Anschluss an die Gewerbeakademie errichtet wurden. Dieselben wurden 1880 eröffnet. Später ging die mechanisch-technische Prüfungs- anstalt an die technische Hochschule in Charlottenburg über und wurde unter A. Martens Leitung sehr erweitert. In Paris bestand eine solche Material-Prüfungsstation in Verbindung mit der Ecole des Ponts et Chaussees schon seit 1843. Weitere Prüfungsstationen wurden errichtet in München 1871 unter Bauschinger und eine Anstalt zur Prüfung der Baumaterialien am eidgenössischen Polytechnikum zu Zürich unter L. Tetmayer 1874, ferner in Prag 1877, in London 1878, in Budapest 1882, in Boston, U. S., 1883 u. s. w. 1).
Eine wichtige Anregung hatte ferner 1878 eine Denkschrift von Bauschinger, Funk und Hartwig für den Verband deutscher Archi- tekten- und Ingenieurvereine über die Errichtung von Prüfungsanstalten und Versuchsstationen für Baumaterialien gegeben.
Wöhler hatte bei seinen Zerreissversuchen die Bruchfestigkeit und die dabei stattfindende Kontraktion in Prozenten des ursprüng- lichen Querschnittes gemessen. Er schlug vor, aus der Summe dieser beiden Ermittelungen eine Güteziffer für das untersuchte Eisen zu bilden. Diesen Vorschlag nahm der Verband deutscher Eisenbahn- verwaltungen in seiner Versammlung in Konstanz 1876 an und machte dadurch die Zerreissfestigkeit zum ausschliesslichen Massstab der Güte. Hierin lag eine grosse Einseitigkeit, wogegen sich bald Widerspruch erhob. Übrigens war die Ansicht, dass die Zerreissfestigkeit ein aus- reichendes Mass der Güte sei, damals allgemein verbreitet, wie aus den Versuchen von F. B. Steevens über die Festigkeit englischer und amerikanischer Stahlsorten in den Jahren 1872 und 1873 und den Versuchen der Gesellschaft John Cockerill zu Seraing 1875 hervorgeht. Letztere hatte auf Grund dieser Versuche folgende Ein- teilung für Eisen und Stahl getroffen:
1. Körniges und sehniges Eisen. Verwendung: körniges Eisen zu Eisenbahnschienen, sehniges zu Handelseisen, Blech, Waffen und dergleichen. Kohlenstoffgehalt unter 0,10 Prozent. Zug- festigkeit 30 bis 40 kg pro Quadratmillimeter, für körniges Eisen 40 kg, für reine Sehne 37,5 bis 40 kg.
2. Feinkorneisen. Verwendung zu Schienen, Bandagen, Blech, Geschützrohren, Draht, Kabel, Achsen, Schmiedestücken. Kohlen- stoffgehalt 0,10 bis 0,50 Prozent, Festigkeit 40 bis 45 kg pro Quadratmillimeter; schweissbar, wenig härtbar.
1) Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 821.
Physik des Eisens seit 1871.
Anschluſs an die Gewerbeakademie errichtet wurden. Dieselben wurden 1880 eröffnet. Später ging die mechanisch-technische Prüfungs- anstalt an die technische Hochschule in Charlottenburg über und wurde unter A. Martens Leitung sehr erweitert. In Paris bestand eine solche Material-Prüfungsstation in Verbindung mit der École des Ponts et Chaussées schon seit 1843. Weitere Prüfungsstationen wurden errichtet in München 1871 unter Bauschinger und eine Anstalt zur Prüfung der Baumaterialien am eidgenössischen Polytechnikum zu Zürich unter L. Tetmayer 1874, ferner in Prag 1877, in London 1878, in Budapest 1882, in Boston, U. S., 1883 u. s. w. 1).
Eine wichtige Anregung hatte ferner 1878 eine Denkschrift von Bauschinger, Funk und Hartwig für den Verband deutscher Archi- tekten- und Ingenieurvereine über die Errichtung von Prüfungsanstalten und Versuchsstationen für Baumaterialien gegeben.
