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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Einleitung.

Mit Recht nannte ein Schriftsteller jener Zeit (Kohn) die Welt-
ausstellungen die Marksteine für die Entwickelung der Eisenindustrie.
Dies kann besonders von der Londoner Ausstellung von 1862 gelten.
Auf ihr zeigte sich der Triumph des Stahls; auf ihr bewies der
Bessemerprozess zuerst seine Lebensfähigkeit. Die mannigfaltigen
Gegenstände aus Bessemerstahl gefertigt, welche der Erfinder selbst,
John Brown von Sheffield, und die schwedischen Stahlfabrikanten
ausstellten, bezeugten seine Verwendbarkeit und dass das neue Ver-
fahren aus dem Versuchsstadium herausgetreten war.

Grossartig erschien die Entfaltung des Gussstahls. Der oben-
erwähnte Schriftsteller bezeichnet deshalb die zweite Weltausstellung
und das Jahr 1862 als den Beginn des "stählernen Zeitalters". Der-
jenige, der aber dieser Vorführung des Gussstahls in London ihren
Glanz verlieh, dessen Leistungen alle anderen weit übertrafen, war nicht
ein Engländer, sondern der Deutsche Alfred Krupp, dessen Aus-
stellung die englischen Eisenindustriellen geradezu verblüffte. Welche
Fortschritte in den elf Jahren seit der ersten Londoner Ausstellung
zeigten sich da! Hatte im Jahre 1851 Krupps Gussstahlblock von
2,25 Tonnen Gewicht die allgemeine Bewunderung erregt, so war
diesmal ein Block von 20 Tonnen oder 40000 Pfund Gewicht aus-
gestellt. Derselbe war aus 600 Tiegeln gegossen und mit dem grössten
Dampfhammer der Welt, Krupps 1000 Ctr.-Hammer, in der Mitte zer-
brochen worden. Der Bruch war fehlerlos und von gleichem, feinem
Korn. Nach solcher Leistung erklärten Sachverständige: Krupp sei
nichts mehr unmöglich. Wenn aber auch die Stahlindustrie die
Palme des Sieges davontrug, so bethätigten doch auch die übrigen
Zweige der Eisenindustrie bemerkenswerte Fortschritte. Wir wollen
dieselben hier nicht aufzählen, um Wiederholungen zu vermeiden, da
wir bei den Einzelschilderungen ihrer doch gedenken müssen. Erwähnt
muss nur werden, dass ausser dem Fortschritt in der Stahlbereitung
ganz besonders die Fortschritte in der Bearbeitung von Stahl und
Eisen hervorragend in die Augen fielen. Das Gewicht, die Grösse und
Vollendung der Schmiede- und Walzstücke erregten gerechtes Erstaunen.

Die Fortschritte in der Formgebung seit der ersten Londoner
Ausstellung waren überraschend. Auch hier traten wieder vor allen
anderen die Leistungen Krupps hervor, besonders durch seine Stahl-
kanonen. Krupp konnte mit seinem 1000 Ctr.-Hammer die grössten
Stahlblöcke verschmieden. Ein geschmiedeter Gussstahlblock 30 x 17 Zoll
im Querschnitt, von 15 Tonnen Gewicht war in vier Stücke zerbrochen
und zeigte überall dieselben gleichmässigen, fehlerlosen Bruchflächen.

Einleitung.

Mit Recht nannte ein Schriftsteller jener Zeit (Kohn) die Welt-
ausstellungen die Marksteine für die Entwickelung der Eisenindustrie.
Dies kann besonders von der Londoner Ausstellung von 1862 gelten.
Auf ihr zeigte sich der Triumph des Stahls; auf ihr bewies der
Bessemerprozeſs zuerst seine Lebensfähigkeit. Die mannigfaltigen
Gegenstände aus Bessemerstahl gefertigt, welche der Erfinder selbst,
John Brown von Sheffield, und die schwedischen Stahlfabrikanten
ausstellten, bezeugten seine Verwendbarkeit und daſs das neue Ver-
fahren aus dem Versuchsstadium herausgetreten war.

