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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Hochöfen.
zurückkommen. -- Von Gichtgasanalysen erwähnen wir die von den
Kokshochöfen des Phönix bei Ruhrort von Stockmann 1875, ver-
schiedener schwedischer Hochöfen von Rinmann 1877, von Cleveland-
öfen von Bell 1882, von Luxemburger Hochöfen von Greit 1890.

Carl Schinz in Deutschland, L. Gruner in Frankreich und
Lowthian Bell in England hatten in den sechziger Jahren fast
gleichzeitig und unabhängig voneinander auf die grosse Bedeutung
der Wärmevorgänge im Hochofen hingewiesen und durch ihre Be-
trachtungen und Untersuchungen einen Umschwung in der Auffassung
des Hochofenprozesses herbeigeführt. Bis dahin hatte man die Vor-
gänge im Ofen fast ausschliesslich als chemische Reaktionen betrachtet,
während besonders Schinz mit Recht darauf hinwies, dass die ganze
Ökonomie des Hochofenprozesses doch nur in der zweckmässigen Aus-
nutzung der durch die Verbrennung der Kohlen erzeugten Wärme
bestehe. Schinz' Ansichten, die anfangs bekämpft wurden, weil er
sie in heftiger, aggressiver Sprache vortrug, und weil er nicht eigent-
lich Fachmann war, wodurch ihm viele falsche Behauptungen mit
unterliefen, blieben siegreich und haben einen grossen Einfluss auf die
Theorie des Hochofenprozesses in den folgenden Jahrzehnten gehabt.
Hierzu trugen aber besonders die bahnbrechenden praktischen Unter-
suchungen von J. L. Lowthian Bell in England bei, welche der-
selbe 1869 im Zusammenhang veröffentlichte und die 1870 von
P. Tunner unter dem Titel: "Über die Verwendung der Wärme in
Eisenhochöfen verschiedener Dimensionen" deutsch herausgegeben
wurden. Bell ging dabei von dem Vergleich eines älteren kleinen
Hochofens von 48 Fuss Höhe und eines neuen grossen von 80 Fuss
Höhe im Clevelandbezirk aus. Indem er die Koksersparnis möglichst
genau zu ermitteln suchte, kam er zu einer genauen Berechnung
der erzeugten und verbrauchten Wärme in Kalorien-Centner und
indem er diese in kaufmännischer Weise als Soll und Haben
gegenüberstellt, kommt er zur Aufstellung der "Wärmebilanz", ein
Begriff, der sich seitdem bei der Betrachtung des Hochofenbetriebes
allgemein eingebürgert hat. Das praktische Ergebnis der damaligen
Untersuchung Bells bestand darin, dass der Ofen von 80 Fuss Höhe
gegenüber dem von 48 Fuss Höhe eine Koksersparnis von 6,60 Centner
pro Tonne ergab, dass aber eine noch weitere Erhöhung der Öfen
keine entsprechenden Vorteile erkennen liess.

In geistvoller, wissenschaftlicher Weise verarbeitete M. L. Gruner
1872 in seinen "Analytischen Studien über den Hochofen" die Resultate
Bells und trug dadurch wesentlich zu einer richtigeren Auffassung

Hochöfen.
zurückkommen. — Von Gichtgasanalysen erwähnen wir die von den
Kokshochöfen des Phönix bei Ruhrort von Stockmann 1875, ver-
schiedener schwedischer Hochöfen von Rinmann 1877, von Cleveland-
öfen von Bell 1882, von Luxemburger Hochöfen von Greit 1890.

