Bei Versuchen im grossen mit einer ganzen Bessemercharge ergab sich, dass der Phosphorgehalt des Roheisens von 1,47 Prozent beim Bessemern auf 1,69 Prozent gestiegen war, beim Feinen war er auf 0,84 Prozent und beim Feinen und Puddeln auf 0,27 Prozent gefallen.
Bell schreibt der Erzeugungstemperatur einen so grossen Ein- fluss zu, dass er 1872 einmal die Ansicht aussprach, die Unterschiede der Roheisensorten seien mehr aus der Erzeugungstemperatur, als aus dem Kohlenstoffgehalt herzuleiten. Letzterer ist hauptsächlich von der Erzeugungstemperatur bedingt und A. Schmidt stellte (1889) den Satz auf, jeder Erzeugungstemperatur entspreche ein mit dieser wachsender Sättigungspunkt.
Die Härtung des heissen Stahles durch Abkühlung, diese merk- würdige, dem Stahl eigentümliche und für ihn charakteristische Er- scheinung, die für dessen Verwendung von so grosser Wichtigkeit ist, war, wie im höchsten Altertum, so bis in die neuere Zeit, ein nur auf Erfahrung begründetes Verfahren. Durch die Fortschritte in der Chemie des Eisens, durch die richtigere Erkenntnis der Kohlenstoff- verbindungen des Eisens und ihres Verhaltens bei verschiedenen Temperaturen, durch die Thermo- und Mikrochemie ist man dem theoretischen Verständnis näher gekommen. Hierzu haben besonders die Arbeiten von F. Abel, F. Osmond, A. Ledebur, F. C. G. Müller, Howe und Arnold beigetragen. Die Umwandlungen von Karbidkohle in Härtungskohle bei höherer Temperatur und rascher Abkühlung spielt dabei die Hauptrolle. Georges Charpy1) stellte 1895 Unter- suchungen über die Stahlhärtung an und kam zu folgendem Ergebnis:
Bei Erhitzung über 700° C., oder bei langsamer Abkühlung des über 800° C. erhitzten Stahls finden dreierlei Umformungen statt, die durch die rasche Abkühlung oder Härtung gestört werden. Diese Umwandlungen sind 1. die Umwandlung der Karbidkohle in Härtungs- kohle, oder umgekehrt, 2. eine Umwandlung der krystallinischen Be-
1) Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 459 und 745.
Physik des Eisens seit 1871.
[Tabelle]
Bei Versuchen im groſsen mit einer ganzen Bessemercharge ergab sich, daſs der Phosphorgehalt des Roheisens von 1,47 Prozent beim Bessemern auf 1,69 Prozent gestiegen war, beim Feinen war er auf 0,84 Prozent und beim Feinen und Puddeln auf 0,27 Prozent gefallen.
Bell schreibt der Erzeugungstemperatur einen so groſsen Ein- fluſs zu, daſs er 1872 einmal die Ansicht aussprach, die Unterschiede der Roheisensorten seien mehr aus der Erzeugungstemperatur, als aus dem Kohlenstoffgehalt herzuleiten. Letzterer ist hauptsächlich von der Erzeugungstemperatur bedingt und A. Schmidt stellte (1889) den Satz auf, jeder Erzeugungstemperatur entspreche ein mit dieser wachsender Sättigungspunkt.
Die Härtung des heiſsen Stahles durch Abkühlung, diese merk- würdige, dem Stahl eigentümliche und für ihn charakteristische Er- scheinung, die für dessen Verwendung von so groſser Wichtigkeit ist, war, wie im höchsten Altertum, so bis in die neuere Zeit, ein nur auf Erfahrung begründetes Verfahren. Durch die Fortschritte in der Chemie des Eisens, durch die richtigere Erkenntnis der Kohlenstoff- verbindungen des Eisens und ihres Verhaltens bei verschiedenen Temperaturen, durch die Thermo- und Mikrochemie ist man dem theoretischen Verständnis näher gekommen. Hierzu haben besonders die Arbeiten von F. Abel, F. Osmond, A. Ledebur, F. C. G. Müller, Howe und Arnold beigetragen. Die Umwandlungen von Karbidkohle in Härtungskohle bei höherer Temperatur und rascher Abkühlung spielt dabei die Hauptrolle. Georges Charpy1) stellte 1895 Unter- suchungen über die Stahlhärtung an und kam zu folgendem Ergebnis:
Bei Erhitzung über 700° C., oder bei langsamer Abkühlung des über 800° C. erhitzten Stahls finden dreierlei Umformungen statt, die durch die rasche Abkühlung oder Härtung gestört werden. Diese Umwandlungen sind 1. die Umwandlung der Karbidkohle in Härtungs- kohle, oder umgekehrt, 2. eine Umwandlung der krystallinischen Be-
1) Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 459 und 745.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0391"n="375"/><fwplace="top"type="header">Physik des Eisens seit 1871.</fw><lb/><table><row><cell/></row></table><p>Bei Versuchen im groſsen mit einer ganzen Bessemercharge<lb/>
ergab sich, daſs der Phosphorgehalt des Roheisens von 1,47 Prozent<lb/>
