Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Moment der Unterbrechung bei teilweiser Entkohlung noch nicht ge- nügend abgeschieden sei, wodurch die Qualität des Stahls beeinträchtigt werde. Man glaubte damals noch irrigerweise, dass die Oxydation des Siliciums und des Kohlenstoffs gleichzeitig erfolge. Als einen bedeu- tenden Mangel des Verfahrens bezeichnete Tunner noch die Unsicher- heit in der Herstellung des Produktes, dessen Qualität man erst nach Beendigung des Prozesses beurteilen konnte. Es war nahezu un- möglich, eine bestimmte Sorte zu erzeugen.
John Browns Atlaswerke waren damals die Musteranstalt und dies erstreckte sich auch auf die Verarbeitung der Blöcke, die meistens zu Schienen und schweren Kesselblechen verwendet wurden. Jeder Block (ingot) für eine Eisenbahnschiene erhielt zuerst zwei Glüh- hitzen, um erst flach, dann in Gesenken verschmiedet zu werden. In weiteren zwei Glühhitzen und in zwölf Kalibern erfolgte das Aus- walzen zum fertigen Rail. Man blies drei Chargen den Tag, am Morgen, am Mittag und am Abend je eine. Mehr konnte man nicht machen, weil die Flammöfen nicht mehr Roheisen schmelzen konnten.
Nach dem Muster der Atlaswerke (John Brown) wurde auch die erste deutsche Bessemeranlage, die von Friedrich Krupp in Essen, 1861 erbaut.
1862 errichteten Jackson, Petin und Gaudet zu Assailly eine Bessemeranlage mit Birnen von 5 bis 6 Tonnen (100 bis 120 Centner) Einsatz 1).
Bessemer hatte damals schon bedeutende Einkünfte aus seiner Erfindung. Die schwedischen Gewerke zahlten ihm für jeden Centner Stahl 1 Franc.
Die Londoner Ausstellung vom Jahre 1862 bewirkte den Sieg des Bessemerverfahrens in der öffentlichen Meinung. Dieser Erfolg machte sich rasch und an vielen Orten geltend.
In England waren die Versuche mit Schienen aus Bessemerstahl, welche die London- und North-Westernbahn 1862 angestellt hatte, so gut ausgefallen, dass die Gesellschaft von Bessemer das Recht der Ausnutzung des Patentes erwarb und 1863 in Crewe eine eigene Bessemeranlage errichtete.
Die Versuche, die 1862 auf dem Londoner Bahnhofe angestellt worden waren, hatten eine fünffache Dauer der Bessemerschienen gegen Eisenschienen ergeben.
1) Siehe Armengaud, Genie industr., t. XIV, livr. 7, 8.
Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Moment der Unterbrechung bei teilweiser Entkohlung noch nicht ge- nügend abgeschieden sei, wodurch die Qualität des Stahls beeinträchtigt werde. Man glaubte damals noch irrigerweise, daſs die Oxydation des Siliciums und des Kohlenstoffs gleichzeitig erfolge. Als einen bedeu- tenden Mangel des Verfahrens bezeichnete Tunner noch die Unsicher- heit in der Herstellung des Produktes, dessen Qualität man erst nach Beendigung des Prozesses beurteilen konnte. Es war nahezu un- möglich, eine bestimmte Sorte zu erzeugen.
John Browns Atlaswerke waren damals die Musteranstalt und dies erstreckte sich auch auf die Verarbeitung der Blöcke, die meistens zu Schienen und schweren Kesselblechen verwendet wurden. Jeder Block (ingot) für eine Eisenbahnschiene erhielt zuerst zwei Glüh- hitzen, um erst flach, dann in Gesenken verschmiedet zu werden. In weiteren zwei Glühhitzen und in zwölf Kalibern erfolgte das Aus- walzen zum fertigen Rail. Man blies drei Chargen den Tag, am Morgen, am Mittag und am Abend je eine. Mehr konnte man nicht machen, weil die Flammöfen nicht mehr Roheisen schmelzen konnten.
