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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
verhindert würde, wenn man das flüssige Metall unter Druck erstarren
liess. Die Herstellung der Güsse unter hohem Druck erhielt deshalb
auch für die Stahl- und Flusseisenfabrikation grosse Wichtigkeit und
wurden in den sechziger Jahren verschiedene Methoden dafür an-
gegeben.

Der Franzose Galy-Cazalat, der 1858 das Durchleiten von
überhitztem Wasserdampf als Reinigungsmittel für Gusseisen und
Flussstahl vorgeschlagen hatte, empfahl 1865 (engl. Pat. vom 21. Dez.,
Nr. 3300) blasenfreie Stahlgüsse dadurch herzustellen, dass er starke,
dichte Formen, welche mit einem Deckel hermetisch verschlossen
werden konnten, anwendete und in diesen nach dem Guss durch ein
Rohr mit Sicherheitsventil ein Gemisch von Salpeter und Kohle, also
eine Art Schiesspulver eintrug, welches sofort verbrannte und durch
die Gasentwickelung einen sehr hohen Druck ausübte. Joseph
Whitworth
wendete dagegen ein praktischeres Verfahren an (Pat.
vom 24. Novbr. 1864, Nr. 3018), indem er einen Plungerkolben mit
der geschlossenen Form verband, welcher durch hydraulischen Druck
bewegt wurde und einen sehr starken Druck auf das flüssige Eisen
ausübte; derselbe betrug 40000 Pfund auf den Quadratzoll. Dieses
Verfahren war hauptsächlich für den Geschützguss erfunden, liess
sich aber ebensogut für sonstige Gussblöcke anwenden. In Frank-
reich waren es Revollier, Bietrix & Co., Stahlfabrikanten in
St. Etienne, welche das Giessen von Stahl unter Druck zuerst an-
wendeten und darauf eine Fabrikation gründeten. Sie kombinierten
1867 den neuerfundenen Martinprozess mit ihrem Druckverfahren,
indem sie den flüssigen Stahl in geeigneten Formen unter die hydrau-
lische Presse brachten. Ihre Einrichtungen waren aber mangelhaft,
weswegen sie nicht den erwarteten Erfolg erzielten.

Die mechanische Bearbeitung der festen Blöcke konnte aber auch
viel dazu beitragen, die Nachteile der Blasenbildung zu verringern,
indem wenigstens die Blasen mit blanker Oberfläche durch Behand-
lung unter schweren Hämmern durch Zusammenschweissen der Wände
verschwanden. Dies konnte auch unter starken Walzen geschehen,
wenn man dieselben langsam umlaufen liess. Man gab deshalb den
Vorwalzen für Stahlblöcke nicht mehr wie 25 Umdrehungen in der
Minute und liess die Blöcke von 2 Fuss Länge, um sie auf 31/2 Fuss
zu strecken, durch fünf Kaliber gehen 1).


1) Vergl. Ulrich, Aust und Jänisch, Bericht über eine 1867 ausgeführte
Instruktionsreise in England, Preuss. Zeitschr. 1860, S. 105.

Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
verhindert würde, wenn man das flüssige Metall unter Druck erstarren
lieſs. Die Herstellung der Güsse unter hohem Druck erhielt deshalb
auch für die Stahl- und Fluſseisenfabrikation groſse Wichtigkeit und
wurden in den sechziger Jahren verschiedene Methoden dafür an-
gegeben.

Der Franzose Galy-Cazalat, der 1858 das Durchleiten von
überhitztem Wasserdampf als Reinigungsmittel für Guſseisen und
Fluſsstahl vorgeschlagen hatte, empfahl 1865 (engl. Pat. vom 21. Dez.,
Nr. 3300) blasenfreie Stahlgüsse dadurch herzustellen, daſs er starke,
dichte Formen, welche mit einem Deckel hermetisch verschlossen
werden konnten, anwendete und in diesen nach dem Guſs durch ein
Rohr mit Sicherheitsventil ein Gemisch von Salpeter und Kohle, also
eine Art Schieſspulver eintrug, welches sofort verbrannte und durch
die Gasentwickelung einen sehr hohen Druck ausübte. Joseph
Whitworth
wendete dagegen ein praktischeres Verfahren an (Pat.
vom 24. Novbr. 1864, Nr. 3018), indem er einen Plungerkolben mit
der geschlossenen Form verband, welcher durch hydraulischen Druck
bewegt wurde und einen sehr starken Druck auf das flüssige Eisen
ausübte; derselbe betrug 40000 Pfund auf den Quadratzoll. Dieses
Verfahren war hauptsächlich für den Geschützguſs erfunden, lieſs
sich aber ebensogut für sonstige Guſsblöcke anwenden. In Frank-
reich waren es Révollier, Biétrix & Co., Stahlfabrikanten in
St. Etienne, welche das Gieſsen von Stahl unter Druck zuerst an-
wendeten und darauf eine Fabrikation gründeten. Sie kombinierten
1867 den neuerfundenen Martinprozeſs mit ihrem Druckverfahren,
indem sie den flüssigen Stahl in geeigneten Formen unter die hydrau-
lische Presse brachten. Ihre Einrichtungen waren aber mangelhaft,
weswegen sie nicht den erwarteten Erfolg erzielten.

