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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die direkte Eisengewinnung.
Dagegen verarbeitete man die Luppen zu Stürzen für Schwarzbleche.
Das Stückofen-Schmelzverfahren, das im einzelnen noch verschiedene
Verbesserungen erfuhr, stand 1889 ausser auf dem genannten Werke
noch zu Kontsche Osero und zu Dobiansk in Ausübung. Für Finn-
land hatte es also damals eine nicht geringe Bedeutung.

Ein noch viel grösserer Aufwand von Geist und Mühe wurde auf
diejenigen direkten Eisengewinnungsprozesse, bei denen Reduktion und
Schmelzung getrennt ausgeführt wurden, verwendet.

Besonders entwickelte Wilhelm C. Siemens in England eine
erstaunliche Energie bei der Vervollkommnung dieses Verfahrens.
Über seinen "Erzstahlprozess", bei dem die Erze nur den kleineren
Teil des Rohmaterials bildeten, haben wir bereits berichtet (S. 93) und
kommen auf die weitere Entwickelung desselben später noch zurück.
Hier interessiert uns ein anderes Verfahren, bei dem Eisenerze den
einzigen oder hauptsächlichen Rohstoff bildeten und auf welches
Siemens durch seine zahlreichen Versuche mit dem Erzstahlprozess
geleitet wurde. Es kam ihm hierbei um 1870 die Idee, ob es nicht
vorteilhafter sei, statt wie bis dahin die Erze zu einem Eisenschwamm
zu reducieren und diesen in ein im Flammofen geschmolzenes Eisenbad
einzutragen und zu schmelzen, die Erze mit Flussmitteln zu einer
eisenreichen Schlacke zu schmelzen und aus dieser durch Kohle das
Eisen in kompakter Form auszufällen und in Form von Luppen zu
gewinnen. Versuche auf dem Landore-Siemens-Stahlwerk bei Swansea
im rotierenden sowie im Kaskadenofen und auf den Blochairn-
Eisenwerken bei Glasgow fielen nicht ungünstig aus. Siemens
bezeichnete sein neues Verfahren als Präcipitationsprozess oder
Niederschlagsarbeit. Zunächst gab er einem Regenerativ-Gasflamm-
ofen, der nach Art eines Kaskadenofens zugestellt war, den Vorzug. Auf
dem Boden desselben waren aus den Erzen selbst zwei verschieden
hohe Herde oder Betten hergestellt; auf dem höher gelegenen wurden
die Erze mit dem Flussmittel zu einem flüssigen Bade geschmolzen,
dieses wurde dann durch die aus Erzstücken hergestellte Zwischen-
wand in das tiefer liegende Bett, auf dessen Boden zuvor ein Gemenge
von gepulvertem Koks oder Anthrazit und Erzstaub aufgestreut worden
war, abgestochen. Die flüssige Masse wurde dann umgerührt, wobei
sich eine dicke, schäumende Mischung bildete, aus der sich nach 40
bis 50 Minuten metallisches Eisen abschied. Dies wurde zu Luppen
vereinigt, welche entweder gezängt oder im Stahlschmelzofen um-
geschmolzen wurden. Im weiteren Verlauf seiner Versuche gab
W. Siemens dem Drehofen oder Rotator mit Bauxitfutter den Vorzug.

Die direkte Eisengewinnung.
Dagegen verarbeitete man die Luppen zu Stürzen für Schwarzbleche.
Das Stückofen-Schmelzverfahren, das im einzelnen noch verschiedene
Verbesserungen erfuhr, stand 1889 auſser auf dem genannten Werke
noch zu Kontsche Osero und zu Dobiansk in Ausübung. Für Finn-
land hatte es also damals eine nicht geringe Bedeutung.

Ein noch viel gröſserer Aufwand von Geist und Mühe wurde auf
diejenigen direkten Eisengewinnungsprozesse, bei denen Reduktion und
Schmelzung getrennt ausgeführt wurden, verwendet.

