Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite

Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
Maschinist denselben mit derselben Leichtigkeit lenkte, voll aufschlagen
und leicht tanzen liess, wie jeden anderen Dampfhammer. Als wenige
Wochen später König Wilhelm I von Preussen mit dem Kronprinzen
und dem Kriegsminister seinen denkwürdigen Besuch in der Krupp-
schen Fabrik machte, schmiedete "Fritz", so hiess der gewaltige
Hammer, einen Stahlblock von 7500 kg Gewicht und 15 Fuss Länge.
Damals sprach der grosse König zu den Behörden und Deputationen
der Stadt Essen die treffenden Worte: Ich bin erstaunt über die
grossartige Erweiterung dieses Etablissements, das neben seiner
gewerblichen Bedeutung einen edlen vaterländischen Zweck hat.

Der russische Ingenieur Chernoff machte in den Jahren 1866
und 1868 auf den Obuchoff-Stahlwerken bei Alexandrowsky eine Reihe
von Versuchen über die Verbesserung des Stahls durch mechanische
Bearbeitung, insbesondere durch das Schmieden. Diese führten ihn
zu folgender Theorie: Flüssiger Stahl ist als eine Lösung anzusehen,
in welcher die Stahlatome in einem Eisenbade schwimmen. Bei der
Abkühlung vereinigen sich die Stahlatome zu Krystallen, die um so
grösser sind, je langsamer und ruhiger die Abkühlung erfolgt. Rasches
Abkühlen stört die Krystallisation, ebenso heftige Bewegung. Durch
fortgesetztes Rühren oder Schütteln des Stahls wird ein feinkörniges,
hartes Produkt erzeugt. Ebenso beruht die Wirkung des Hämmerns
des heissen Stahls, wodurch derselbe feinkörnig, hart, fest und zäh
wird, darauf, dass die Krystallisation durch die mechanische Ein-
wirkung beim Übergang aus der Schweisshitze in Dunkelrothitze mehr
oder weniger unterdrückt wird. Durch starkes Erhitzen und langsames
Abkühlen wird dieser Zustand wieder aufgehoben oder wie man zu
sagen pflegt, der Stahl verdorben. Diese Theorie der Wirkung der
mechanischen Bearbeitung auf den Stahl fand grossen Beifall.

Wir können nur kurz die wichtigsten Erfindungen und Fort-
schritte der Hüttenmaschinen in den sechziger Jahren aufzählen.

1860 wurde Lenoirs Gasmaschine bekannt 1) und um dieselbe
Zeit erregte Ericsons verbesserte kalorische Maschine allgemeines
Interesse. -- 1859 hatte man zuerst bei Mülhausen im Elsass Draht-
seiltransmissionen angewendet. -- Dass zu Anfang der sechziger Jahre
Armstrongs hydraulische Akkumulatoren zu allgemeinerer Anwen-
dung kamen, haben wir bereits erwähnt. Ebenso die vielfache An-
wendung hydraulischen Druckes bei der Bessemerstahlfabrikation.
1863 verbesserte Haswell seinen hydraulischen Presshammer und

1) Siehe Dinglers Journal 157, S. 323.
13*

Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
Maschinist denselben mit derselben Leichtigkeit lenkte, voll aufschlagen
und leicht tanzen lieſs, wie jeden anderen Dampfhammer. Als wenige
Wochen später König Wilhelm I von Preuſsen mit dem Kronprinzen
und dem Kriegsminister seinen denkwürdigen Besuch in der Krupp-
schen Fabrik machte, schmiedete „Fritz“, so hieſs der gewaltige
Hammer, einen Stahlblock von 7500 kg Gewicht und 15 Fuſs Länge.
Damals sprach der groſse König zu den Behörden und Deputationen
der Stadt Essen die treffenden Worte: Ich bin erstaunt über die
groſsartige Erweiterung dieses Etablissements, das neben seiner
gewerblichen Bedeutung einen edlen vaterländischen Zweck hat.