Groſsartig erschien die Entfaltung des Guſsstahls. Der oben-
erwähnte Schriftsteller bezeichnet deshalb die zweite Weltausstellung
und das Jahr 1862 als den Beginn des „stählernen Zeitalters“. Der-
jenige, der aber dieser Vorführung des Guſsstahls in London ihren
Glanz verlieh, dessen Leistungen alle anderen weit übertrafen, war nicht
ein Engländer, sondern der Deutsche Alfred Krupp, dessen Aus-
stellung die englischen Eisenindustriellen geradezu verblüffte. Welche
Fortschritte in den elf Jahren seit der ersten Londoner Ausstellung
zeigten sich da! Hatte im Jahre 1851 Krupps Guſsstahlblock von
2,25 Tonnen Gewicht die allgemeine Bewunderung erregt, so war
diesmal ein Block von 20 Tonnen oder 40000 Pfund Gewicht aus-
gestellt. Derselbe war aus 600 Tiegeln gegossen und mit dem gröſsten
Dampfhammer der Welt, Krupps 1000 Ctr.-Hammer, in der Mitte zer-
brochen worden. Der Bruch war fehlerlos und von gleichem, feinem
Korn. Nach solcher Leistung erklärten Sachverständige: Krupp sei
nichts mehr unmöglich. Wenn aber auch die Stahlindustrie die
Palme des Sieges davontrug, so bethätigten doch auch die übrigen
Zweige der Eisenindustrie bemerkenswerte Fortschritte. Wir wollen
dieselben hier nicht aufzählen, um Wiederholungen zu vermeiden, da
wir bei den Einzelschilderungen ihrer doch gedenken müssen. Erwähnt
muſs nur werden, daſs auſser dem Fortschritt in der Stahlbereitung
ganz besonders die Fortschritte in der Bearbeitung von Stahl und
Eisen hervorragend in die Augen fielen. Das Gewicht, die Gröſse und
Vollendung der Schmiede- und Walzstücke erregten gerechtes Erstaunen.

Die Fortschritte in der Formgebung seit der ersten Londoner
Ausstellung waren überraschend. Auch hier traten wieder vor allen
anderen die Leistungen Krupps hervor, besonders durch seine Stahl-
kanonen. Krupp konnte mit seinem 1000 Ctr.-Hammer die gröſsten
Stahlblöcke verschmieden. Ein geschmiedeter Guſsstahlblock 30 × 17 Zoll
im Querschnitt, von 15 Tonnen Gewicht war in vier Stücke zerbrochen
und zeigte überall dieselben gleichmäſsigen, fehlerlosen Bruchflächen.

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[5/0019] Einleitung. Mit Recht nannte ein Schriftsteller jener Zeit (Kohn) die Welt- ausstellungen die Marksteine für die Entwickelung der Eisenindustrie. Dies kann besonders von der Londoner Ausstellung von 1862 gelten. Auf ihr zeigte sich der Triumph des Stahls; auf ihr bewies der Bessemerprozeſs zuerst seine Lebensfähigkeit. Die mannigfaltigen Gegenstände aus Bessemerstahl gefertigt, welche der Erfinder selbst, John Brown von Sheffield, und die schwedischen Stahlfabrikanten ausstellten, bezeugten seine Verwendbarkeit und daſs das neue Ver- fahren aus dem Versuchsstadium herausgetreten war. Groſsartig erschien die Entfaltung des Guſsstahls. Der oben- erwähnte Schriftsteller bezeichnet deshalb die zweite Weltausstellung und das Jahr 1862 als den Beginn des „stählernen Zeitalters“. Der- jenige, der aber dieser Vorführung des Guſsstahls in London ihren Glanz verlieh, dessen Leistungen alle anderen weit übertrafen, war nicht ein Engländer, sondern der Deutsche Alfred Krupp, dessen Aus- stellung die englischen Eisenindustriellen geradezu verblüffte. Welche Fortschritte in den elf Jahren seit der ersten Londoner Ausstellung zeigten sich da! Hatte im Jahre 1851 Krupps Guſsstahlblock von 2,25 Tonnen Gewicht die allgemeine Bewunderung erregt, so war diesmal ein Block von 20 Tonnen oder 40000 Pfund Gewicht aus- gestellt. Derselbe war aus 600 Tiegeln gegossen und mit dem gröſsten Dampfhammer der Welt, Krupps 1000 Ctr.-Hammer, in der Mitte zer- brochen worden. Der Bruch war fehlerlos und von gleichem, feinem Korn. Nach solcher Leistung erklärten Sachverständige: Krupp sei nichts mehr unmöglich. Wenn aber auch die Stahlindustrie die Palme des Sieges davontrug, so bethätigten doch auch die übrigen Zweige der Eisenindustrie bemerkenswerte Fortschritte. Wir wollen dieselben hier nicht aufzählen, um Wiederholungen zu vermeiden, da wir bei den Einzelschilderungen ihrer doch gedenken müssen. Erwähnt muſs nur werden, daſs auſser dem Fortschritt in der Stahlbereitung ganz besonders die Fortschritte in der Bearbeitung von Stahl und Eisen hervorragend in die Augen fielen. Das Gewicht, die Gröſse und Vollendung der Schmiede- und Walzstücke erregten gerechtes Erstaunen. Die Fortschritte in der Formgebung seit der ersten Londoner Ausstellung waren überraschend. Auch hier traten wieder vor allen anderen die Leistungen Krupps hervor, besonders durch seine Stahl- kanonen. Krupp konnte mit seinem 1000 Ctr.-Hammer die gröſsten Stahlblöcke verschmieden. Ein geschmiedeter Guſsstahlblock 30 × 17 Zoll im Querschnitt, von 15 Tonnen Gewicht war in vier Stücke zerbrochen und zeigte überall dieselben gleichmäſsigen, fehlerlosen Bruchflächen.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/19>, abgerufen am 29.03.2024.