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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Der saure oder Bessemerprozess bis 1880.
dies die Eruptionsperiode. Die Verbrennung des Kohlenstoffs unter-
drückt die Oxydation des Siliciums. Die Temperatur der Eruptions-
periode, bei der Schmiedeeisen sofort schmilzt, giebt Müller auf
1600° C. an. Die Verbrennung des Kohlenstoffs bricht plötzlich ab;
alsdann beginnen Silicium und Mangan zu verbrennen, wodurch
eine Temperatursteigerung von 200° C. eintritt. Einwerfen von kaltem
Eisen vermindert die Affinität des Kohlenstoffs zum Sauerstoff und
befördert die Verbrennung des Siliciums.

Lässt man das Roheisen nicht mit 1400° C., sondern mit nur
1200° C. in die Birne fliessen, so entwickelt sich von selbst der
englische Prozess, bei dem anfangs kein Kohlenstoff, sondern nur
Silicium und Mangan verbrennen, bis das Bad so erhitzt ist, dass die
Entzündung des Kohlenstoffs eintritt. Nach Müllers Beobachtung
erhöht 1 Prozent Silicium die Temperatur des Bades um 300° C. In
normalen Chargen werden etwa 1,4 Prozent Silicium und etwa ebenso
viel Mangan verbrannt; so viel muss also mindestens von diesen
Stoffen im Roheisen vorhanden sein. Am Schluss des Blasens tritt
eine Sättigung des Bades mit oxydiertem Eisen ein.

Die Abfälle von Bessemerstahl in den Konverter nach Beendigung
der Charge einzuwerfen, ist nach M. Tschernoffs Erfahrung (1878)
nicht so vorteilhaft, als dieselben mit Roheisen im Kupolofen zu ver-
schmelzen.

F. Osann1) schlug 1878 vor, den Bessemerprozess zu teilen und
das Einsetzen und erste Blasen in einem mit plastischem Kohlenfutter
ausgekleideten Konverter vorzunehmen, hierauf den Prozess in einem
gewöhnlichen Konverter mit Kieselfutter zu vollenden.

Wicks & Howson bliesen 1879 zerstäubte Kohlenwasserstoffe mit
dem Wind in den Konverter.

Sehr wichtig auch für den Betrieb waren die Fortschritte der
theoretischen Erkenntnis
des Bessemerprozesses in den siebziger
Jahren. Die Grundlage hierfür bildeten gründliche, chemische Unter-
suchungen. Von diesen nennen wir die Analysen von G. J. Snelus
von 1871 über den Bessemerprozess in Dowlais2), die von Kessler3)
über den eines norddeutschen Stahlwerkes (1872), von E. Barker4)
über den eines englischen Stahlwerkes (1876), von Göransson und

1) Siehe Dinglers Pol. Journ. 1878, Bd. 230, S. 511.
2) Journal of the Iron and Steel Institute 1871, vol. II; Annales des mines,
ser. 7, t. II, p. 332.
3) Siehe Dinglers Pol. Journ., Bd. 205, S. 436.
4) Siehe Zeitschrift für Bauwesen, Jahrg. XXVI (1876), S. 427.

Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
dies die Eruptionsperiode. Die Verbrennung des Kohlenstoffs unter-
drückt die Oxydation des Siliciums. Die Temperatur der Eruptions-
periode, bei der Schmiedeeisen sofort schmilzt, giebt Müller auf
1600° C. an. Die Verbrennung des Kohlenstoffs bricht plötzlich ab;
alsdann beginnen Silicium und Mangan zu verbrennen, wodurch
eine Temperatursteigerung von 200° C. eintritt. Einwerfen von kaltem
Eisen vermindert die Affinität des Kohlenstoffs zum Sauerstoff und
befördert die Verbrennung des Siliciums.

Läſst man das Roheisen nicht mit 1400° C., sondern mit nur
1200° C. in die Birne flieſsen, so entwickelt sich von selbst der
englische Prozeſs, bei dem anfangs kein Kohlenstoff, sondern nur
Silicium und Mangan verbrennen, bis das Bad so erhitzt ist, daſs die
Entzündung des Kohlenstoffs eintritt. Nach Müllers Beobachtung
erhöht 1 Prozent Silicium die Temperatur des Bades um 300° C. In
normalen Chargen werden etwa 1,4 Prozent Silicium und etwa ebenso
viel Mangan verbrannt; so viel muſs also mindestens von diesen
Stoffen im Roheisen vorhanden sein. Am Schluſs des Blasens tritt
eine Sättigung des Bades mit oxydiertem Eisen ein.

