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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
aufgegebene Charge brauchte aber durchschnittlich 10 Minuten länger
zum Frischen.

Bei weitem der meiste Bessemerstahl wurde zu Eisenbahnschienen
verwendet. In hervorragender Weise waren aber auch gepresste und
vertiefte Blechwaren aus Bessemermetall namentlich von Österreich
ausgestellt. Es wurden hier Bleche von ca. 1/400 Linie Dicke vorgeführt.

Eine sehr wichtige und neue Verwendung des Flussstahls war die
für grobe Gusswaren, namentlich für Maschinenteile, die auf Festigkeit
besonders in Anspruch genommen wurden, wie z. B. die Krauselräder
für Walzwerke. Solche waren in der preussischen und in der franzö-
sischen Abteilung vertreten.

Le Guen hatte durch Zusatz von Wolframeisen sehr festen Stahl
erzeugt und schlug vor, dieses auch bei der Bessemerstahlfabrikation
zu verwenden, indem man am Schluss statt Spiegeleisen Wolfram-
eisen zusetzte. Versuche, die er 1867 auf der Stahlhütte von Hubert
zu Imphy gemacht hatte, sollten sehr gute Erfolge ergeben haben.
Das verwandte Wolframeisen hatte 0,70 Prozent Wolfram enthalten;
hiervon wurden 8 Prozent der Charge zugeführt; in das fertige Produkt
ging nur die Hälfte des zugesetzten Wolframs über. Das Verfahren
bot angeblich den grossen Vorteil, dass es gestattete, auch geringere
Roheisensorten zu verarbeiten.

Zu Ebbw-Vale hatte sich der Parrysche Prozess im Laufe des
Jahres 1866 nicht als rentabel erwiesen. Man gab ihn deshalb auf
und erbaute ein grosses Bessemerwerk nach dem Muster der neuen
Anlage zu Dowlais 1). Diese zeichnete sich durch die Zweckmässigkeit
der Anordnung, insbesondere durch die vorteilhaftere Aufstellung der
Birnen aus. Sie waren nicht wie früher nebeneinander, sondern ein-
ander gegenübergestellt, so dass sie sich beim Kippen einander
zuneigten. Die Anlage, die in Figur 98 (a. f. S.) im Grundriss und
in Fig. 99 (S. 163) im Aufriss dargestellt ist, bestand aus 3 gleichen
Gruppen von je 2 Birnen a mit den dazugehörigen Flammöfen zum
Umschmelzen des Roheisens bb und des Spiegeleisens cc. Diese
Flammöfen, die später durch Kupolöfen ersetzt wurden, lagen in einem
höheren Niveau, so dass das geschmolzene Eisen durch die Rinnen d,
e, f
direkt den Birnen zugeführt werden konnte. Die Gusspfanne
hing an dem hydraulischen Krane l, der um seine Achse drehbar
war und beide Birnen bediente. Das Kippen der Birne geschah durch

1) Siehe Preuss. Zeitsch. 1868, Taf. I, Fig. 1 und 2; Wedding a. a. O. III,
Fig. 136, 137.
Beck, Geschichte des Eisens. 11

Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
aufgegebene Charge brauchte aber durchschnittlich 10 Minuten länger
zum Frischen.

Bei weitem der meiste Bessemerstahl wurde zu Eisenbahnschienen
verwendet. In hervorragender Weise waren aber auch gepreſste und
vertiefte Blechwaren aus Bessemermetall namentlich von Österreich
ausgestellt. Es wurden hier Bleche von ca. 1/400 Linie Dicke vorgeführt.

Eine sehr wichtige und neue Verwendung des Fluſsstahls war die
für grobe Guſswaren, namentlich für Maschinenteile, die auf Festigkeit
besonders in Anspruch genommen wurden, wie z. B. die Krauselräder
für Walzwerke. Solche waren in der preuſsischen und in der franzö-
sischen Abteilung vertreten.

Le Guen hatte durch Zusatz von Wolframeisen sehr festen Stahl
erzeugt und schlug vor, dieses auch bei der Bessemerstahlfabrikation
zu verwenden, indem man am Schluſs statt Spiegeleisen Wolfram-
eisen zusetzte. Versuche, die er 1867 auf der Stahlhütte von Hubert
zu Imphy gemacht hatte, sollten sehr gute Erfolge ergeben haben.
Das verwandte Wolframeisen hatte 0,70 Prozent Wolfram enthalten;
hiervon wurden 8 Prozent der Charge zugeführt; in das fertige Produkt
ging nur die Hälfte des zugesetzten Wolframs über. Das Verfahren
bot angeblich den groſsen Vorteil, daſs es gestattete, auch geringere
Roheisensorten zu verarbeiten.

