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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Österreich-Ungarn.

Die rasche Entwickelung der Hochofenindustrie Österreich-
Ungarns geschah im Dienste der grossen Stahlwerke. Natürlich nahm
auch die Walzwerkindustrie einen entsprechenden Aufschwung, der
seinen Ausdruck in den mächtigen Walzenzugmaschinen fand. Die
Flussstahlverarbeitung erforderte schon an und für sich mehr Kraft,
und da man immer schwerere Blöcke zur Steigerung der Pro-
duktion verarbeitete, so mussten auch die Walzwerke immer stärker
werden. Von den neuen grossen Werken 1) hatte 1899 das Reversier-
walzwerk in Witkowitz 2700, das Trägerwalzwerk in Kladno 2100 und
in Witkowitz 4000, das Schienenwalzwerk in Graz 4000, das in Teplitz
6000 und die Blechstrecke daselbst 7000, die Drillingsmaschine bei
dem Schienen- und Trägerwalzwerk in Donawitz endlich 9000 P. S.
Das daselbst im Bau begriffene Blechwalzwerk soll sogar eine Drillings-
maschine von 9500 P. S. erhalten.

Die Massenproduktion und die Leistungsfähigkeit der Werke
bewirkte, dass die Eisenpreise trotz des höheren Schutzzolls immer
mehr sanken. 1868 betrug der Preis für die Tonne noch 64,2 Gulden,
1878 49,5, 1888 37,40 und 1897 35,00 Gulden.

Österreich, das wegen seiner Armut an guter Steinkohle bis jetzt
immer noch darauf angewiesen war, einen Teil seines Eisens aus dem
Auslande zu beziehen, ist auf dem besten Wege, seinen Bedarf selbst
zu decken.

Was die Umwandlung des Roheisens in Flusseisen betrifft, so hat
sich in Österreich-Ungarn der Herdofenprozess hierfür am besten
bewährt und über den Konverterprozess den Sieg errungen. Der
saure Konverterprozess, das eigentliche Bessemern, ist selbst in den
Alpenländern, wo es in den siebziger Jahren zu hoher Bedeutung
gelangt war, fast verschwunden vor dem Herdprozess.

Von neuen Verbesserungen des letzteren ist der in Kladno ein-
geführte und weiter entwickelte Bertrand-Thiel-Prozess zu nennen.

Betrachten wir zum Schluss noch kurz den Eisenhandel Öster-
reichs. An Eisenerzen hat Österreich-Ungarn immer mehr aus- als
eingeführt. 1882 betrug die Ausfuhr aber nur 39775 Tonnen, die
Einfuhr 11560 Tonnen, 1898 dagegen die Ausfuhr 302317 Tonnen,
die Einfuhr 178235 Tonnen. Die Roheiseneinfuhr war dagegen immer
grösser als die Ausfuhr. 1882 betrug die Einfuhr 134760 Tonnen,
die Ausfuhr 5331 Tonnen, 1898 die Einfuhr 173957 Tonnen, die Aus-
fuhr 15798 Tonnen. Bei den Eisenfabrikaten ist der Unterschied

1) Nach Schuster in Stahl und Eisen 1899, S. 676.
Österreich-Ungarn.

Die rasche Entwickelung der Hochofenindustrie Österreich-
Ungarns geschah im Dienste der groſsen Stahlwerke. Natürlich nahm
auch die Walzwerkindustrie einen entsprechenden Aufschwung, der
seinen Ausdruck in den mächtigen Walzenzugmaschinen fand. Die
Fluſsstahlverarbeitung erforderte schon an und für sich mehr Kraft,
und da man immer schwerere Blöcke zur Steigerung der Pro-
duktion verarbeitete, so muſsten auch die Walzwerke immer stärker
werden. Von den neuen groſsen Werken 1) hatte 1899 das Reversier-
walzwerk in Witkowitz 2700, das Trägerwalzwerk in Kladno 2100 und
in Witkowitz 4000, das Schienenwalzwerk in Graz 4000, das in Teplitz
6000 und die Blechstrecke daselbst 7000, die Drillingsmaschine bei
dem Schienen- und Trägerwalzwerk in Donawitz endlich 9000 P. S.
Das daselbst im Bau begriffene Blechwalzwerk soll sogar eine Drillings-
maschine von 9500 P. S. erhalten.

Die Massenproduktion und die Leistungsfähigkeit der Werke
bewirkte, daſs die Eisenpreise trotz des höheren Schutzzolls immer
mehr sanken. 1868 betrug der Preis für die Tonne noch 64,2 Gulden,
1878 49,5, 1888 37,40 und 1897 35,00 Gulden.

Österreich, das wegen seiner Armut an guter Steinkohle bis jetzt
immer noch darauf angewiesen war, einen Teil seines Eisens aus dem
Auslande zu beziehen, ist auf dem besten Wege, seinen Bedarf selbst
zu decken.

