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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
rheinischen Stahlwerke und der Hörder Verein die Patente von
Thomas erworben und im Frühjahr 1879 begannen bereits auf beiden
Werken die Versuche. Zuerst setzte man am 10. April 1879 versuchs-
weise einen Konverter mit Phosphoritfutter in Betrieb. Diese Art von
Futter wurde aber bald verlassen, nachdem J. Massenez sich über-
zeugt hatte, dass totgebrannter Dolomit die beste Grundmasse abgäbe.

Am 22. September 1879 begann zu Hörde der regelmässige
basische Betrieb in zwei 4-Tonnen-Konvertern mit Chargen von
3200 bis 4200 kg 1). Man machte höchstens 9 bis 10 Hitzen in
12 Stunden. Das Einsatzeisen bestand aus einem Gemisch von
Luxemburger, Ilseder und eigenem Roheisen zu je einem Drittel. Das
Roheisen war weiss bis höchstens lichtgrau. Das Ilseder, welches den
höchsten Phosphorgehalt zeigte, erwies sich für den Prozess als am
geeignetsten. Hieraus schloss Massenez, dass, je phosphorreicher
das Roheisen sei, desto besser. Dem Ilseder Roheisen kam aber auch
ein hoher Mangangehalt zu statten, der zur Abscheidung des Schwefels
beitrug und das Eisen vor Oxydation schützte. Im Durchschnitt
enthielt es 3 Prozent Phosphor, 21/2 bis 3 Prozent Kohlenstoff, 2 Prozent
Mangan, 0,5 Prozent Silicium und 0,1 Prozent Schwefel, während das
entsprechende Luxemburger Roheisen etwa 2 Prozent Phosphor, 1 Pro-
zent Mangan und 1 Prozent Silicium enthielt. Das Roheisen wurde
im Kupolofen gattiert und eingeschmolzen, und dadurch eine gleich-
mässige Mischung erzielt.

Wo ein Hochofen in der Nähe war, der ein gleichmässiges, für
den Prozess geeignetes Roheisen lieferte, war es vorteilhafter, dieses
direkt in den Konverter laufen zu lassen. Dies geschah zuerst 1879
zu Creuzot. Zuvor hatte man auf den vorgewärmten Boden der Birne
reinen, d. h. kieselsäurefreien gebrannten Kalk mit wenig Kohle ge-
bracht. Durch schwaches Blasen wurde der Zuschlag zu heller Rotglut
erhitzt und dann das flüssige heisse Roheisen daraufgegossen und mit
dem Blasen begonnen.

Der basische Prozess verläuft abweichend von dem sauren, indem
die Siliciumverbrennung rasch beendet ist, worauf die Verbrennung des
Kohlenstoffs unter Aufkochen und starker Gasentwickelung beginnt.
Erstere, die Feinperiode, dauert etwa zwei Minuten, während die Ent-
kohlung oder die Frischperiode etwa 11 Minuten erfordert. Dann erst
beginnt die Entphosphorung oder das Nachblasen, welches in etwa fünf

1) Näheres siehe in dem Aufsatz von Tunner in Zeitschr. des steir. und
kärnt. Berg- und Hüttenvereins 1880, S. 232.

Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
rheinischen Stahlwerke und der Hörder Verein die Patente von
Thomas erworben und im Frühjahr 1879 begannen bereits auf beiden
Werken die Versuche. Zuerst setzte man am 10. April 1879 versuchs-
weise einen Konverter mit Phosphoritfutter in Betrieb. Diese Art von
Futter wurde aber bald verlassen, nachdem J. Massenez sich über-
zeugt hatte, daſs totgebrannter Dolomit die beste Grundmasse abgäbe.

Am 22. September 1879 begann zu Hörde der regelmäſsige
basische Betrieb in zwei 4-Tonnen-Konvertern mit Chargen von
3200 bis 4200 kg 1). Man machte höchstens 9 bis 10 Hitzen in
12 Stunden. Das Einsatzeisen bestand aus einem Gemisch von
Luxemburger, Ilseder und eigenem Roheisen zu je einem Drittel. Das
Roheisen war weiſs bis höchstens lichtgrau. Das Ilseder, welches den
höchsten Phosphorgehalt zeigte, erwies sich für den Prozeſs als am
geeignetsten. Hieraus schloſs Massenez, daſs, je phosphorreicher
das Roheisen sei, desto besser. Dem Ilseder Roheisen kam aber auch
ein hoher Mangangehalt zu statten, der zur Abscheidung des Schwefels
beitrug und das Eisen vor Oxydation schützte. Im Durchschnitt
enthielt es 3 Prozent Phosphor, 2½ bis 3 Prozent Kohlenstoff, 2 Prozent
Mangan, 0,5 Prozent Silicium und 0,1 Prozent Schwefel, während das
entsprechende Luxemburger Roheisen etwa 2 Prozent Phosphor, 1 Pro-
zent Mangan und 1 Prozent Silicium enthielt. Das Roheisen wurde
im Kupolofen gattiert und eingeschmolzen, und dadurch eine gleich-
mäſsige Mischung erzielt.