Zu Ebbw-Vale hatte sich der Parrysche Prozeſs im Laufe des
Jahres 1866 nicht als rentabel erwiesen. Man gab ihn deshalb auf
und erbaute ein groſses Bessemerwerk nach dem Muster der neuen
Anlage zu Dowlais 1). Diese zeichnete sich durch die Zweckmäſsigkeit
der Anordnung, insbesondere durch die vorteilhaftere Aufstellung der
Birnen aus. Sie waren nicht wie früher nebeneinander, sondern ein-
ander gegenübergestellt, so daſs sie sich beim Kippen einander
zuneigten. Die Anlage, die in Figur 98 (a. f. S.) im Grundriſs und
in Fig. 99 (S. 163) im Aufriſs dargestellt ist, bestand aus 3 gleichen
Gruppen von je 2 Birnen a mit den dazugehörigen Flammöfen zum
Umschmelzen des Roheisens bb und des Spiegeleisens cc. Diese
Flammöfen, die später durch Kupolöfen ersetzt wurden, lagen in einem
höheren Niveau, so daſs das geschmolzene Eisen durch die Rinnen d,
e, f
direkt den Birnen zugeführt werden konnte. Die Guſspfanne
hing an dem hydraulischen Krane l, der um seine Achse drehbar
war und beide Birnen bediente. Das Kippen der Birne geschah durch

1) Siehe Preuſs. Zeitsch. 1868, Taf. I, Fig. 1 und 2; Wedding a. a. O. III,
Fig. 136, 137.
Beck, Geschichte des Eisens. 11
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[161/0177] Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. aufgegebene Charge brauchte aber durchschnittlich 10 Minuten länger zum Frischen. Bei weitem der meiste Bessemerstahl wurde zu Eisenbahnschienen verwendet. In hervorragender Weise waren aber auch gepreſste und vertiefte Blechwaren aus Bessemermetall namentlich von Österreich ausgestellt. Es wurden hier Bleche von ca. 1/400 Linie Dicke vorgeführt. Eine sehr wichtige und neue Verwendung des Fluſsstahls war die für grobe Guſswaren, namentlich für Maschinenteile, die auf Festigkeit besonders in Anspruch genommen wurden, wie z. B. die Krauselräder für Walzwerke. Solche waren in der preuſsischen und in der franzö- sischen Abteilung vertreten. Le Guen hatte durch Zusatz von Wolframeisen sehr festen Stahl erzeugt und schlug vor, dieses auch bei der Bessemerstahlfabrikation zu verwenden, indem man am Schluſs statt Spiegeleisen Wolfram- eisen zusetzte. Versuche, die er 1867 auf der Stahlhütte von Hubert zu Imphy gemacht hatte, sollten sehr gute Erfolge ergeben haben. Das verwandte Wolframeisen hatte 0,70 Prozent Wolfram enthalten; hiervon wurden 8 Prozent der Charge zugeführt; in das fertige Produkt ging nur die Hälfte des zugesetzten Wolframs über. Das Verfahren bot angeblich den groſsen Vorteil, daſs es gestattete, auch geringere Roheisensorten zu verarbeiten. Zu Ebbw-Vale hatte sich der Parrysche Prozeſs im Laufe des Jahres 1866 nicht als rentabel erwiesen. Man gab ihn deshalb auf und erbaute ein groſses Bessemerwerk nach dem Muster der neuen Anlage zu Dowlais 1). Diese zeichnete sich durch die Zweckmäſsigkeit der Anordnung, insbesondere durch die vorteilhaftere Aufstellung der Birnen aus. Sie waren nicht wie früher nebeneinander, sondern ein- ander gegenübergestellt, so daſs sie sich beim Kippen einander zuneigten. Die Anlage, die in Figur 98 (a. f. S.) im Grundriſs und in Fig. 99 (S. 163) im Aufriſs dargestellt ist, bestand aus 3 gleichen Gruppen von je 2 Birnen a mit den dazugehörigen Flammöfen zum Umschmelzen des Roheisens bb und des Spiegeleisens cc. Diese Flammöfen, die später durch Kupolöfen ersetzt wurden, lagen in einem höheren Niveau, so daſs das geschmolzene Eisen durch die Rinnen d, e, f direkt den Birnen zugeführt werden konnte. Die Guſspfanne hing an dem hydraulischen Krane l, der um seine Achse drehbar war und beide Birnen bediente. Das Kippen der Birne geschah durch 1) Siehe Preuſs. Zeitsch. 1868, Taf. I, Fig. 1 und 2; Wedding a. a. O. III, Fig. 136, 137. Beck, Geschichte des Eisens. 11

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/177>, abgerufen am 24.04.2024.