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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870.
Zahlreiche Schmiede-, Bieg-, Dreh- und Lochproben, kalt und warm,
zeigten die Zähigkeit und Güte des Materials. Von den tadellosen Rad-
bandagen aus Gussstahl hatte die Fabrik schon über 40000 Stück
abgeliefert; von diesen liefen viele schon seit Jahren.

Ebenso war die Ausstellung von Gussstahlkanonen überraschend.
Sie bestand aus 4-Pfündern nach französischem und 20-, 40-, 60- und
100-Pfündern nach neuem englischem Kaliber. Eine Kanone mit 9 Zoll
Bohrung war aus einem Gussblock von 25000 kg Gewicht in einem
Stück mit den Zapfen geschmiedet. Seitdem Krupp 1851 in London
seinen ersten Gussstahl-6-Pfünder ausgestellt hatte, waren von ihm
über 1000 Stück Gussstahlkanonen an alle grösseren Staaten geliefert
worden. Eine vollkommen bearbeitete Kanone war der Länge nach
auseinandergesägt und gebrochen, wobei ebenfalls das Material sich
tadellos zeigte. Ein sehr sachverständiger Berichterstatter schliesst
mit dem Ausspruch: Krupp ist nichts mehr unmöglich. Seine Aus-
stellung war ein Triumph der Gussstahlfabrikation. 1861 war seine
Erzeugung schon auf 10 Millionen Pfund Gussstahl gestiegen.

Rettig in Schweden hatte ein Patent für Gussstahlbereitung durch
Zusammenschmelzen von Roheisen und Stabeisen erworben und sein
Produkt ausgestellt. C. R. Urff in Wikmanshyttan hatte guten
Uchatiusstahl, der aus den reichen Magneteisenerzen von Pisberg dar-
gestellt war, vorgeführt.

Neben Krupp zog aber damals, ausser der schon erwähnten Aus-
stellung von Bessemerstahl, besonders Howells Homogenstahl und
R. Mushets Titanstahl die Aufmerksamkeit der Metallurgen auf sich.

J. B. Howell hatte bereits am 9. Oktober 1856 ein Patent auf
die Herstellung einer Art von Gussstahl oder Homogenmetall
(homogenious metal) aus den gewöhnlicheren Eisensorten durch Hinzu-
fügen von Hammerschlag oder Walzsinter zu den gebräuchlichen
Gemengteilen bei der Gussstahlfabrikation genommen. Es wurde hier-
durch ein weicher Gussstahl erzielt, der von der Firma Shortridge,
Howell
& Co. in Sheffield im grossen erzeugt und für mancherlei
Zwecke verarbeitet wurde. Aufsehen erregten auf der Londoner Aus-
stellung 1862 namentlich die daraus gefertigten dünnen Röhren,
welche kalt gewunden, plattgeschlagen und aufgerollt waren, wie wenn
sie von Gummi wären. Das Homogenmetall, welches zu Panzerplatten
benutzt wurde, enthielt nach Percy nur 0,23 Prozent Kohlenstoff.
Er bezeichnet es als einen Zwischenzustand zwischen Gussstahl und
Schmiedeeisen. Für die Herstellung einer besonderen Art von Panzer-

Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
Zahlreiche Schmiede-, Bieg-, Dreh- und Lochproben, kalt und warm,
zeigten die Zähigkeit und Güte des Materials. Von den tadellosen Rad-
bandagen aus Guſsstahl hatte die Fabrik schon über 40000 Stück
abgeliefert; von diesen liefen viele schon seit Jahren.

Ebenso war die Ausstellung von Guſsstahlkanonen überraschend.
Sie bestand aus 4-Pfündern nach französischem und 20-, 40-, 60- und
100-Pfündern nach neuem englischem Kaliber. Eine Kanone mit 9 Zoll
Bohrung war aus einem Guſsblock von 25000 kg Gewicht in einem
Stück mit den Zapfen geschmiedet. Seitdem Krupp 1851 in London
seinen ersten Guſsstahl-6-Pfünder ausgestellt hatte, waren von ihm
über 1000 Stück Guſsstahlkanonen an alle gröſseren Staaten geliefert
worden. Eine vollkommen bearbeitete Kanone war der Länge nach
auseinandergesägt und gebrochen, wobei ebenfalls das Material sich
tadellos zeigte. Ein sehr sachverständiger Berichterstatter schlieſst
mit dem Ausspruch: Krupp ist nichts mehr unmöglich. Seine Aus-
stellung war ein Triumph der Guſsstahlfabrikation. 1861 war seine
Erzeugung schon auf 10 Millionen Pfund Guſsstahl gestiegen.