Wo ein Hochofen in der Nähe war, der ein gleichmäſsiges, für
den Prozeſs geeignetes Roheisen lieferte, war es vorteilhafter, dieses
direkt in den Konverter laufen zu lassen. Dies geschah zuerst 1879
zu Creuzot. Zuvor hatte man auf den vorgewärmten Boden der Birne
reinen, d. h. kieselsäurefreien gebrannten Kalk mit wenig Kohle ge-
bracht. Durch schwaches Blasen wurde der Zuschlag zu heller Rotglut
erhitzt und dann das flüssige heiſse Roheisen daraufgegossen und mit
dem Blasen begonnen.

Der basische Prozeſs verläuft abweichend von dem sauren, indem
die Siliciumverbrennung rasch beendet ist, worauf die Verbrennung des
Kohlenstoffs unter Aufkochen und starker Gasentwickelung beginnt.
Erstere, die Feinperiode, dauert etwa zwei Minuten, während die Ent-
kohlung oder die Frischperiode etwa 11 Minuten erfordert. Dann erst
beginnt die Entphosphorung oder das Nachblasen, welches in etwa fünf

1) Näheres siehe in dem Aufsatz von Tunner in Zeitschr. des steir. und
kärnt. Berg- und Hüttenvereins 1880, S. 232.
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[650/0666] Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. rheinischen Stahlwerke und der Hörder Verein die Patente von Thomas erworben und im Frühjahr 1879 begannen bereits auf beiden Werken die Versuche. Zuerst setzte man am 10. April 1879 versuchs- weise einen Konverter mit Phosphoritfutter in Betrieb. Diese Art von Futter wurde aber bald verlassen, nachdem J. Massenez sich über- zeugt hatte, daſs totgebrannter Dolomit die beste Grundmasse abgäbe. Am 22. September 1879 begann zu Hörde der regelmäſsige basische Betrieb in zwei 4-Tonnen-Konvertern mit Chargen von 3200 bis 4200 kg 1). Man machte höchstens 9 bis 10 Hitzen in 12 Stunden. Das Einsatzeisen bestand aus einem Gemisch von Luxemburger, Ilseder und eigenem Roheisen zu je einem Drittel. Das Roheisen war weiſs bis höchstens lichtgrau. Das Ilseder, welches den höchsten Phosphorgehalt zeigte, erwies sich für den Prozeſs als am geeignetsten. Hieraus schloſs Massenez, daſs, je phosphorreicher das Roheisen sei, desto besser. Dem Ilseder Roheisen kam aber auch ein hoher Mangangehalt zu statten, der zur Abscheidung des Schwefels beitrug und das Eisen vor Oxydation schützte. Im Durchschnitt enthielt es 3 Prozent Phosphor, 2½ bis 3 Prozent Kohlenstoff, 2 Prozent Mangan, 0,5 Prozent Silicium und 0,1 Prozent Schwefel, während das entsprechende Luxemburger Roheisen etwa 2 Prozent Phosphor, 1 Pro- zent Mangan und 1 Prozent Silicium enthielt. Das Roheisen wurde im Kupolofen gattiert und eingeschmolzen, und dadurch eine gleich- mäſsige Mischung erzielt. Wo ein Hochofen in der Nähe war, der ein gleichmäſsiges, für den Prozeſs geeignetes Roheisen lieferte, war es vorteilhafter, dieses direkt in den Konverter laufen zu lassen. Dies geschah zuerst 1879 zu Creuzot. Zuvor hatte man auf den vorgewärmten Boden der Birne reinen, d. h. kieselsäurefreien gebrannten Kalk mit wenig Kohle ge- bracht. Durch schwaches Blasen wurde der Zuschlag zu heller Rotglut erhitzt und dann das flüssige heiſse Roheisen daraufgegossen und mit dem Blasen begonnen. Der basische Prozeſs verläuft abweichend von dem sauren, indem die Siliciumverbrennung rasch beendet ist, worauf die Verbrennung des Kohlenstoffs unter Aufkochen und starker Gasentwickelung beginnt. Erstere, die Feinperiode, dauert etwa zwei Minuten, während die Ent- kohlung oder die Frischperiode etwa 11 Minuten erfordert. Dann erst beginnt die Entphosphorung oder das Nachblasen, welches in etwa fünf 1) Näheres siehe in dem Aufsatz von Tunner in Zeitschr. des steir. und kärnt. Berg- und Hüttenvereins 1880, S. 232.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/666>, abgerufen am 22.11.2024.