beim Bessemern auf 1,69 Prozent gestiegen war, beim Feinen war er<lb/>
auf 0,84 Prozent und beim Feinen und Puddeln auf 0,27 Prozent<lb/>
gefallen.</p><lb/><p><hirendition="#g">Bell</hi> schreibt der Erzeugungstemperatur einen so groſsen Ein-<lb/>
fluſs zu, daſs er 1872 einmal die Ansicht aussprach, die Unterschiede<lb/>
der Roheisensorten seien mehr aus der Erzeugungstemperatur, als aus<lb/>
dem Kohlenstoffgehalt herzuleiten. Letzterer ist hauptsächlich von<lb/>
der Erzeugungstemperatur bedingt und A. <hirendition="#g">Schmidt</hi> stellte (1889) den<lb/>
Satz auf, jeder Erzeugungstemperatur entspreche ein mit dieser<lb/>
wachsender Sättigungspunkt.</p><lb/><p>Die Härtung des heiſsen Stahles durch Abkühlung, diese merk-<lb/>
würdige, dem Stahl eigentümliche und für ihn charakteristische Er-<lb/>
scheinung, die für dessen Verwendung von so groſser Wichtigkeit ist,<lb/>
war, wie im höchsten Altertum, so bis in die neuere Zeit, ein nur<lb/>
auf Erfahrung begründetes Verfahren. Durch die Fortschritte in der<lb/>
Chemie des Eisens, durch die richtigere Erkenntnis der Kohlenstoff-<lb/>
verbindungen des Eisens und ihres Verhaltens bei verschiedenen<lb/>
Temperaturen, durch die Thermo- und Mikrochemie ist man dem<lb/>
theoretischen Verständnis näher gekommen. Hierzu haben besonders<lb/>
die Arbeiten von F. <hirendition="#g">Abel, F. Osmond, A. Ledebur, F. C. G. Müller,<lb/>
Howe</hi> und <hirendition="#g">Arnold</hi> beigetragen. Die Umwandlungen von Karbidkohle<lb/>
in Härtungskohle bei höherer Temperatur und rascher Abkühlung<lb/>
spielt dabei die Hauptrolle. <hirendition="#g">Georges Charpy</hi><noteplace="foot"n="1)">Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 459 und 745.</note> stellte 1895 Unter-<lb/>
suchungen über die Stahlhärtung an und kam zu folgendem Ergebnis:</p><lb/><p>Bei Erhitzung über 700° C., oder bei langsamer Abkühlung des<lb/>
über 800° C. erhitzten Stahls finden dreierlei Umformungen statt, die<lb/>
durch die rasche Abkühlung oder Härtung gestört werden. Diese<lb/>
Umwandlungen sind 1. die Umwandlung der Karbidkohle in Härtungs-<lb/>
kohle, oder umgekehrt, 2. eine Umwandlung der krystallinischen Be-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[375/0391]
Physik des Eisens seit 1871.
Bei Versuchen im groſsen mit einer ganzen Bessemercharge
ergab sich, daſs der Phosphorgehalt des Roheisens von 1,47 Prozent
beim Bessemern auf 1,69 Prozent gestiegen war, beim Feinen war er
auf 0,84 Prozent und beim Feinen und Puddeln auf 0,27 Prozent
gefallen.
Bell schreibt der Erzeugungstemperatur einen so groſsen Ein-
fluſs zu, daſs er 1872 einmal die Ansicht aussprach, die Unterschiede
der Roheisensorten seien mehr aus der Erzeugungstemperatur, als aus
dem Kohlenstoffgehalt herzuleiten. Letzterer ist hauptsächlich von
der Erzeugungstemperatur bedingt und A. Schmidt stellte (1889) den
Satz auf, jeder Erzeugungstemperatur entspreche ein mit dieser
wachsender Sättigungspunkt.
Die Härtung des heiſsen Stahles durch Abkühlung, diese merk-
würdige, dem Stahl eigentümliche und für ihn charakteristische Er-
scheinung, die für dessen Verwendung von so groſser Wichtigkeit ist,
war, wie im höchsten Altertum, so bis in die neuere Zeit, ein nur
auf Erfahrung begründetes Verfahren. Durch die Fortschritte in der
Chemie des Eisens, durch die richtigere Erkenntnis der Kohlenstoff-
verbindungen des Eisens und ihres Verhaltens bei verschiedenen
Temperaturen, durch die Thermo- und Mikrochemie ist man dem
theoretischen Verständnis näher gekommen. Hierzu haben besonders
die Arbeiten von F. Abel, F. Osmond, A. Ledebur, F. C. G. Müller,
Howe und Arnold beigetragen. Die Umwandlungen von Karbidkohle
in Härtungskohle bei höherer Temperatur und rascher Abkühlung
spielt dabei die Hauptrolle. Georges Charpy 1) stellte 1895 Unter-
suchungen über die Stahlhärtung an und kam zu folgendem Ergebnis:
Bei Erhitzung über 700° C., oder bei langsamer Abkühlung des
über 800° C. erhitzten Stahls finden dreierlei Umformungen statt, die
durch die rasche Abkühlung oder Härtung gestört werden. Diese
Umwandlungen sind 1. die Umwandlung der Karbidkohle in Härtungs-
kohle, oder umgekehrt, 2. eine Umwandlung der krystallinischen Be-
1) Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 459 und 745.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/391>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.