Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Den äusseren Verlauf des Bessemerfrischens hatten sowohl der Erfinder in seinen Vorträgen 1), als auch andere Schriftsteller ge- schildert.
Mit besonderer Klarheit geschah dies von H. Wedding in seiner Abhandlung von 1863 2). Er bemerkt darin, dass man bei dem schwedischen Verfahren zwei, bei dem englischen drei Perioden unter- scheide. Die erste, die Fein- oder schlackenbildende, Periode dauere in der Regel 4 bis 6 Minuten. Es oxydiert dabei hauptsächlich Eisen(Mangan) und Silicium, wodurch nach Gruners Berechnung eine so starke Erwärmung der Masse stattfindet, dass selbst Stabeisen flüssig bleibt. Ein Siliciumgehalt von 1 bis 2 Prozent ist deshalb sowohl zur Wärme- als zur Schlackenbildung vorteilhaft. Graphit geht in chemisch gebundenen Kohlenstoff über.
Hierauf folgt die zweite, die Koch-Stahlbildungs- oder Eruptionsperiode. Bei dieser findet hauptsächlich die Oxydation des Kohlenstoffs statt, wobei durch die Bildung des Kohlenoxydgases, welches entweicht, Wärme gebunden wird. Sie dauert meist 6 bis 8 Minuten.
Sodann beginnt die dritte, die Frischperiode, in welcher der Rest des Kohlenstoffs oxydiert und der Stahl in übergares (ver- branntes) grobkrystallinisches Eisen übergeführt wird. Durch Zufügen von geschmolzenem reinen Spiegeleisen wird dieses wieder gekohlt und ein weicheres oder härteres Produkt (Stahl) erzeugt.
Bei dem schwedischen Verfahren unterbrach man den Prozess 1 bis 2 Minuten nach der Beendigung des Kochens, ehe der Kohlen- stoff völlig verbrannt war. Ein Nachsatz von Spiegeleisen fand deshalb hier nicht statt; das abgestochene Produkt enthielt noch mehr oder weniger Kohlenstoff, je nachdem man härteren oder weicheren Stahl erzeugen wollte.
Die drei Perioden des Bessemerprozesses sind charakterisiert durch die Flammenerscheinungen. In der ersten Periode ist diese dem Halse der Birne entströmende Flamme schwach leuchtend, rötlichbraun bis gelblich, dabei werden ziemlich viele rauschende und strahlende Funken von verbrennendem Eisen ausgeworfen. In der zweiten Periode findet unter heftigem Aufkochen eine starke Kohlenoxydgasentwickelung statt bei starker, hellleuchtender Flamme unterbrochen durch Explosionen,
1) Vergl. Percy, Iron and Steel, p. 817.
2) Die Resultate des Bessemerprozesses für die Darstellung von Stahl und Aussichten desselben für die rheinische und westfälische Eisen- und Stahlindustrie in Preuss. Zeitschr. f. Berg-, Hutten- u. Salinenwesen, Bd. XI, 1863, S. 256.
Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Den äuſseren Verlauf des Bessemerfrischens hatten sowohl der Erfinder in seinen Vorträgen 1), als auch andere Schriftsteller ge- schildert.
Mit besonderer Klarheit geschah dies von H. Wedding in seiner Abhandlung von 1863 2). Er bemerkt darin, daſs man bei dem schwedischen Verfahren zwei, bei dem englischen drei Perioden unter- scheide. Die erste, die Fein- oder schlackenbildende, Periode dauere in der Regel 4 bis 6 Minuten. Es oxydiert dabei hauptsächlich Eisen(Mangan) und Silicium, wodurch nach Gruners Berechnung eine so starke Erwärmung der Masse stattfindet, daſs selbst Stabeisen flüssig bleibt. Ein Siliciumgehalt von 1 bis 2 Prozent ist deshalb sowohl zur Wärme- als zur Schlackenbildung vorteilhaft. Graphit geht in chemisch gebundenen Kohlenstoff über.
Hierauf folgt die zweite, die Koch-Stahlbildungs- oder Eruptionsperiode. Bei dieser findet hauptsächlich die Oxydation des Kohlenstoffs statt, wobei durch die Bildung des Kohlenoxydgases, welches entweicht, Wärme gebunden wird. Sie dauert meist 6 bis 8 Minuten.
Sodann beginnt die dritte, die Frischperiode, in welcher der Rest des Kohlenstoffs oxydiert und der Stahl in übergares (ver- branntes) grobkrystallinisches Eisen übergeführt wird. Durch Zufügen von geschmolzenem reinen Spiegeleisen wird dieses wieder gekohlt und ein weicheres oder härteres Produkt (Stahl) erzeugt.
