Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
fest. Unter den in obiger Tabelle angeführten 15 Konvertern sind 13 Bessemerschachtöfen und nur 2 bewegliche Birnen. Knut Styffe kommt aber in seinem fachmännischen Bericht über das Eisen- hüttenwesen auf der Pariser Ausstellung zu dem Schluss, dass die englischen Konverter selbst für schwedische Verhältnisse den Vorzug verdienen. Besonders betont er, dass damit leichter ein be- stimmtes Produkt erzielt werde. Bei dem schwedischen Verfahren wurde das Roheisen direkt aus dem Hochofen abgestochen. Knut Styffe empfiehlt das Umschmelzen in Kupolöfen.
In der That war die Einführung der Kupolöfen zum Umschmelzen des Roheisens an Stelle der Flammöfen wohl der wichtigste Fortschritt bei dem Bessemerverfahren im Jahre 1867. Früher, ehe man den chemischen Vorgang genauer studiert hatte, war man geneigt, in der beim Umschmelzen im Flammofen unvermeidlichen Oxydation eine nützliche Reinigung zu erblicken. Durch die Analysen ergab sich aber, dass durch das Umschmelzen im Flammofen bereits ein grosser Teil des Siliciums abgeschieden wurde. Dies war aber ein Nachteil, weil die Wärme, die durch die Oxydation des Siliciums in der Bessemerbirne entstand, für den raschen und guten Verlauf durchaus notwendig war. Auch erwies sich die Furcht, die man hegte, dass das Roheisen im Kupolofen durch die Berührung mit Koks verunreinigt würde und Schwefel und Phosphor aufnähme, als unbegründet. Infolgedessen verdrängten die Kupolöfen rasch die Flammöfen. Da das Einschmelzen in den grossen Kupolöfen viel rascher von statten ging, als in den Flammöfen, konnten mehr Chargen geblasen und die Produktion der Birnen entsprechend vermehrt werden.
Auf der Königin-Marienhütte zu Kainsdorf bei Zwickau hatte man 2 Kupolöfen für 2 Frischbirnen. Jeder derselben war 5 bis 6 Fuss weit, 14 Fuss hoch und schmolz 70 bis 80 Centner Roheisen in einer Stunde. Die Windzufuhr erfolgte durch 3 übereinander liegende Formen von 4 bis 5 Zoll Durchmesser. Die Formen lagen 24 bis 36 Zoll über dem Boden.
In Barrow schmolz ein Kupolofen 7 Tonnen in einer halben bis dreiviertel Stunden 1).
Auf verschiedenen grossen Werken, wie zu Barrow in England, Terre Noire in Frankreich u. a., stach man das Roheisen direkt vom Hochofen in die Bessemerbirne ab. Eine aus dem Hochofen
1) Zu East-Greenwich war bei dem Guss der 100 Tonnen-Chabotte ein Kupolofen nach Irelands System, der 13 Tonnen Roheisen in der Stunde schmolz, verwendet worden.
Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
fest. Unter den in obiger Tabelle angeführten 15 Konvertern sind 13 Bessemerschachtöfen und nur 2 bewegliche Birnen. Knut Styffe kommt aber in seinem fachmännischen Bericht über das Eisen- hüttenwesen auf der Pariser Ausstellung zu dem Schluſs, daſs die englischen Konverter selbst für schwedische Verhältnisse den Vorzug verdienen. Besonders betont er, daſs damit leichter ein be- stimmtes Produkt erzielt werde. Bei dem schwedischen Verfahren wurde das Roheisen direkt aus dem Hochofen abgestochen. Knut Styffe empfiehlt das Umschmelzen in Kupolöfen.
In der That war die Einführung der Kupolöfen zum Umschmelzen des Roheisens an Stelle der Flammöfen wohl der wichtigste Fortschritt bei dem Bessemerverfahren im Jahre 1867. Früher, ehe man den chemischen Vorgang genauer studiert hatte, war man geneigt, in der beim Umschmelzen im Flammofen unvermeidlichen Oxydation eine nützliche Reinigung zu erblicken. Durch die Analysen ergab sich aber, daſs durch das Umschmelzen im Flammofen bereits ein groſser Teil des Siliciums abgeschieden wurde. Dies war aber ein Nachteil, weil die Wärme, die durch die Oxydation des Siliciums in der Bessemerbirne entstand, für den raschen und guten Verlauf durchaus notwendig war. Auch erwies sich die Furcht, die man hegte, daſs das Roheisen im Kupolofen durch die Berührung mit Koks verunreinigt würde und Schwefel und Phosphor aufnähme, als unbegründet. Infolgedessen verdrängten die Kupolöfen rasch die Flammöfen. Da das Einschmelzen in den groſsen Kupolöfen viel rascher von statten ging, als in den Flammöfen, konnten mehr Chargen geblasen und die Produktion der Birnen entsprechend vermehrt werden.
