Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite

Hochöfen.
36 bis zu 44 Prozent. Ein Zusatz von Rakonitzer Schieferthon hat
sich in Österreich und Ost-Deutschland bewährt. Während man
früher nur Steine von 150 mm Stärke und 600 mm und mehr
Länge nahm, verwendet man jetzt für die Schächte Steine von 100 mm
auf 300 mm, ja man hat ganze Hochöfen mit Steinen von 70 bis 80 mm
Stärke auf 250 mm Länge erbaut.

An Stelle der Schamottesteine hat man zuerst 1887 und dann seit
1890 mehrfach Kohlenstoffziegel, deren Herstellung Burgers ver-
bessert hat, meist nur für Gestell und Bodenstein angewendet, doch
war der Erfolg wenigstens bei der Darstellung von weissem Roheisen
den Hoffnungen nicht immer entsprechend. Graphitziegel waren (nach
Pourcel) schon Anfang der achtziger Jahre in Frankreich zuweilen
verwendet worden. Magnesiaziegel haben sich als sehr feuerbeständige
Herdsteine bewährt 1). Von der Massezustellung ist man fast ganz
abgekommen.

Eine eigentümliche Veränderung erleiden zuweilen die künstlichen
Hochofensteine durch die Einwirkung und Zersetzung der Gase, indem
sie von ausgeschiedenem Kohlenstoff durchdrungen und verdrängt
werden; es tritt eine förmliche Metamorphose ein, die für die
Stabilität des Ofenschachtes unter Umständen bedenklich werden
kann. Pattinson beobachtete eine sehr ausgedehnte Umwandlung
dieser Art an einem Hochofen von Bees Iron Works bei Middles-
borough, der im September 1870 angeblasen und im Oktober 1875 aus-
geblasen worden war. Nach den Untersuchungen von Lowthian Bell
wird diese Zerlegung durch Oxyde des Eisens in den Schachtsteinen
veranlasst und eingeleitet. Es ist deshalb sehr wichtig, dass die
Hochofensteine eisenfrei sind 2).

Die Abführung der Hochofengase und die geschlossene Gicht
kamen allgemein auch in England und Amerika zur Einführung.

Bei den freistehenden Schächten konnte der Gasfang nicht mehr auf
dem Mauerwerk aufruhen, sondern wurde mit dem eisernen Gerüste,
welches das Gichtplateau trägt, verbunden. Da aber der Schacht
durch die Hitze ausgedehnt wird oder wächst, während die Gasglocke
feststeht, so wurde es notwendig, einen Verschluss herzustellen. Dies
geschah in einfacher Weise durch die von C. Steffen und Lürmann
um 1887 unabhängig voneinander erfundene Hochofenstopfbüchse,
wie solche an dem Ofen von Donawitz und in ähnlicher Form an

1) Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 984.
2) Comptes rendus, Septbr. 1877.

Hochöfen.
36 bis zu 44 Prozent. Ein Zusatz von Rakonitzer Schieferthon hat
sich in Österreich und Ost-Deutschland bewährt. Während man
früher nur Steine von 150 mm Stärke und 600 mm und mehr
Länge nahm, verwendet man jetzt für die Schächte Steine von 100 mm
auf 300 mm, ja man hat ganze Hochöfen mit Steinen von 70 bis 80 mm
Stärke auf 250 mm Länge erbaut.

An Stelle der Schamottesteine hat man zuerst 1887 und dann seit
1890 mehrfach Kohlenstoffziegel, deren Herstellung Burgers ver-
bessert hat, meist nur für Gestell und Bodenstein angewendet, doch
war der Erfolg wenigstens bei der Darstellung von weiſsem Roheisen
den Hoffnungen nicht immer entsprechend. Graphitziegel waren (nach
Pourcel) schon Anfang der achtziger Jahre in Frankreich zuweilen
verwendet worden. Magnesiaziegel haben sich als sehr feuerbeständige
Herdsteine bewährt 1). Von der Massezustellung ist man fast ganz
abgekommen.