Der russische Ingenieur Chernoff machte in den Jahren 1866
und 1868 auf den Obuchoff-Stahlwerken bei Alexandrowsky eine Reihe
von Versuchen über die Verbesserung des Stahls durch mechanische
Bearbeitung, insbesondere durch das Schmieden. Diese führten ihn
zu folgender Theorie: Flüssiger Stahl ist als eine Lösung anzusehen,
in welcher die Stahlatome in einem Eisenbade schwimmen. Bei der
Abkühlung vereinigen sich die Stahlatome zu Krystallen, die um so
gröſser sind, je langsamer und ruhiger die Abkühlung erfolgt. Rasches
Abkühlen stört die Krystallisation, ebenso heftige Bewegung. Durch
fortgesetztes Rühren oder Schütteln des Stahls wird ein feinkörniges,
hartes Produkt erzeugt. Ebenso beruht die Wirkung des Hämmerns
des heiſsen Stahls, wodurch derselbe feinkörnig, hart, fest und zäh
wird, darauf, daſs die Krystallisation durch die mechanische Ein-
wirkung beim Übergang aus der Schweiſshitze in Dunkelrothitze mehr
oder weniger unterdrückt wird. Durch starkes Erhitzen und langsames
Abkühlen wird dieser Zustand wieder aufgehoben oder wie man zu
sagen pflegt, der Stahl verdorben. Diese Theorie der Wirkung der
mechanischen Bearbeitung auf den Stahl fand groſsen Beifall.

Wir können nur kurz die wichtigsten Erfindungen und Fort-
schritte der Hüttenmaschinen in den sechziger Jahren aufzählen.

1860 wurde Lenoirs Gasmaschine bekannt 1) und um dieselbe
Zeit erregte Ericsons verbesserte kalorische Maschine allgemeines
Interesse. — 1859 hatte man zuerst bei Mülhausen im Elsaſs Draht-
seiltransmissionen angewendet. — Daſs zu Anfang der sechziger Jahre
Armstrongs hydraulische Akkumulatoren zu allgemeinerer Anwen-
dung kamen, haben wir bereits erwähnt. Ebenso die vielfache An-
wendung hydraulischen Druckes bei der Bessemerstahlfabrikation.
1863 verbesserte Haswell seinen hydraulischen Preſshammer und