Auf der Königin-Marienhütte zu Kainsdorf bei Zwickau hatte man 2 Kupolöfen für 2 Frischbirnen. Jeder derselben war 5 bis 6 Fuſs weit, 14 Fuſs hoch und schmolz 70 bis 80 Centner Roheisen in einer Stunde. Die Windzufuhr erfolgte durch 3 übereinander liegende Formen von 4 bis 5 Zoll Durchmesser. Die Formen lagen 24 bis 36 Zoll über dem Boden.
In Barrow schmolz ein Kupolofen 7 Tonnen in einer halben bis dreiviertel Stunden 1).
Auf verschiedenen groſsen Werken, wie zu Barrow in England, Terre Noire in Frankreich u. a., stach man das Roheisen direkt vom Hochofen in die Bessemerbirne ab. Eine aus dem Hochofen
1) Zu East-Greenwich war bei dem Guſs der 100 Tonnen-Chabotte ein Kupolofen nach Irelands System, der 13 Tonnen Roheisen in der Stunde schmolz, verwendet worden.
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Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
fest. Unter den in obiger Tabelle angeführten 15 Konvertern sind
13 Bessemerschachtöfen und nur 2 bewegliche Birnen. Knut Styffe
kommt aber in seinem fachmännischen Bericht über das Eisen-
hüttenwesen auf der Pariser Ausstellung zu dem Schluſs, daſs
die englischen Konverter selbst für schwedische Verhältnisse den
Vorzug verdienen. Besonders betont er, daſs damit leichter ein be-
stimmtes Produkt erzielt werde. Bei dem schwedischen Verfahren
wurde das Roheisen direkt aus dem Hochofen abgestochen. Knut
Styffe empfiehlt das Umschmelzen in Kupolöfen.
In der That war die Einführung der Kupolöfen zum Umschmelzen
des Roheisens an Stelle der Flammöfen wohl der wichtigste Fortschritt
bei dem Bessemerverfahren im Jahre 1867. Früher, ehe man den
chemischen Vorgang genauer studiert hatte, war man geneigt, in der
beim Umschmelzen im Flammofen unvermeidlichen Oxydation eine
nützliche Reinigung zu erblicken. Durch die Analysen ergab sich
aber, daſs durch das Umschmelzen im Flammofen bereits ein groſser
Teil des Siliciums abgeschieden wurde. Dies war aber ein Nachteil,
weil die Wärme, die durch die Oxydation des Siliciums in der
Bessemerbirne entstand, für den raschen und guten Verlauf durchaus
notwendig war. Auch erwies sich die Furcht, die man hegte, daſs das
Roheisen im Kupolofen durch die Berührung mit Koks verunreinigt
würde und Schwefel und Phosphor aufnähme, als unbegründet.
Infolgedessen verdrängten die Kupolöfen rasch die Flammöfen. Da
das Einschmelzen in den groſsen Kupolöfen viel rascher von statten
ging, als in den Flammöfen, konnten mehr Chargen geblasen und die
Produktion der Birnen entsprechend vermehrt werden.
Auf der Königin-Marienhütte zu Kainsdorf bei Zwickau hatte man
2 Kupolöfen für 2 Frischbirnen. Jeder derselben war 5 bis 6 Fuſs
weit, 14 Fuſs hoch und schmolz 70 bis 80 Centner Roheisen in einer
Stunde. Die Windzufuhr erfolgte durch 3 übereinander liegende
Formen von 4 bis 5 Zoll Durchmesser. Die Formen lagen 24 bis 36 Zoll
über dem Boden.
In Barrow schmolz ein Kupolofen 7 Tonnen in einer halben bis
dreiviertel Stunden 1).
Auf verschiedenen groſsen Werken, wie zu Barrow in England,
Terre Noire in Frankreich u. a., stach man das Roheisen direkt
vom Hochofen in die Bessemerbirne ab. Eine aus dem Hochofen
1) Zu East-Greenwich war bei dem Guſs der 100 Tonnen-Chabotte ein
Kupolofen nach Irelands System, der 13 Tonnen Roheisen in der Stunde schmolz,
verwendet worden.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/176>, abgerufen am 25.11.2024.
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