Was die Umwandlung des Roheisens in Fluſseisen betrifft, so hat
sich in Österreich-Ungarn der Herdofenprozeſs hierfür am besten
bewährt und über den Konverterprozeſs den Sieg errungen. Der
saure Konverterprozeſs, das eigentliche Bessemern, ist selbst in den
Alpenländern, wo es in den siebziger Jahren zu hoher Bedeutung
gelangt war, fast verschwunden vor dem Herdprozeſs.

Von neuen Verbesserungen des letzteren ist der in Kladno ein-
geführte und weiter entwickelte Bertrand-Thiel-Prozeſs zu nennen.

Betrachten wir zum Schluſs noch kurz den Eisenhandel Öster-
reichs. An Eisenerzen hat Österreich-Ungarn immer mehr aus- als
eingeführt. 1882 betrug die Ausfuhr aber nur 39775 Tonnen, die
Einfuhr 11560 Tonnen, 1898 dagegen die Ausfuhr 302317 Tonnen,
die Einfuhr 178235 Tonnen. Die Roheiseneinfuhr war dagegen immer
gröſser als die Ausfuhr. 1882 betrug die Einfuhr 134760 Tonnen,
die Ausfuhr 5331 Tonnen, 1898 die Einfuhr 173957 Tonnen, die Aus-
fuhr 15798 Tonnen. Bei den Eisenfabrikaten ist der Unterschied

1) Nach Schuster in Stahl und Eisen 1899, S. 676.
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[1168/1184] Österreich-Ungarn. Die rasche Entwickelung der Hochofenindustrie Österreich- Ungarns geschah im Dienste der groſsen Stahlwerke. Natürlich nahm auch die Walzwerkindustrie einen entsprechenden Aufschwung, der seinen Ausdruck in den mächtigen Walzenzugmaschinen fand. Die Fluſsstahlverarbeitung erforderte schon an und für sich mehr Kraft, und da man immer schwerere Blöcke zur Steigerung der Pro- duktion verarbeitete, so muſsten auch die Walzwerke immer stärker werden. Von den neuen groſsen Werken 1) hatte 1899 das Reversier- walzwerk in Witkowitz 2700, das Trägerwalzwerk in Kladno 2100 und in Witkowitz 4000, das Schienenwalzwerk in Graz 4000, das in Teplitz 6000 und die Blechstrecke daselbst 7000, die Drillingsmaschine bei dem Schienen- und Trägerwalzwerk in Donawitz endlich 9000 P. S. Das daselbst im Bau begriffene Blechwalzwerk soll sogar eine Drillings- maschine von 9500 P. S. erhalten. Die Massenproduktion und die Leistungsfähigkeit der Werke bewirkte, daſs die Eisenpreise trotz des höheren Schutzzolls immer mehr sanken. 1868 betrug der Preis für die Tonne noch 64,2 Gulden, 1878 49,5, 1888 37,40 und 1897 35,00 Gulden. Österreich, das wegen seiner Armut an guter Steinkohle bis jetzt immer noch darauf angewiesen war, einen Teil seines Eisens aus dem Auslande zu beziehen, ist auf dem besten Wege, seinen Bedarf selbst zu decken. Was die Umwandlung des Roheisens in Fluſseisen betrifft, so hat sich in Österreich-Ungarn der Herdofenprozeſs hierfür am besten bewährt und über den Konverterprozeſs den Sieg errungen. Der saure Konverterprozeſs, das eigentliche Bessemern, ist selbst in den Alpenländern, wo es in den siebziger Jahren zu hoher Bedeutung gelangt war, fast verschwunden vor dem Herdprozeſs. Von neuen Verbesserungen des letzteren ist der in Kladno ein- geführte und weiter entwickelte Bertrand-Thiel-Prozeſs zu nennen. Betrachten wir zum Schluſs noch kurz den Eisenhandel Öster- reichs. An Eisenerzen hat Österreich-Ungarn immer mehr aus- als eingeführt. 1882 betrug die Ausfuhr aber nur 39775 Tonnen, die Einfuhr 11560 Tonnen, 1898 dagegen die Ausfuhr 302317 Tonnen, die Einfuhr 178235 Tonnen. Die Roheiseneinfuhr war dagegen immer gröſser als die Ausfuhr. 1882 betrug die Einfuhr 134760 Tonnen, die Ausfuhr 5331 Tonnen, 1898 die Einfuhr 173957 Tonnen, die Aus- fuhr 15798 Tonnen. Bei den Eisenfabrikaten ist der Unterschied 1) Nach Schuster in Stahl und Eisen 1899, S. 676.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1184>, abgerufen am 23.11.2024.