Eine eigentümliche Veränderung erleiden zuweilen die künstlichen
Hochofensteine durch die Einwirkung und Zersetzung der Gase, indem
sie von ausgeschiedenem Kohlenstoff durchdrungen und verdrängt
werden; es tritt eine förmliche Metamorphose ein, die für die
Stabilität des Ofenschachtes unter Umständen bedenklich werden
kann. Pattinson beobachtete eine sehr ausgedehnte Umwandlung
dieser Art an einem Hochofen von Bees Iron Works bei Middles-
borough, der im September 1870 angeblasen und im Oktober 1875 aus-
geblasen worden war. Nach den Untersuchungen von Lowthian Bell
wird diese Zerlegung durch Oxyde des Eisens in den Schachtsteinen
veranlaſst und eingeleitet. Es ist deshalb sehr wichtig, daſs die
Hochofensteine eisenfrei sind 2).

Die Abführung der Hochofengase und die geschlossene Gicht
kamen allgemein auch in England und Amerika zur Einführung.

Bei den freistehenden Schächten konnte der Gasfang nicht mehr auf
dem Mauerwerk aufruhen, sondern wurde mit dem eisernen Gerüste,
welches das Gichtplateau trägt, verbunden. Da aber der Schacht
durch die Hitze ausgedehnt wird oder wächst, während die Gasglocke
feststeht, so wurde es notwendig, einen Verschluſs herzustellen. Dies
geschah in einfacher Weise durch die von C. Steffen und Lürmann
um 1887 unabhängig voneinander erfundene Hochofenstopfbüchse,
wie solche an dem Ofen von Donawitz und in ähnlicher Form an

1) Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 984.
2) Comptes rendus, Septbr. 1877.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0488" n="472"/><fw place="top" type="header">Hochöfen.</fw><lb/>
36 bis zu 44 Prozent. Ein Zusatz von Rakonitzer Schieferthon hat<lb/>
sich in Österreich und Ost-Deutschland bewährt. Während man<lb/>
früher nur Steine von 150 mm Stärke und 600 mm und mehr<lb/>
Länge nahm, verwendet man jetzt für die Schächte Steine von 100 mm<lb/>
auf 300 mm, ja man hat ganze Hochöfen mit Steinen von 70 bis 80 mm<lb/>
Stärke auf 250 mm Länge erbaut.</p><lb/>
          <p>An Stelle der Schamottesteine hat man zuerst 1887 und dann seit<lb/>
1890 mehrfach Kohlenstoffziegel, deren Herstellung <hi rendition="#g">Burgers</hi> ver-<lb/>
bessert hat, meist nur für Gestell und Bodenstein angewendet, doch<lb/>
war der Erfolg wenigstens bei der Darstellung von wei&#x017F;sem Roheisen<lb/>
den Hoffnungen nicht immer entsprechend. Graphitziegel waren (nach<lb/><hi rendition="#g">Pourcel</hi>) schon Anfang der achtziger Jahre in Frankreich zuweilen<lb/>
verwendet worden. Magnesiaziegel haben sich als sehr feuerbeständige<lb/>
Herdsteine bewährt <note place="foot" n="1)">Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 984.</note>. Von der Massezustellung ist man fast ganz<lb/>
abgekommen.</p><lb/>
          <p>Eine eigentümliche Veränderung erleiden zuweilen die künstlichen<lb/>
Hochofensteine durch die Einwirkung und Zersetzung der Gase, indem<lb/>
sie von ausgeschiedenem Kohlenstoff durchdrungen und verdrängt<lb/>
werden; es tritt eine förmliche Metamorphose ein, die für die<lb/>
Stabilität des Ofenschachtes unter Umständen bedenklich werden<lb/>
kann. <hi rendition="#g">Pattinson</hi> beobachtete eine sehr ausgedehnte Umwandlung<lb/>
dieser Art an einem Hochofen von Bees Iron Works bei Middles-<lb/>
borough, der im September 1870 angeblasen und im Oktober 1875 aus-<lb/>
geblasen worden war. Nach den Untersuchungen von <hi rendition="#g">Lowthian Bell</hi><lb/>
wird diese Zerlegung durch Oxyde des Eisens in den Schachtsteinen<lb/>
veranla&#x017F;st und eingeleitet. Es ist deshalb sehr wichtig, da&#x017F;s die<lb/>
Hochofensteine eisenfrei sind <note place="foot" n="2)">Comptes rendus, Septbr. 1877.</note>.</p><lb/>
          <p>Die Abführung der Hochofengase und die geschlossene Gicht<lb/>
kamen allgemein auch in England und Amerika zur Einführung.</p><lb/>
          <p>Bei den freistehenden Schächten konnte der Gasfang nicht mehr auf<lb/>
dem Mauerwerk aufruhen, sondern wurde mit dem eisernen Gerüste,<lb/>
welches das Gichtplateau trägt, verbunden. Da aber der Schacht<lb/>
durch die Hitze ausgedehnt wird oder wächst, während die Gasglocke<lb/>
feststeht, so wurde es notwendig, einen Verschlu&#x017F;s herzustellen. Dies<lb/>
geschah in einfacher Weise durch die von C. <hi rendition="#g">Steffen</hi> und <hi rendition="#g">Lürmann</hi><lb/>
um 1887 unabhängig voneinander erfundene Hochofenstopfbüchse,<lb/>
wie solche an dem Ofen von Donawitz und in ähnlicher Form an<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[472/0488] Hochöfen. 36 bis zu 44 Prozent. Ein Zusatz von Rakonitzer Schieferthon hat sich in Österreich und Ost-Deutschland bewährt. Während man früher nur Steine von 150 mm Stärke und 600 mm und mehr Länge nahm, verwendet man jetzt für die Schächte Steine von 100 mm auf 300 mm, ja man hat ganze Hochöfen mit Steinen von 70 bis 80 mm Stärke auf 250 mm Länge erbaut. An Stelle der Schamottesteine hat man zuerst 1887 und dann seit 1890 mehrfach Kohlenstoffziegel, deren Herstellung Burgers ver- bessert hat, meist nur für Gestell und Bodenstein angewendet, doch war der Erfolg wenigstens bei der Darstellung von weiſsem Roheisen den Hoffnungen nicht immer entsprechend. Graphitziegel waren (nach Pourcel) schon Anfang der achtziger Jahre in Frankreich zuweilen verwendet worden. Magnesiaziegel haben sich als sehr feuerbeständige Herdsteine bewährt 1). Von der Massezustellung ist man fast ganz abgekommen. Eine eigentümliche Veränderung erleiden zuweilen die künstlichen Hochofensteine durch die Einwirkung und Zersetzung der Gase, indem sie von ausgeschiedenem Kohlenstoff durchdrungen und verdrängt werden; es tritt eine förmliche Metamorphose ein, die für die Stabilität des Ofenschachtes unter Umständen bedenklich werden kann. Pattinson beobachtete eine sehr ausgedehnte Umwandlung dieser Art an einem Hochofen von Bees Iron Works bei Middles- borough, der im September 1870 angeblasen und im Oktober 1875 aus- geblasen worden war. Nach den Untersuchungen von Lowthian Bell wird diese Zerlegung durch Oxyde des Eisens in den Schachtsteinen veranlaſst und eingeleitet. Es ist deshalb sehr wichtig, daſs die Hochofensteine eisenfrei sind 2). Die Abführung der Hochofengase und die geschlossene Gicht kamen allgemein auch in England und Amerika zur Einführung. Bei den freistehenden Schächten konnte der Gasfang nicht mehr auf dem Mauerwerk aufruhen, sondern wurde mit dem eisernen Gerüste, welches das Gichtplateau trägt, verbunden. Da aber der Schacht durch die Hitze ausgedehnt wird oder wächst, während die Gasglocke feststeht, so wurde es notwendig, einen Verschluſs herzustellen. Dies geschah in einfacher Weise durch die von C. Steffen und Lürmann um 1887 unabhängig voneinander erfundene Hochofenstopfbüchse, wie solche an dem Ofen von Donawitz und in ähnlicher Form an 1) Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 984. 2) Comptes rendus, Septbr. 1877.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/488
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/488>, abgerufen am 22.05.2024.