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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Vorarbeiten zu den Frischprozessen.
lierende Trog war etwa 4 m lang und wurde durch Schwinghebel in
zwei Zapfen hin- und herbewegt. Die eisenoxydhaltigen Zusätze waren
gut vorgewärmt, der Apparat machte in zehn Minuten 60 bis
80 Schwingungen. Nach dem Schmelzen wurde die phosphorsäure-
haltige Schlacke ablaufen gelassen. Bei grauem Clevelandeisen ging
hierbei der Phosphorgehalt von 1,50 Prozent auf 0,22 Prozent, der
Siliciumgehalt von 1,80 Prozent auf 0,05 Prozent herab. Der Zusatz
von gerösteten Clevelanderzen betrug etwa 50 Prozent. Das Puddeln
des gereinigten Eisens sollte dann in einem Ponsardofen oder einem
sonstigen rotierenden Ofen erfolgen.

Die Verwendung eisenoxydhaltiger Zusätze für die Reinigung des
Eisens war durchaus nicht neu. H. Bessemer hatte längst Versuche
gemacht, das Eisen durch solche Zuschläge oder durch eisen-
oxydhaltige Konverterfutter zu reinigen. Ebenso hatte W. Siemens
1863 derartige Futter auf Le Chateliers Rat angewendet. Wedding
empfahl 1865 den Zusatz basischer Eisenschlacken als Reinigungs-
mittel.

Gleichzeitig mit Bells Verfahren wurde die von Fr. Krupp
1877 patentierte Entphosphorung des Roheisens bekannt. Der
Prozess war von den Ingenieuren Th. Narjes und Dr. August
Bender
erfunden 1) und ausgebildet worden und beruhte auf der
Einwirkung der Oxyde von Eisen und Mangan auf flüssiges, mangan-
haltiges Roheisen. Von Bells Verfahren unterscheidet es sich ganz
besonders durch die Verwendung oder Zusatz von manganhaltigem
Eisen und sollte das Mangan einesteils den Kohlenstoff vor Oxy-
dation schützen, andererseits das Manganoxydul als starke Base die
Oxydation und Abscheidung des Phosphors befördern. Da die dem
Verfahren zu Grunde liegenden Thatsachen bekannt waren, so zögerte
die Regierung mit der Patenterteilung und ernannte eine besondere
Prüfungskommission, die sich von der Neuheit der Ausführung über-
zeugte. Das Verfahren bestand darin, dass man flüssiges Roheisen vom
Hochofen in Chargen von 5 Tonnen auf einen rotierenden Pernotofen,
dessen eiserne Wände mit einem Futter von reichen manganhaltigen
Eisenerzen ausgekleidet waren, brachte, und, während derselbe rotierte,
noch Zuschläge von eisenoxydreichen Stoffen einwarf. Die Charge
verlief in 15 Minuten und wurde das entphosphorte Metall mit

1) "Auf Grund der in der Berliner Bergakademie gehörten Vorträge der
Eisenhüttenkunde, worin die Hindernisse der Entphosphorung auseinandergesetzt
und der Weg zur Erreichung derselben durch Anwendung von Schlackenfutter
angedeutet war" schreibt Wedding.

Vorarbeiten zu den Frischprozessen.
lierende Trog war etwa 4 m lang und wurde durch Schwinghebel in
zwei Zapfen hin- und herbewegt. Die eisenoxydhaltigen Zusätze waren
gut vorgewärmt, der Apparat machte in zehn Minuten 60 bis
80 Schwingungen. Nach dem Schmelzen wurde die phosphorsäure-
haltige Schlacke ablaufen gelassen. Bei grauem Clevelandeisen ging
hierbei der Phosphorgehalt von 1,50 Prozent auf 0,22 Prozent, der
Siliciumgehalt von 1,80 Prozent auf 0,05 Prozent herab. Der Zusatz
von gerösteten Clevelanderzen betrug etwa 50 Prozent. Das Puddeln
des gereinigten Eisens sollte dann in einem Ponsardofen oder einem
sonstigen rotierenden Ofen erfolgen.

Die Verwendung eisenoxydhaltiger Zusätze für die Reinigung des
Eisens war durchaus nicht neu. H. Bessemer hatte längst Versuche
gemacht, das Eisen durch solche Zuschläge oder durch eisen-
oxydhaltige Konverterfutter zu reinigen. Ebenso hatte W. Siemens
1863 derartige Futter auf Le Chateliers Rat angewendet. Wedding
empfahl 1865 den Zusatz basischer Eisenschlacken als Reinigungs-
mittel.