Die mechanische Bearbeitung der festen Blöcke konnte aber auch
viel dazu beitragen, die Nachteile der Blasenbildung zu verringern,
indem wenigstens die Blasen mit blanker Oberfläche durch Behand-
lung unter schweren Hämmern durch Zusammenschweiſsen der Wände
verschwanden. Dies konnte auch unter starken Walzen geschehen,
wenn man dieselben langsam umlaufen lieſs. Man gab deshalb den
Vorwalzen für Stahlblöcke nicht mehr wie 25 Umdrehungen in der
Minute und lieſs die Blöcke von 2 Fuſs Länge, um sie auf 3½ Fuſs
zu strecken, durch fünf Kaliber gehen 1).


1) Vergl. Ulrich, Aust und Jänisch, Bericht über eine 1867 ausgeführte
Instruktionsreise in England, Preuſs. Zeitschr. 1860, S. 105.
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[217/0233] Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. verhindert würde, wenn man das flüssige Metall unter Druck erstarren lieſs. Die Herstellung der Güsse unter hohem Druck erhielt deshalb auch für die Stahl- und Fluſseisenfabrikation groſse Wichtigkeit und wurden in den sechziger Jahren verschiedene Methoden dafür an- gegeben. Der Franzose Galy-Cazalat, der 1858 das Durchleiten von überhitztem Wasserdampf als Reinigungsmittel für Guſseisen und Fluſsstahl vorgeschlagen hatte, empfahl 1865 (engl. Pat. vom 21. Dez., Nr. 3300) blasenfreie Stahlgüsse dadurch herzustellen, daſs er starke, dichte Formen, welche mit einem Deckel hermetisch verschlossen werden konnten, anwendete und in diesen nach dem Guſs durch ein Rohr mit Sicherheitsventil ein Gemisch von Salpeter und Kohle, also eine Art Schieſspulver eintrug, welches sofort verbrannte und durch die Gasentwickelung einen sehr hohen Druck ausübte. Joseph Whitworth wendete dagegen ein praktischeres Verfahren an (Pat. vom 24. Novbr. 1864, Nr. 3018), indem er einen Plungerkolben mit der geschlossenen Form verband, welcher durch hydraulischen Druck bewegt wurde und einen sehr starken Druck auf das flüssige Eisen ausübte; derselbe betrug 40000 Pfund auf den Quadratzoll. Dieses Verfahren war hauptsächlich für den Geschützguſs erfunden, lieſs sich aber ebensogut für sonstige Guſsblöcke anwenden. In Frank- reich waren es Révollier, Biétrix & Co., Stahlfabrikanten in St. Etienne, welche das Gieſsen von Stahl unter Druck zuerst an- wendeten und darauf eine Fabrikation gründeten. Sie kombinierten 1867 den neuerfundenen Martinprozeſs mit ihrem Druckverfahren, indem sie den flüssigen Stahl in geeigneten Formen unter die hydrau- lische Presse brachten. Ihre Einrichtungen waren aber mangelhaft, weswegen sie nicht den erwarteten Erfolg erzielten. Die mechanische Bearbeitung der festen Blöcke konnte aber auch viel dazu beitragen, die Nachteile der Blasenbildung zu verringern, indem wenigstens die Blasen mit blanker Oberfläche durch Behand- lung unter schweren Hämmern durch Zusammenschweiſsen der Wände verschwanden. Dies konnte auch unter starken Walzen geschehen, wenn man dieselben langsam umlaufen lieſs. Man gab deshalb den Vorwalzen für Stahlblöcke nicht mehr wie 25 Umdrehungen in der Minute und lieſs die Blöcke von 2 Fuſs Länge, um sie auf 3½ Fuſs zu strecken, durch fünf Kaliber gehen 1). 1) Vergl. Ulrich, Aust und Jänisch, Bericht über eine 1867 ausgeführte Instruktionsreise in England, Preuſs. Zeitschr. 1860, S. 105.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/233>, abgerufen am 29.03.2024.