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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Vereinigte Staaten von Nordamerika.
mehr zu zwei sich zugekehrt an einer vertieften Giessgrube, sondern
parallel nebeneinander in einer Reihe. In 30 Minuten war eine
Charge fertig, wobei am Schluss 10 Prozent Spiegeleisen von 10 bis
12 Prozent Mangangehalt zugesetzt wurden. Der Abbrand betrug
7 bis 9 Prozent. Der in dieser Weise auf den Edgar-Thomsonwerken
erblasene Stahl enthielt 0,3 bis 0,5 Prozent Kohlenstoff, 0,015 bis
0,090 Silicium, 0,2 bis 0,5 Mangan, 0,084 bis 0,128 Phosphor und nur
Spuren von Schwefel. 210 Tonnen Roheisen gaben in 24 Stunden
180 Tonnen fertige Schienen in 30 Operationen. Das war mehr
als die doppelte Leistung der besten europäischen Werke.
22 Birnen in den Staaten leisteten mehr als 76 in Deutschland.
1875 lieferte eine 5-Tonnen-Birne in Amerika 448853 Centner, in
Deutschland 104707 Centner. Die Glühöfen waren Gasöfen mit vier
Arbeitsthüren. P. Tunner erklärte die Überlegenheit des amerika-
nischen Betriebes 1. aus dem raschen Einschmelzen des Roheisens in sehr
leistungsfähige Kupolöfen, 2. aus dem raschen Auswechseln der Kon-
verterböden, 3. aus dem kommunizierenden Guss grosser Blöcke von
15 bis 30 Centner Gewicht, 4. aus der vorzüglichen Anlage der Hütten
und Walzwerke. Man walzte aus einem Blocke unmittelbar zwei bis vier
30 Fuss lange Eisenbahnschienen und erzielte ein Ausbringen von
70 bis 71 Prozent. Die Schienen hatten nur 1/2 bis 1 Prozent Aus-
schuss. Zu dem intensiven Betrieb gehörten starke Gebläse und
Walzenzugmaschinen. Die stehenden Gebläsecylinder waren weit
und niedrig, z. B. 2,20 m Durchmesser auf 1,26 m Hub, und machten
36 bis 40 Touren in der Minute. Auch die vorzüglichen Transport-
mittel erhöhten die Leistungsfähigkeit der Stahlwerke. Die heissen
Blöcke wurden durch eine Lokomotive nach den Glühöfen gefahren.
Überall waren hydraulische Kräne in Anwendung. Die Schienen ge-
langten automatisch durch Rollengänge von den Walzen zu den
Scheren. Die Blockwalzwerke waren mit automatischen Walzentischen
nach Fritz Holleys System versehen. Nur zu Cambria arbeitete
man mit einem Reversierwalzwerk. Die grösste Erzeugung von Stahl-
schienen hatte 1876 die Lackawanna Eisen- und Kohlengesellschaft,
die 125,15 Tonnen in 12 Stunden walzte.

Blairs Prozess hatte sich nicht bewährt und war zu Glenwood
1876 nicht mehr im Gange. Zu Clinton und Millvale Rolling Mill
bei Pittsburgh lieferten 10 Danksöfen mit 144/100 Steinkohlen vorzügliches
Luppeneisen. Der Siemens-Martinprozess war 1876 auf 16 Hütten im
Gange. Auf dem Ohio-Eisenwerke wurde die Hälfte der Charge kalt

Vereinigte Staaten von Nordamerika.
mehr zu zwei sich zugekehrt an einer vertieften Gieſsgrube, sondern
parallel nebeneinander in einer Reihe. In 30 Minuten war eine
Charge fertig, wobei am Schluſs 10 Prozent Spiegeleisen von 10 bis
12 Prozent Mangangehalt zugesetzt wurden. Der Abbrand betrug
7 bis 9 Prozent. Der in dieser Weise auf den Edgar-Thomsonwerken
erblasene Stahl enthielt 0,3 bis 0,5 Prozent Kohlenstoff, 0,015 bis
0,090 Silicium, 0,2 bis 0,5 Mangan, 0,084 bis 0,128 Phosphor und nur
Spuren von Schwefel. 210 Tonnen Roheisen gaben in 24 Stunden
180 Tonnen fertige Schienen in 30 Operationen. Das war mehr
als die doppelte Leistung der besten europäischen Werke.
22 Birnen in den Staaten leisteten mehr als 76 in Deutschland.
1875 lieferte eine 5-Tonnen-Birne in Amerika 448853 Centner, in
Deutschland 104707 Centner. Die Glühöfen waren Gasöfen mit vier
Arbeitsthüren. P. Tunner erklärte die Überlegenheit des amerika-
nischen Betriebes 1. aus dem raschen Einschmelzen des Roheisens in sehr
leistungsfähige Kupolöfen, 2. aus dem raschen Auswechseln der Kon-
verterböden, 3. aus dem kommunizierenden Guſs groſser Blöcke von
15 bis 30 Centner Gewicht, 4. aus der vorzüglichen Anlage der Hütten
und Walzwerke. Man walzte aus einem Blocke unmittelbar zwei bis vier
30 Fuſs lange Eisenbahnschienen und erzielte ein Ausbringen von
70 bis 71 Prozent. Die Schienen hatten nur ½ bis 1 Prozent Aus-
schuſs. Zu dem intensiven Betrieb gehörten starke Gebläse und
Walzenzugmaschinen. Die stehenden Gebläsecylinder waren weit
und niedrig, z. B. 2,20 m Durchmesser auf 1,26 m Hub, und machten
36 bis 40 Touren in der Minute. Auch die vorzüglichen Transport-
mittel erhöhten die Leistungsfähigkeit der Stahlwerke. Die heiſsen
Blöcke wurden durch eine Lokomotive nach den Glühöfen gefahren.
Überall waren hydraulische Kräne in Anwendung. Die Schienen ge-
langten automatisch durch Rollengänge von den Walzen zu den
Scheren. Die Blockwalzwerke waren mit automatischen Walzentischen
nach Fritz Holleys System versehen. Nur zu Cambria arbeitete
man mit einem Reversierwalzwerk. Die gröſste Erzeugung von Stahl-
schienen hatte 1876 die Lackawanna Eisen- und Kohlengesellschaft,
die 125,15 Tonnen in 12 Stunden walzte.