Carl Schinz in Deutschland, L. Gruner in Frankreich und
Lowthian Bell in England hatten in den sechziger Jahren fast
gleichzeitig und unabhängig voneinander auf die groſse Bedeutung
der Wärmevorgänge im Hochofen hingewiesen und durch ihre Be-
trachtungen und Untersuchungen einen Umschwung in der Auffassung
des Hochofenprozesses herbeigeführt. Bis dahin hatte man die Vor-
gänge im Ofen fast ausschlieſslich als chemische Reaktionen betrachtet,
während besonders Schinz mit Recht darauf hinwies, daſs die ganze
Ökonomie des Hochofenprozesses doch nur in der zweckmäſsigen Aus-
nutzung der durch die Verbrennung der Kohlen erzeugten Wärme
bestehe. Schinz’ Ansichten, die anfangs bekämpft wurden, weil er
sie in heftiger, aggressiver Sprache vortrug, und weil er nicht eigent-
lich Fachmann war, wodurch ihm viele falsche Behauptungen mit
unterliefen, blieben siegreich und haben einen groſsen Einfluſs auf die
Theorie des Hochofenprozesses in den folgenden Jahrzehnten gehabt.
Hierzu trugen aber besonders die bahnbrechenden praktischen Unter-
suchungen von J. L. Lowthian Bell in England bei, welche der-
selbe 1869 im Zusammenhang veröffentlichte und die 1870 von
P. Tunner unter dem Titel: „Über die Verwendung der Wärme in
Eisenhochöfen verschiedener Dimensionen“ deutsch herausgegeben
wurden. Bell ging dabei von dem Vergleich eines älteren kleinen
Hochofens von 48 Fuſs Höhe und eines neuen groſsen von 80 Fuſs
Höhe im Clevelandbezirk aus. Indem er die Koksersparnis möglichst
genau zu ermitteln suchte, kam er zu einer genauen Berechnung
der erzeugten und verbrauchten Wärme in Kalorien-Centner und
indem er diese in kaufmännischer Weise als Soll und Haben
gegenüberstellt, kommt er zur Aufstellung der „Wärmebilanz“, ein
Begriff, der sich seitdem bei der Betrachtung des Hochofenbetriebes
allgemein eingebürgert hat. Das praktische Ergebnis der damaligen
Untersuchung Bells bestand darin, daſs der Ofen von 80 Fuſs Höhe
gegenüber dem von 48 Fuſs Höhe eine Koksersparnis von 6,60 Centner
pro Tonne ergab, daſs aber eine noch weitere Erhöhung der Öfen
keine entsprechenden Vorteile erkennen lieſs.

In geistvoller, wissenschaftlicher Weise verarbeitete M. L. Gruner
1872 in seinen „Analytischen Studien über den Hochofen“ die Resultate
Bells und trug dadurch wesentlich zu einer richtigeren Auffassung

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[498/0514] Hochöfen. zurückkommen. — Von Gichtgasanalysen erwähnen wir die von den Kokshochöfen des Phönix bei Ruhrort von Stockmann 1875, ver- schiedener schwedischer Hochöfen von Rinmann 1877, von Cleveland- öfen von Bell 1882, von Luxemburger Hochöfen von Greit 1890. Carl Schinz in Deutschland, L. Gruner in Frankreich und Lowthian Bell in England hatten in den sechziger Jahren fast gleichzeitig und unabhängig voneinander auf die groſse Bedeutung der Wärmevorgänge im Hochofen hingewiesen und durch ihre Be- trachtungen und Untersuchungen einen Umschwung in der Auffassung des Hochofenprozesses herbeigeführt. Bis dahin hatte man die Vor- gänge im Ofen fast ausschlieſslich als chemische Reaktionen betrachtet, während besonders Schinz mit Recht darauf hinwies, daſs die ganze Ökonomie des Hochofenprozesses doch nur in der zweckmäſsigen Aus- nutzung der durch die Verbrennung der Kohlen erzeugten Wärme bestehe. Schinz’ Ansichten, die anfangs bekämpft wurden, weil er sie in heftiger, aggressiver Sprache vortrug, und weil er nicht eigent- lich Fachmann war, wodurch ihm viele falsche Behauptungen mit unterliefen, blieben siegreich und haben einen groſsen Einfluſs auf die Theorie des Hochofenprozesses in den folgenden Jahrzehnten gehabt. Hierzu trugen aber besonders die bahnbrechenden praktischen Unter- suchungen von J. L. Lowthian Bell in England bei, welche der- selbe 1869 im Zusammenhang veröffentlichte und die 1870 von P. Tunner unter dem Titel: „Über die Verwendung der Wärme in Eisenhochöfen verschiedener Dimensionen“ deutsch herausgegeben wurden. Bell ging dabei von dem Vergleich eines älteren kleinen Hochofens von 48 Fuſs Höhe und eines neuen groſsen von 80 Fuſs Höhe im Clevelandbezirk aus. Indem er die Koksersparnis möglichst genau zu ermitteln suchte, kam er zu einer genauen Berechnung der erzeugten und verbrauchten Wärme in Kalorien-Centner und indem er diese in kaufmännischer Weise als Soll und Haben gegenüberstellt, kommt er zur Aufstellung der „Wärmebilanz“, ein Begriff, der sich seitdem bei der Betrachtung des Hochofenbetriebes allgemein eingebürgert hat. Das praktische Ergebnis der damaligen Untersuchung Bells bestand darin, daſs der Ofen von 80 Fuſs Höhe gegenüber dem von 48 Fuſs Höhe eine Koksersparnis von 6,60 Centner pro Tonne ergab, daſs aber eine noch weitere Erhöhung der Öfen keine entsprechenden Vorteile erkennen lieſs. In geistvoller, wissenschaftlicher Weise verarbeitete M. L. Gruner 1872 in seinen „Analytischen Studien über den Hochofen“ die Resultate Bells und trug dadurch wesentlich zu einer richtigeren Auffassung

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/514>, abgerufen am 22.11.2024.