Wöhler hatte bei seinen Zerreiſsversuchen die Bruchfestigkeit und die dabei stattfindende Kontraktion in Prozenten des ursprüng- lichen Querschnittes gemessen. Er schlug vor, aus der Summe dieser beiden Ermittelungen eine Güteziffer für das untersuchte Eisen zu bilden. Diesen Vorschlag nahm der Verband deutscher Eisenbahn- verwaltungen in seiner Versammlung in Konstanz 1876 an und machte dadurch die Zerreiſsfestigkeit zum ausschlieſslichen Maſsstab der Güte. Hierin lag eine groſse Einseitigkeit, wogegen sich bald Widerspruch erhob. Übrigens war die Ansicht, daſs die Zerreiſsfestigkeit ein aus- reichendes Maſs der Güte sei, damals allgemein verbreitet, wie aus den Versuchen von F. B. Steevens über die Festigkeit englischer und amerikanischer Stahlsorten in den Jahren 1872 und 1873 und den Versuchen der Gesellschaft John Cockerill zu Seraing 1875 hervorgeht. Letztere hatte auf Grund dieser Versuche folgende Ein- teilung für Eisen und Stahl getroffen:
1. Körniges und sehniges Eisen. Verwendung: körniges Eisen zu Eisenbahnschienen, sehniges zu Handelseisen, Blech, Waffen und dergleichen. Kohlenstoffgehalt unter 0,10 Prozent. Zug- festigkeit 30 bis 40 kg pro Quadratmillimeter, für körniges Eisen 40 kg, für reine Sehne 37,5 bis 40 kg.
2. Feinkorneisen. Verwendung zu Schienen, Bandagen, Blech, Geschützrohren, Draht, Kabel, Achsen, Schmiedestücken. Kohlen- stoffgehalt 0,10 bis 0,50 Prozent, Festigkeit 40 bis 45 kg pro Quadratmillimeter; schweiſsbar, wenig härtbar.
1) Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 821.
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Physik des Eisens seit 1871.
Anschluſs an die Gewerbeakademie errichtet wurden. Dieselben
wurden 1880 eröffnet. Später ging die mechanisch-technische Prüfungs-
anstalt an die technische Hochschule in Charlottenburg über und
wurde unter A. Martens Leitung sehr erweitert. In Paris bestand
eine solche Material-Prüfungsstation in Verbindung mit der École des
Ponts et Chaussées schon seit 1843. Weitere Prüfungsstationen wurden
errichtet in München 1871 unter Bauschinger und eine Anstalt zur
Prüfung der Baumaterialien am eidgenössischen Polytechnikum zu
Zürich unter L. Tetmayer 1874, ferner in Prag 1877, in London
1878, in Budapest 1882, in Boston, U. S., 1883 u. s. w. 1).
Eine wichtige Anregung hatte ferner 1878 eine Denkschrift von
Bauschinger, Funk und Hartwig für den Verband deutscher Archi-
tekten- und Ingenieurvereine über die Errichtung von Prüfungsanstalten
und Versuchsstationen für Baumaterialien gegeben.
Wöhler hatte bei seinen Zerreiſsversuchen die Bruchfestigkeit
und die dabei stattfindende Kontraktion in Prozenten des ursprüng-
lichen Querschnittes gemessen. Er schlug vor, aus der Summe dieser
beiden Ermittelungen eine Güteziffer für das untersuchte Eisen zu
bilden. Diesen Vorschlag nahm der Verband deutscher Eisenbahn-
verwaltungen in seiner Versammlung in Konstanz 1876 an und machte
dadurch die Zerreiſsfestigkeit zum ausschlieſslichen Maſsstab der Güte.
Hierin lag eine groſse Einseitigkeit, wogegen sich bald Widerspruch
erhob. Übrigens war die Ansicht, daſs die Zerreiſsfestigkeit ein aus-
reichendes Maſs der Güte sei, damals allgemein verbreitet, wie aus
den Versuchen von F. B. Steevens über die Festigkeit englischer
und amerikanischer Stahlsorten in den Jahren 1872 und 1873 und
den Versuchen der Gesellschaft John Cockerill zu Seraing 1875
hervorgeht. Letztere hatte auf Grund dieser Versuche folgende Ein-
teilung für Eisen und Stahl getroffen:
1. Körniges und sehniges Eisen. Verwendung: körniges Eisen
zu Eisenbahnschienen, sehniges zu Handelseisen, Blech, Waffen
und dergleichen. Kohlenstoffgehalt unter 0,10 Prozent. Zug-
festigkeit 30 bis 40 kg pro Quadratmillimeter, für körniges
Eisen 40 kg, für reine Sehne 37,5 bis 40 kg.
2. Feinkorneisen. Verwendung zu Schienen, Bandagen, Blech,
Geschützrohren, Draht, Kabel, Achsen, Schmiedestücken. Kohlen-
stoffgehalt 0,10 bis 0,50 Prozent, Festigkeit 40 bis 45 kg pro
Quadratmillimeter; schweiſsbar, wenig härtbar.
1) Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 821.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/407>, abgerufen am 22.11.2024.
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