Nach dem Muster der Atlaswerke (John Brown) wurde auch die erste deutsche Bessemeranlage, die von Friedrich Krupp in Essen, 1861 erbaut.
1862 errichteten Jackson, Petin und Gaudet zu Assailly eine Bessemeranlage mit Birnen von 5 bis 6 Tonnen (100 bis 120 Centner) Einsatz 1).
Bessemer hatte damals schon bedeutende Einkünfte aus seiner Erfindung. Die schwedischen Gewerke zahlten ihm für jeden Centner Stahl 1 Franc.
Die Londoner Ausstellung vom Jahre 1862 bewirkte den Sieg des Bessemerverfahrens in der öffentlichen Meinung. Dieser Erfolg machte sich rasch und an vielen Orten geltend.
In England waren die Versuche mit Schienen aus Bessemerstahl, welche die London- und North-Westernbahn 1862 angestellt hatte, so gut ausgefallen, daſs die Gesellschaft von Bessemer das Recht der Ausnutzung des Patentes erwarb und 1863 in Crewe eine eigene Bessemeranlage errichtete.
Die Versuche, die 1862 auf dem Londoner Bahnhofe angestellt worden waren, hatten eine fünffache Dauer der Bessemerschienen gegen Eisenschienen ergeben.
1) Siehe Armengaud, Génie industr., t. XIV, livr. 7, 8.
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Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
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nügend abgeschieden sei, wodurch die Qualität des Stahls beeinträchtigt
werde. Man glaubte damals noch irrigerweise, daſs die Oxydation des
Siliciums und des Kohlenstoffs gleichzeitig erfolge. Als einen bedeu-
tenden Mangel des Verfahrens bezeichnete Tunner noch die Unsicher-
heit in der Herstellung des Produktes, dessen Qualität man erst nach
Beendigung des Prozesses beurteilen konnte. Es war nahezu un-
möglich, eine bestimmte Sorte zu erzeugen.
John Browns Atlaswerke waren damals die Musteranstalt und
dies erstreckte sich auch auf die Verarbeitung der Blöcke, die meistens
zu Schienen und schweren Kesselblechen verwendet wurden. Jeder
Block (ingot) für eine Eisenbahnschiene erhielt zuerst zwei Glüh-
hitzen, um erst flach, dann in Gesenken verschmiedet zu werden. In
weiteren zwei Glühhitzen und in zwölf Kalibern erfolgte das Aus-
walzen zum fertigen Rail. Man blies drei Chargen den Tag, am
Morgen, am Mittag und am Abend je eine. Mehr konnte man nicht
machen, weil die Flammöfen nicht mehr Roheisen schmelzen konnten.
Nach dem Muster der Atlaswerke (John Brown) wurde auch die
erste deutsche Bessemeranlage, die von Friedrich Krupp in Essen,
1861 erbaut.
1862 errichteten Jackson, Petin und Gaudet zu Assailly eine
Bessemeranlage mit Birnen von 5 bis 6 Tonnen (100 bis 120 Centner)
Einsatz 1).
Bessemer hatte damals schon bedeutende Einkünfte aus seiner
Erfindung. Die schwedischen Gewerke zahlten ihm für jeden Centner
Stahl 1 Franc.
Die Londoner Ausstellung vom Jahre 1862 bewirkte den Sieg
des Bessemerverfahrens in der öffentlichen Meinung. Dieser Erfolg
machte sich rasch und an vielen Orten geltend.
In England waren die Versuche mit Schienen aus Bessemerstahl,
welche die London- und North-Westernbahn 1862 angestellt hatte, so
gut ausgefallen, daſs die Gesellschaft von Bessemer das Recht der
Ausnutzung des Patentes erwarb und 1863 in Crewe eine eigene
Bessemeranlage errichtete.
Die Versuche, die 1862 auf dem Londoner Bahnhofe angestellt
worden waren, hatten eine fünffache Dauer der Bessemerschienen
gegen Eisenschienen ergeben.
1) Siehe Armengaud, Génie industr., t. XIV, livr. 7, 8.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/150>, abgerufen am 25.11.2024.
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