1) Siehe Dinglers Journal 157, S. 323.
13*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0211" n="195"/><fw place="top" type="header">Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.</fw><lb/>
Maschinist denselben mit derselben Leichtigkeit lenkte, voll aufschlagen<lb/>
und leicht tanzen lie&#x017F;s, wie jeden anderen Dampfhammer. Als wenige<lb/>
Wochen später König <hi rendition="#g">Wilhelm</hi> I von Preu&#x017F;sen mit dem Kronprinzen<lb/>
und dem Kriegsminister seinen denkwürdigen Besuch in der <hi rendition="#g">Krupp</hi>-<lb/>
schen Fabrik machte, schmiedete &#x201E;Fritz&#x201C;, so hie&#x017F;s der gewaltige<lb/>
Hammer, einen Stahlblock von 7500 kg Gewicht und 15 Fu&#x017F;s Länge.<lb/>
Damals sprach der gro&#x017F;se König zu den Behörden und Deputationen<lb/>
der Stadt Essen die treffenden Worte: Ich bin erstaunt über die<lb/>
gro&#x017F;sartige Erweiterung dieses Etablissements, das neben seiner<lb/>
gewerblichen Bedeutung einen edlen vaterländischen Zweck hat.</p><lb/>
            <p>Der russische Ingenieur <hi rendition="#g">Chernoff</hi> machte in den Jahren 1866<lb/>
und 1868 auf den Obuchoff-Stahlwerken bei Alexandrowsky eine Reihe<lb/>
von Versuchen über die Verbesserung des Stahls durch mechanische<lb/>
Bearbeitung, insbesondere durch das Schmieden. Diese führten ihn<lb/>
zu folgender Theorie: Flüssiger Stahl ist als eine Lösung anzusehen,<lb/>
in welcher die Stahlatome in einem Eisenbade schwimmen. Bei der<lb/>
Abkühlung vereinigen sich die Stahlatome zu Krystallen, die um so<lb/>
grö&#x017F;ser sind, je langsamer und ruhiger die Abkühlung erfolgt. Rasches<lb/>
Abkühlen stört die Krystallisation, ebenso heftige Bewegung. Durch<lb/>
fortgesetztes Rühren oder Schütteln des Stahls wird ein feinkörniges,<lb/>
hartes Produkt erzeugt. Ebenso beruht die Wirkung des Hämmerns<lb/>
des hei&#x017F;sen Stahls, wodurch derselbe feinkörnig, hart, fest und zäh<lb/>
wird, darauf, da&#x017F;s die Krystallisation durch die mechanische Ein-<lb/>
wirkung beim Übergang aus der Schwei&#x017F;shitze in Dunkelrothitze mehr<lb/>
oder weniger unterdrückt wird. Durch starkes Erhitzen und langsames<lb/>
Abkühlen wird dieser Zustand wieder aufgehoben oder wie man zu<lb/>
sagen pflegt, der Stahl verdorben. Diese Theorie der Wirkung der<lb/>
mechanischen Bearbeitung auf den Stahl fand gro&#x017F;sen Beifall.</p><lb/>
            <p>Wir können nur kurz die wichtigsten Erfindungen und Fort-<lb/>
schritte der Hüttenmaschinen in den sechziger Jahren aufzählen.</p><lb/>
            <p>1860 wurde <hi rendition="#g">Lenoirs</hi> Gasmaschine bekannt <note place="foot" n="1)">Siehe Dinglers Journal 157, S. 323.</note> und um dieselbe<lb/>
Zeit erregte <hi rendition="#g">Ericsons</hi> verbesserte kalorische Maschine allgemeines<lb/>
Interesse. &#x2014; 1859 hatte man zuerst bei Mülhausen im Elsa&#x017F;s Draht-<lb/>
seiltransmissionen angewendet. &#x2014; Da&#x017F;s zu Anfang der sechziger Jahre<lb/><hi rendition="#g">Armstrongs</hi> hydraulische Akkumulatoren zu allgemeinerer Anwen-<lb/>
dung kamen, haben wir bereits erwähnt. Ebenso die vielfache An-<lb/>
wendung hydraulischen Druckes bei der Bessemerstahlfabrikation.<lb/>
1863 verbesserte <hi rendition="#g">Haswell</hi> seinen hydraulischen Pre&#x017F;shammer und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">13*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0211] Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. Maschinist denselben mit derselben Leichtigkeit lenkte, voll aufschlagen und leicht tanzen lieſs, wie jeden anderen Dampfhammer. Als wenige Wochen später König Wilhelm I von Preuſsen mit dem Kronprinzen und dem Kriegsminister seinen denkwürdigen Besuch in der Krupp- schen Fabrik machte, schmiedete „Fritz“, so hieſs der gewaltige Hammer, einen Stahlblock von 7500 kg Gewicht und 15 Fuſs Länge. Damals sprach der groſse König zu den Behörden und Deputationen der Stadt Essen die treffenden Worte: Ich bin erstaunt über die groſsartige Erweiterung dieses Etablissements, das neben seiner gewerblichen Bedeutung einen edlen vaterländischen Zweck hat. Der russische Ingenieur Chernoff machte in den Jahren 1866 und 1868 auf den Obuchoff-Stahlwerken bei Alexandrowsky eine Reihe von Versuchen über die Verbesserung des Stahls durch mechanische Bearbeitung, insbesondere durch das Schmieden. Diese führten ihn zu folgender Theorie: Flüssiger Stahl ist als eine Lösung anzusehen, in welcher die Stahlatome in einem Eisenbade schwimmen. Bei der Abkühlung vereinigen sich die Stahlatome zu Krystallen, die um so gröſser sind, je langsamer und ruhiger die Abkühlung erfolgt. Rasches Abkühlen stört die Krystallisation, ebenso heftige Bewegung. Durch fortgesetztes Rühren oder Schütteln des Stahls wird ein feinkörniges, hartes Produkt erzeugt. Ebenso beruht die Wirkung des Hämmerns des heiſsen Stahls, wodurch derselbe feinkörnig, hart, fest und zäh wird, darauf, daſs die Krystallisation durch die mechanische Ein- wirkung beim Übergang aus der Schweiſshitze in Dunkelrothitze mehr oder weniger unterdrückt wird. Durch starkes Erhitzen und langsames Abkühlen wird dieser Zustand wieder aufgehoben oder wie man zu sagen pflegt, der Stahl verdorben. Diese Theorie der Wirkung der mechanischen Bearbeitung auf den Stahl fand groſsen Beifall. Wir können nur kurz die wichtigsten Erfindungen und Fort- schritte der Hüttenmaschinen in den sechziger Jahren aufzählen. 1860 wurde Lenoirs Gasmaschine bekannt 1) und um dieselbe Zeit erregte Ericsons verbesserte kalorische Maschine allgemeines Interesse. — 1859 hatte man zuerst bei Mülhausen im Elsaſs Draht- seiltransmissionen angewendet. — Daſs zu Anfang der sechziger Jahre Armstrongs hydraulische Akkumulatoren zu allgemeinerer Anwen- dung kamen, haben wir bereits erwähnt. Ebenso die vielfache An- wendung hydraulischen Druckes bei der Bessemerstahlfabrikation. 1863 verbesserte Haswell seinen hydraulischen Preſshammer und 1) Siehe Dinglers Journal 157, S. 323. 13*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/211
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/211>, abgerufen am 20.04.2024.