Gleichzeitig mit Bells Verfahren wurde die von Fr. Krupp
1877 patentierte Entphosphorung des Roheisens bekannt. Der
Prozeſs war von den Ingenieuren Th. Narjes und Dr. August
Bender
erfunden 1) und ausgebildet worden und beruhte auf der
Einwirkung der Oxyde von Eisen und Mangan auf flüssiges, mangan-
haltiges Roheisen. Von Bells Verfahren unterscheidet es sich ganz
besonders durch die Verwendung oder Zusatz von manganhaltigem
Eisen und sollte das Mangan einesteils den Kohlenstoff vor Oxy-
dation schützen, andererseits das Manganoxydul als starke Base die
Oxydation und Abscheidung des Phosphors befördern. Da die dem
Verfahren zu Grunde liegenden Thatsachen bekannt waren, so zögerte
die Regierung mit der Patenterteilung und ernannte eine besondere
Prüfungskommission, die sich von der Neuheit der Ausführung über-
zeugte. Das Verfahren bestand darin, daſs man flüssiges Roheisen vom
Hochofen in Chargen von 5 Tonnen auf einen rotierenden Pernotofen,
dessen eiserne Wände mit einem Futter von reichen manganhaltigen
Eisenerzen ausgekleidet waren, brachte, und, während derselbe rotierte,
noch Zuschläge von eisenoxydreichen Stoffen einwarf. Die Charge
verlief in 15 Minuten und wurde das entphosphorte Metall mit

1) „Auf Grund der in der Berliner Bergakademie gehörten Vorträge der
Eisenhüttenkunde, worin die Hindernisse der Entphosphorung auseinandergesetzt
und der Weg zur Erreichung derselben durch Anwendung von Schlackenfutter
angedeutet war“ schreibt Wedding.
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[580/0596] Vorarbeiten zu den Frischprozessen. lierende Trog war etwa 4 m lang und wurde durch Schwinghebel in zwei Zapfen hin- und herbewegt. Die eisenoxydhaltigen Zusätze waren gut vorgewärmt, der Apparat machte in zehn Minuten 60 bis 80 Schwingungen. Nach dem Schmelzen wurde die phosphorsäure- haltige Schlacke ablaufen gelassen. Bei grauem Clevelandeisen ging hierbei der Phosphorgehalt von 1,50 Prozent auf 0,22 Prozent, der Siliciumgehalt von 1,80 Prozent auf 0,05 Prozent herab. Der Zusatz von gerösteten Clevelanderzen betrug etwa 50 Prozent. Das Puddeln des gereinigten Eisens sollte dann in einem Ponsardofen oder einem sonstigen rotierenden Ofen erfolgen. Die Verwendung eisenoxydhaltiger Zusätze für die Reinigung des Eisens war durchaus nicht neu. H. Bessemer hatte längst Versuche gemacht, das Eisen durch solche Zuschläge oder durch eisen- oxydhaltige Konverterfutter zu reinigen. Ebenso hatte W. Siemens 1863 derartige Futter auf Le Chateliers Rat angewendet. Wedding empfahl 1865 den Zusatz basischer Eisenschlacken als Reinigungs- mittel. Gleichzeitig mit Bells Verfahren wurde die von Fr. Krupp 1877 patentierte Entphosphorung des Roheisens bekannt. Der Prozeſs war von den Ingenieuren Th. Narjes und Dr. August Bender erfunden 1) und ausgebildet worden und beruhte auf der Einwirkung der Oxyde von Eisen und Mangan auf flüssiges, mangan- haltiges Roheisen. Von Bells Verfahren unterscheidet es sich ganz besonders durch die Verwendung oder Zusatz von manganhaltigem Eisen und sollte das Mangan einesteils den Kohlenstoff vor Oxy- dation schützen, andererseits das Manganoxydul als starke Base die Oxydation und Abscheidung des Phosphors befördern. Da die dem Verfahren zu Grunde liegenden Thatsachen bekannt waren, so zögerte die Regierung mit der Patenterteilung und ernannte eine besondere Prüfungskommission, die sich von der Neuheit der Ausführung über- zeugte. Das Verfahren bestand darin, daſs man flüssiges Roheisen vom Hochofen in Chargen von 5 Tonnen auf einen rotierenden Pernotofen, dessen eiserne Wände mit einem Futter von reichen manganhaltigen Eisenerzen ausgekleidet waren, brachte, und, während derselbe rotierte, noch Zuschläge von eisenoxydreichen Stoffen einwarf. Die Charge verlief in 15 Minuten und wurde das entphosphorte Metall mit 1) „Auf Grund der in der Berliner Bergakademie gehörten Vorträge der Eisenhüttenkunde, worin die Hindernisse der Entphosphorung auseinandergesetzt und der Weg zur Erreichung derselben durch Anwendung von Schlackenfutter angedeutet war“ schreibt Wedding.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/596>, abgerufen am 22.05.2024.