Bei dem schwedischen Verfahren unterbrach man den Prozeſs 1 bis 2 Minuten nach der Beendigung des Kochens, ehe der Kohlen- stoff völlig verbrannt war. Ein Nachsatz von Spiegeleisen fand deshalb hier nicht statt; das abgestochene Produkt enthielt noch mehr oder weniger Kohlenstoff, je nachdem man härteren oder weicheren Stahl erzeugen wollte.
Die drei Perioden des Bessemerprozesses sind charakterisiert durch die Flammenerscheinungen. In der ersten Periode ist diese dem Halse der Birne entströmende Flamme schwach leuchtend, rötlichbraun bis gelblich, dabei werden ziemlich viele rauschende und strahlende Funken von verbrennendem Eisen ausgeworfen. In der zweiten Periode findet unter heftigem Aufkochen eine starke Kohlenoxydgasentwickelung statt bei starker, hellleuchtender Flamme unterbrochen durch Explosionen,
1) Vergl. Percy, Iron and Steel, p. 817.
2) Die Resultate des Bessemerprozesses für die Darstellung von Stahl und Aussichten desselben für die rheinische und westfälische Eisen- und Stahlindustrie in Preuſs. Zeitschr. f. Berg-, Hutten- u. Salinenwesen, Bd. XI, 1863, S. 256.
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Den äuſseren Verlauf des Bessemerfrischens hatten sowohl der
Erfinder in seinen Vorträgen 1), als auch andere Schriftsteller ge-
schildert.
Mit besonderer Klarheit geschah dies von H. Wedding in seiner
Abhandlung von 1863 2). Er bemerkt darin, daſs man bei dem
schwedischen Verfahren zwei, bei dem englischen drei Perioden unter-
scheide. Die erste, die Fein- oder schlackenbildende, Periode
dauere in der Regel 4 bis 6 Minuten. Es oxydiert dabei hauptsächlich
Eisen(Mangan) und Silicium, wodurch nach Gruners Berechnung eine so
starke Erwärmung der Masse stattfindet, daſs selbst Stabeisen flüssig
bleibt. Ein Siliciumgehalt von 1 bis 2 Prozent ist deshalb sowohl zur
Wärme- als zur Schlackenbildung vorteilhaft. Graphit geht in
chemisch gebundenen Kohlenstoff über.
Hierauf folgt die zweite, die Koch-Stahlbildungs- oder
Eruptionsperiode. Bei dieser findet hauptsächlich die Oxydation
des Kohlenstoffs statt, wobei durch die Bildung des Kohlenoxydgases,
welches entweicht, Wärme gebunden wird. Sie dauert meist 6 bis
8 Minuten.
Sodann beginnt die dritte, die Frischperiode, in welcher der
Rest des Kohlenstoffs oxydiert und der Stahl in übergares (ver-
branntes) grobkrystallinisches Eisen übergeführt wird. Durch Zufügen
von geschmolzenem reinen Spiegeleisen wird dieses wieder gekohlt
und ein weicheres oder härteres Produkt (Stahl) erzeugt.
Bei dem schwedischen Verfahren unterbrach man den Prozeſs
1 bis 2 Minuten nach der Beendigung des Kochens, ehe der Kohlen-
stoff völlig verbrannt war. Ein Nachsatz von Spiegeleisen fand deshalb
hier nicht statt; das abgestochene Produkt enthielt noch mehr oder
weniger Kohlenstoff, je nachdem man härteren oder weicheren Stahl
erzeugen wollte.
Die drei Perioden des Bessemerprozesses sind charakterisiert durch
die Flammenerscheinungen. In der ersten Periode ist diese dem Halse
der Birne entströmende Flamme schwach leuchtend, rötlichbraun bis
gelblich, dabei werden ziemlich viele rauschende und strahlende Funken
von verbrennendem Eisen ausgeworfen. In der zweiten Periode findet
unter heftigem Aufkochen eine starke Kohlenoxydgasentwickelung statt
bei starker, hellleuchtender Flamme unterbrochen durch Explosionen,
1) Vergl. Percy, Iron and Steel, p. 817.
2) Die Resultate des Bessemerprozesses für die Darstellung von Stahl und
Aussichten desselben für die rheinische und westfälische Eisen- und Stahlindustrie
in Preuſs. Zeitschr. f. Berg-, Hutten- u. Salinenwesen, Bd. XI, 1863, S. 256.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/155>, abgerufen am 23.11.2024.
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