, so wurden Kugeln aus Kalk und Hammerschlag eingeworfen. Es ging bei diesem Betriebe nur wenig Chrom aus dem Futter in das Bad über und man konnte beliebig harten oder weichen Stahl machen. Die Kosten stellten sich auf 26,32 Francs die Tonne, gegen 23,05 Francs beim Thomasieren im Konverter. Eine Anlage von 18 bis 20 Tonnen Erzeugung in 24 Stunden kostete 92000 Francs. Das Verfahren war 1886 eingeführt in Commercy (Dep. Meurthe), Blagny (Ardennen), Morvillars (Dep. Belfort) und Tamari (Dep. Gard), wo der Fluſsstahl zu Feinblech, Bandeisen, Ketten, Nageleisen, Draht u. s. w. verwendet wurde; ferner war es schon früher in Ausübung zu Terre noire, Bassège und zu Alexandrowsky bei St. Petersburg. G. von Odelst- jerna führte den Erzprozeſs in Schweden ein und zwar mit aus- giebigerer Verwendung reiner Magnetite auf den Stahlwerken zu Hammarby, Ankarsum, Hellefors und Söderfors, ferner auf Versuchs- öfen zu Domnarfreet-Dale. Man gab 24 bis 30 Prozent des Roheisen- gewichts reine Magnetite und Hämatite auf. Die Charge dauerte 10 bis 12 Stunden, also länger als bei Schrottbetrieb. Auch war der Aufwand an Kohlen und Arbeitslöhnen um 25 Prozent höher. Dabei ging ein beträchtlicher Teil des Eisens aus dem Erz in die Schlacke. Das Produkt war aber ebenso gut wie beim Schrottprozeſs. Ein Zusatz von Erz kam auch bei dem sauren Verfahren in den Vereinigten Staaten damals allgemein zur Anwendung. Dieser Zusatz gegen Schluſs beschleunigt den Prozeſs und macht das Metall wärmer und gleichmäſsiger, denn je wärmer das Fluſseisen ist, je weniger absorbiert es Gase, je blasenfreier werden die Güsse. Blasenfreien Guſs versuchte man auch durch Kombination des Bessemer- und Martinverfahrens zu erzeugen, indem man die im Konverter totgeblasene Charge im sauren Martinofen unter Zusatz

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 706. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/722>, abgerufen am 26.06.2024.