Besonders entwickelte Wilhelm C. Siemens in England eine
erstaunliche Energie bei der Vervollkommnung dieses Verfahrens.
Über seinen „Erzstahlprozeſs“, bei dem die Erze nur den kleineren
Teil des Rohmaterials bildeten, haben wir bereits berichtet (S. 93) und
kommen auf die weitere Entwickelung desselben später noch zurück.
Hier interessiert uns ein anderes Verfahren, bei dem Eisenerze den
einzigen oder hauptsächlichen Rohstoff bildeten und auf welches
Siemens durch seine zahlreichen Versuche mit dem Erzstahlprozeſs
geleitet wurde. Es kam ihm hierbei um 1870 die Idee, ob es nicht
vorteilhafter sei, statt wie bis dahin die Erze zu einem Eisenschwamm
zu reducieren und diesen in ein im Flammofen geschmolzenes Eisenbad
einzutragen und zu schmelzen, die Erze mit Fluſsmitteln zu einer
eisenreichen Schlacke zu schmelzen und aus dieser durch Kohle das
Eisen in kompakter Form auszufällen und in Form von Luppen zu
gewinnen. Versuche auf dem Landore-Siemens-Stahlwerk bei Swansea
im rotierenden sowie im Kaskadenofen und auf den Blochairn-
Eisenwerken bei Glasgow fielen nicht ungünstig aus. Siemens
bezeichnete sein neues Verfahren als Präcipitationsprozeſs oder
Niederschlagsarbeit. Zunächst gab er einem Regenerativ-Gasflamm-
ofen, der nach Art eines Kaskadenofens zugestellt war, den Vorzug. Auf
dem Boden desselben waren aus den Erzen selbst zwei verschieden
hohe Herde oder Betten hergestellt; auf dem höher gelegenen wurden
die Erze mit dem Fluſsmittel zu einem flüssigen Bade geschmolzen,
dieses wurde dann durch die aus Erzstücken hergestellte Zwischen-
wand in das tiefer liegende Bett, auf dessen Boden zuvor ein Gemenge
von gepulvertem Koks oder Anthrazit und Erzstaub aufgestreut worden
war, abgestochen. Die flüssige Masse wurde dann umgerührt, wobei
sich eine dicke, schäumende Mischung bildete, aus der sich nach 40
bis 50 Minuten metallisches Eisen abschied. Dies wurde zu Luppen
vereinigt, welche entweder gezängt oder im Stahlschmelzofen um-
geschmolzen wurden. Im weiteren Verlauf seiner Versuche gab
W. Siemens dem Drehofen oder Rotator mit Bauxitfutter den Vorzug.

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[565/0581] Die direkte Eisengewinnung. Dagegen verarbeitete man die Luppen zu Stürzen für Schwarzbleche. Das Stückofen-Schmelzverfahren, das im einzelnen noch verschiedene Verbesserungen erfuhr, stand 1889 auſser auf dem genannten Werke noch zu Kontsche Osero und zu Dobiansk in Ausübung. Für Finn- land hatte es also damals eine nicht geringe Bedeutung. Ein noch viel gröſserer Aufwand von Geist und Mühe wurde auf diejenigen direkten Eisengewinnungsprozesse, bei denen Reduktion und Schmelzung getrennt ausgeführt wurden, verwendet. Besonders entwickelte Wilhelm C. Siemens in England eine erstaunliche Energie bei der Vervollkommnung dieses Verfahrens. Über seinen „Erzstahlprozeſs“, bei dem die Erze nur den kleineren Teil des Rohmaterials bildeten, haben wir bereits berichtet (S. 93) und kommen auf die weitere Entwickelung desselben später noch zurück. Hier interessiert uns ein anderes Verfahren, bei dem Eisenerze den einzigen oder hauptsächlichen Rohstoff bildeten und auf welches Siemens durch seine zahlreichen Versuche mit dem Erzstahlprozeſs geleitet wurde. Es kam ihm hierbei um 1870 die Idee, ob es nicht vorteilhafter sei, statt wie bis dahin die Erze zu einem Eisenschwamm zu reducieren und diesen in ein im Flammofen geschmolzenes Eisenbad einzutragen und zu schmelzen, die Erze mit Fluſsmitteln zu einer eisenreichen Schlacke zu schmelzen und aus dieser durch Kohle das Eisen in kompakter Form auszufällen und in Form von Luppen zu gewinnen. Versuche auf dem Landore-Siemens-Stahlwerk bei Swansea im rotierenden sowie im Kaskadenofen und auf den Blochairn- Eisenwerken bei Glasgow fielen nicht ungünstig aus. Siemens bezeichnete sein neues Verfahren als Präcipitationsprozeſs oder Niederschlagsarbeit. Zunächst gab er einem Regenerativ-Gasflamm- ofen, der nach Art eines Kaskadenofens zugestellt war, den Vorzug. Auf dem Boden desselben waren aus den Erzen selbst zwei verschieden hohe Herde oder Betten hergestellt; auf dem höher gelegenen wurden die Erze mit dem Fluſsmittel zu einem flüssigen Bade geschmolzen, dieses wurde dann durch die aus Erzstücken hergestellte Zwischen- wand in das tiefer liegende Bett, auf dessen Boden zuvor ein Gemenge von gepulvertem Koks oder Anthrazit und Erzstaub aufgestreut worden war, abgestochen. Die flüssige Masse wurde dann umgerührt, wobei sich eine dicke, schäumende Mischung bildete, aus der sich nach 40 bis 50 Minuten metallisches Eisen abschied. Dies wurde zu Luppen vereinigt, welche entweder gezängt oder im Stahlschmelzofen um- geschmolzen wurden. Im weiteren Verlauf seiner Versuche gab W. Siemens dem Drehofen oder Rotator mit Bauxitfutter den Vorzug.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/581>, abgerufen am 22.11.2024.