Die Abfälle von Bessemerstahl in den Konverter nach Beendigung
der Charge einzuwerfen, ist nach M. Tschernoffs Erfahrung (1878)
nicht so vorteilhaft, als dieselben mit Roheisen im Kupolofen zu ver-
schmelzen.

F. Osann1) schlug 1878 vor, den Bessemerprozeſs zu teilen und
das Einsetzen und erste Blasen in einem mit plastischem Kohlenfutter
ausgekleideten Konverter vorzunehmen, hierauf den Prozeſs in einem
gewöhnlichen Konverter mit Kieselfutter zu vollenden.

Wicks & Howson bliesen 1879 zerstäubte Kohlenwasserstoffe mit
dem Wind in den Konverter.

Sehr wichtig auch für den Betrieb waren die Fortschritte der
theoretischen Erkenntnis
des Bessemerprozesses in den siebziger
Jahren. Die Grundlage hierfür bildeten gründliche, chemische Unter-
suchungen. Von diesen nennen wir die Analysen von G. J. Snelus
von 1871 über den Bessemerprozeſs in Dowlais2), die von Keſsler3)
über den eines norddeutschen Stahlwerkes (1872), von E. Barker4)
über den eines englischen Stahlwerkes (1876), von Göransson und

1) Siehe Dinglers Pol. Journ. 1878, Bd. 230, S. 511.
2) Journal of the Iron and Steel Institute 1871, vol. II; Annales des mines,
sér. 7, t. II, p. 332.
3) Siehe Dinglers Pol. Journ., Bd. 205, S. 436.
4) Siehe Zeitschrift für Bauwesen, Jahrg. XXVI (1876), S. 427.
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[628/0644] Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880. dies die Eruptionsperiode. Die Verbrennung des Kohlenstoffs unter- drückt die Oxydation des Siliciums. Die Temperatur der Eruptions- periode, bei der Schmiedeeisen sofort schmilzt, giebt Müller auf 1600° C. an. Die Verbrennung des Kohlenstoffs bricht plötzlich ab; alsdann beginnen Silicium und Mangan zu verbrennen, wodurch eine Temperatursteigerung von 200° C. eintritt. Einwerfen von kaltem Eisen vermindert die Affinität des Kohlenstoffs zum Sauerstoff und befördert die Verbrennung des Siliciums. Läſst man das Roheisen nicht mit 1400° C., sondern mit nur 1200° C. in die Birne flieſsen, so entwickelt sich von selbst der englische Prozeſs, bei dem anfangs kein Kohlenstoff, sondern nur Silicium und Mangan verbrennen, bis das Bad so erhitzt ist, daſs die Entzündung des Kohlenstoffs eintritt. Nach Müllers Beobachtung erhöht 1 Prozent Silicium die Temperatur des Bades um 300° C. In normalen Chargen werden etwa 1,4 Prozent Silicium und etwa ebenso viel Mangan verbrannt; so viel muſs also mindestens von diesen Stoffen im Roheisen vorhanden sein. Am Schluſs des Blasens tritt eine Sättigung des Bades mit oxydiertem Eisen ein. Die Abfälle von Bessemerstahl in den Konverter nach Beendigung der Charge einzuwerfen, ist nach M. Tschernoffs Erfahrung (1878) nicht so vorteilhaft, als dieselben mit Roheisen im Kupolofen zu ver- schmelzen. F. Osann 1) schlug 1878 vor, den Bessemerprozeſs zu teilen und das Einsetzen und erste Blasen in einem mit plastischem Kohlenfutter ausgekleideten Konverter vorzunehmen, hierauf den Prozeſs in einem gewöhnlichen Konverter mit Kieselfutter zu vollenden. Wicks & Howson bliesen 1879 zerstäubte Kohlenwasserstoffe mit dem Wind in den Konverter. Sehr wichtig auch für den Betrieb waren die Fortschritte der theoretischen Erkenntnis des Bessemerprozesses in den siebziger Jahren. Die Grundlage hierfür bildeten gründliche, chemische Unter- suchungen. Von diesen nennen wir die Analysen von G. J. Snelus von 1871 über den Bessemerprozeſs in Dowlais 2), die von Keſsler 3) über den eines norddeutschen Stahlwerkes (1872), von E. Barker 4) über den eines englischen Stahlwerkes (1876), von Göransson und 1) Siehe Dinglers Pol. Journ. 1878, Bd. 230, S. 511. 2) Journal of the Iron and Steel Institute 1871, vol. II; Annales des mines, sér. 7, t. II, p. 332. 3) Siehe Dinglers Pol. Journ., Bd. 205, S. 436. 4) Siehe Zeitschrift für Bauwesen, Jahrg. XXVI (1876), S. 427.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/644>, abgerufen am 22.11.2024.