Blairs Prozeſs hatte sich nicht bewährt und war zu Glenwood
1876 nicht mehr im Gange. Zu Clinton und Millvale Rolling Mill
bei Pittsburgh lieferten 10 Danksöfen mit 144/100 Steinkohlen vorzügliches
Luppeneisen. Der Siemens-Martinprozeſs war 1876 auf 16 Hütten im
Gange. Auf dem Ohio-Eisenwerke wurde die Hälfte der Charge kalt

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[1286/1302] Vereinigte Staaten von Nordamerika. mehr zu zwei sich zugekehrt an einer vertieften Gieſsgrube, sondern parallel nebeneinander in einer Reihe. In 30 Minuten war eine Charge fertig, wobei am Schluſs 10 Prozent Spiegeleisen von 10 bis 12 Prozent Mangangehalt zugesetzt wurden. Der Abbrand betrug 7 bis 9 Prozent. Der in dieser Weise auf den Edgar-Thomsonwerken erblasene Stahl enthielt 0,3 bis 0,5 Prozent Kohlenstoff, 0,015 bis 0,090 Silicium, 0,2 bis 0,5 Mangan, 0,084 bis 0,128 Phosphor und nur Spuren von Schwefel. 210 Tonnen Roheisen gaben in 24 Stunden 180 Tonnen fertige Schienen in 30 Operationen. Das war mehr als die doppelte Leistung der besten europäischen Werke. 22 Birnen in den Staaten leisteten mehr als 76 in Deutschland. 1875 lieferte eine 5-Tonnen-Birne in Amerika 448853 Centner, in Deutschland 104707 Centner. Die Glühöfen waren Gasöfen mit vier Arbeitsthüren. P. Tunner erklärte die Überlegenheit des amerika- nischen Betriebes 1. aus dem raschen Einschmelzen des Roheisens in sehr leistungsfähige Kupolöfen, 2. aus dem raschen Auswechseln der Kon- verterböden, 3. aus dem kommunizierenden Guſs groſser Blöcke von 15 bis 30 Centner Gewicht, 4. aus der vorzüglichen Anlage der Hütten und Walzwerke. Man walzte aus einem Blocke unmittelbar zwei bis vier 30 Fuſs lange Eisenbahnschienen und erzielte ein Ausbringen von 70 bis 71 Prozent. Die Schienen hatten nur ½ bis 1 Prozent Aus- schuſs. Zu dem intensiven Betrieb gehörten starke Gebläse und Walzenzugmaschinen. Die stehenden Gebläsecylinder waren weit und niedrig, z. B. 2,20 m Durchmesser auf 1,26 m Hub, und machten 36 bis 40 Touren in der Minute. Auch die vorzüglichen Transport- mittel erhöhten die Leistungsfähigkeit der Stahlwerke. Die heiſsen Blöcke wurden durch eine Lokomotive nach den Glühöfen gefahren. Überall waren hydraulische Kräne in Anwendung. Die Schienen ge- langten automatisch durch Rollengänge von den Walzen zu den Scheren. Die Blockwalzwerke waren mit automatischen Walzentischen nach Fritz Holleys System versehen. Nur zu Cambria arbeitete man mit einem Reversierwalzwerk. Die gröſste Erzeugung von Stahl- schienen hatte 1876 die Lackawanna Eisen- und Kohlengesellschaft, die 125,15 Tonnen in 12 Stunden walzte. Blairs Prozeſs hatte sich nicht bewährt und war zu Glenwood 1876 nicht mehr im Gange. Zu Clinton und Millvale Rolling Mill bei Pittsburgh lieferten 10 Danksöfen mit 144/100 Steinkohlen vorzügliches Luppeneisen. Der Siemens-Martinprozeſs war 1876 auf 16 Hütten im Gange. Auf dem Ohio-Eisenwerke wurde die Hälfte der Charge kalt

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1302>, abgerufen am 05.05.2024.