Rettig in Schweden hatte ein Patent für Guſsstahlbereitung durch
Zusammenschmelzen von Roheisen und Stabeisen erworben und sein
Produkt ausgestellt. C. R. Urff in Wikmanshyttan hatte guten
Uchatiusstahl, der aus den reichen Magneteisenerzen von Pisberg dar-
gestellt war, vorgeführt.

Neben Krupp zog aber damals, auſser der schon erwähnten Aus-
stellung von Bessemerstahl, besonders Howells Homogenstahl und
R. Mushets Titanstahl die Aufmerksamkeit der Metallurgen auf sich.

J. B. Howell hatte bereits am 9. Oktober 1856 ein Patent auf
die Herstellung einer Art von Guſsstahl oder Homogenmetall
(homogenious metal) aus den gewöhnlicheren Eisensorten durch Hinzu-
fügen von Hammerschlag oder Walzsinter zu den gebräuchlichen
Gemengteilen bei der Guſsstahlfabrikation genommen. Es wurde hier-
durch ein weicher Guſsstahl erzielt, der von der Firma Shortridge,
Howell
& Co. in Sheffield im groſsen erzeugt und für mancherlei
Zwecke verarbeitet wurde. Aufsehen erregten auf der Londoner Aus-
stellung 1862 namentlich die daraus gefertigten dünnen Röhren,
welche kalt gewunden, plattgeschlagen und aufgerollt waren, wie wenn
sie von Gummi wären. Das Homogenmetall, welches zu Panzerplatten
benutzt wurde, enthielt nach Percy nur 0,23 Prozent Kohlenstoff.
Er bezeichnet es als einen Zwischenzustand zwischen Guſsstahl und
Schmiedeeisen. Für die Herstellung einer besonderen Art von Panzer-

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[182/0198] Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870. Zahlreiche Schmiede-, Bieg-, Dreh- und Lochproben, kalt und warm, zeigten die Zähigkeit und Güte des Materials. Von den tadellosen Rad- bandagen aus Guſsstahl hatte die Fabrik schon über 40000 Stück abgeliefert; von diesen liefen viele schon seit Jahren. Ebenso war die Ausstellung von Guſsstahlkanonen überraschend. Sie bestand aus 4-Pfündern nach französischem und 20-, 40-, 60- und 100-Pfündern nach neuem englischem Kaliber. Eine Kanone mit 9 Zoll Bohrung war aus einem Guſsblock von 25000 kg Gewicht in einem Stück mit den Zapfen geschmiedet. Seitdem Krupp 1851 in London seinen ersten Guſsstahl-6-Pfünder ausgestellt hatte, waren von ihm über 1000 Stück Guſsstahlkanonen an alle gröſseren Staaten geliefert worden. Eine vollkommen bearbeitete Kanone war der Länge nach auseinandergesägt und gebrochen, wobei ebenfalls das Material sich tadellos zeigte. Ein sehr sachverständiger Berichterstatter schlieſst mit dem Ausspruch: Krupp ist nichts mehr unmöglich. Seine Aus- stellung war ein Triumph der Guſsstahlfabrikation. 1861 war seine Erzeugung schon auf 10 Millionen Pfund Guſsstahl gestiegen. Rettig in Schweden hatte ein Patent für Guſsstahlbereitung durch Zusammenschmelzen von Roheisen und Stabeisen erworben und sein Produkt ausgestellt. C. R. Urff in Wikmanshyttan hatte guten Uchatiusstahl, der aus den reichen Magneteisenerzen von Pisberg dar- gestellt war, vorgeführt. Neben Krupp zog aber damals, auſser der schon erwähnten Aus- stellung von Bessemerstahl, besonders Howells Homogenstahl und R. Mushets Titanstahl die Aufmerksamkeit der Metallurgen auf sich. J. B. Howell hatte bereits am 9. Oktober 1856 ein Patent auf die Herstellung einer Art von Guſsstahl oder Homogenmetall (homogenious metal) aus den gewöhnlicheren Eisensorten durch Hinzu- fügen von Hammerschlag oder Walzsinter zu den gebräuchlichen Gemengteilen bei der Guſsstahlfabrikation genommen. Es wurde hier- durch ein weicher Guſsstahl erzielt, der von der Firma Shortridge, Howell & Co. in Sheffield im groſsen erzeugt und für mancherlei Zwecke verarbeitet wurde. Aufsehen erregten auf der Londoner Aus- stellung 1862 namentlich die daraus gefertigten dünnen Röhren, welche kalt gewunden, plattgeschlagen und aufgerollt waren, wie wenn sie von Gummi wären. Das Homogenmetall, welches zu Panzerplatten benutzt wurde, enthielt nach Percy nur 0,23 Prozent Kohlenstoff. Er bezeichnet es als einen Zwischenzustand zwischen Guſsstahl und Schmiedeeisen. Für die Herstellung einer besonderen Art von Panzer-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/198>, abgerufen am 25.04.2024.