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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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welche es verstanden, ihren vorzüglichen Gussstahlsorten einen grossen
Absatz, namentlich auch nach Deutschland zu verschaffen.

In Ungarn hatten sich die Flussstahlwerke ebenfalls bedeutend
weiter entwickelt, was die Landes-Millenniums-Ausstellung in Budapest
1896 1) zur Anschauung brachte. Das der Rima-Murany-Salgo-Tarjaner
Eisenwerks-Aktiengesellschaft gehörige Ozder Eisen- und Stahlwerk
besass ein Martinwerk von 50000 Tonnen Leistungsfähigkeit. Es hatte
vier Bathoöfen mit Gasfeuerung, die Krane wurden zum Teil elektrisch
angetrieben. Ein Teil der Blöcke wurde auf dem Nadaster Blech-
walzwerk zu Blechen ausgewalzt. Das Salgo-Tarjaner Stahlwerk
bestand aus Thomashütte und Walzwerk. Die Thomashütte hatte
drei 8-Tonnen-Konverter und eine Leistungsfähigkeit von 70000
Tonnen.

Das kgl. ungarische Staatswerk in Diosgyör, hauptsächlich für
Eisenbahnbedarf gegründet, wurde 1890 unter Ferdinand Försters
Leitung durch den Bau eines neuen Walzwerks, Vergrösserung
des Martinwerkes und Einführung einer Stahlformgiesserei erweitert;
letztere erzielte alsbald glänzende Erfolge 2). Die Eisen- und
Stahlhütte stand in engster Beziehung und unter gemeinschaftlicher
Direktion mit der kgl. ungarischen Maschinenbauanstalt in Budapest,
die in grossartiger Weise für Lokomotivbau, Brückenbau und für die
Herstellung landwirtschaftlicher Maschinen eingerichtet war.

Die Berg- und Hüttenwerke der Österreichisch-ungarischen Staats-
eisenbahngesellschaft in Reschitza, Oravicza und Annina gehörten zu
den grössten industriellen Anlagen von Österreich-Ungarn und be-
schäftigten 1896 über 17000 Arbeiter.

Reschitza hatte bis 1893 einen Koks- und drei Holzkohlenöfen in
Betrieb gehabt. In diesem Jahre wurden die Holzkohlenöfen ausgeblasen,
abgetragen und durch zwei neue Kokshochöfen von je 17 m Höhe ersetzt.
Hierdurch stieg die Jahreserzeugung auf 45000 Tonnen. Die Wind-
erhitzung besorgten acht Whitwellapparate. Das Stahlwerk zu Reschitza
bestand aus einer Bessemerhütte mit vier Konvertern für 8-Tonnen-
Chargen und 30000 Tonnen Jahreserzeugung, einer Martinstahlhütte
mit sechs Öfen von zusammen 42 Tonnen Einsatz und einer Jahres-
erzeugung von 30000 Tonnen Martinstahlblöcken. Dieses Werk wurde
umgebaut und sollte auf eine Erzeugung von 45000 Tonnen vergrössert
werden. Eine dritte Abteilung bildete die Tiegelstahlhütte mit

1) Anton von Kerpely, Eisenhüttenwesen in Ungarn zur Zeit des
Millenniums. -- Im Auszug in Stahl und Eisen 1896, S. 932 f.
2) Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 729.

Österreich-Ungarn.
welche es verstanden, ihren vorzüglichen Guſsstahlsorten einen groſsen
Absatz, namentlich auch nach Deutschland zu verschaffen.

In Ungarn hatten sich die Fluſsstahlwerke ebenfalls bedeutend
weiter entwickelt, was die Landes-Millenniums-Ausstellung in Budapest
1896 1) zur Anschauung brachte. Das der Rima-Murány-Salgó-Tarjaner
Eisenwerks-Aktiengesellschaft gehörige Ozder Eisen- und Stahlwerk
besaſs ein Martinwerk von 50000 Tonnen Leistungsfähigkeit. Es hatte
vier Bathoöfen mit Gasfeuerung, die Krane wurden zum Teil elektrisch
angetrieben. Ein Teil der Blöcke wurde auf dem Nádaster Blech-
walzwerk zu Blechen ausgewalzt. Das Salgó-Tarjaner Stahlwerk
bestand aus Thomashütte und Walzwerk. Die Thomashütte hatte
drei 8-Tonnen-Konverter und eine Leistungsfähigkeit von 70000
Tonnen.

Das kgl. ungarische Staatswerk in Diósgyör, hauptsächlich für
Eisenbahnbedarf gegründet, wurde 1890 unter Ferdinand Försters
Leitung durch den Bau eines neuen Walzwerks, Vergröſserung
des Martinwerkes und Einführung einer Stahlformgieſserei erweitert;
letztere erzielte alsbald glänzende Erfolge 2). Die Eisen- und
Stahlhütte stand in engster Beziehung und unter gemeinschaftlicher
Direktion mit der kgl. ungarischen Maschinenbauanstalt in Budapest,
die in groſsartiger Weise für Lokomotivbau, Brückenbau und für die
Herstellung landwirtschaftlicher Maschinen eingerichtet war.

Die Berg- und Hüttenwerke der Österreichisch-ungarischen Staats-
eisenbahngesellschaft in Reschitza, Oravicza und Annina gehörten zu
den gröſsten industriellen Anlagen von Österreich-Ungarn und be-
schäftigten 1896 über 17000 Arbeiter.

Reschitza hatte bis 1893 einen Koks- und drei Holzkohlenöfen in
Betrieb gehabt. In diesem Jahre wurden die Holzkohlenöfen ausgeblasen,
abgetragen und durch zwei neue Kokshochöfen von je 17 m Höhe ersetzt.
Hierdurch stieg die Jahreserzeugung auf 45000 Tonnen. Die Wind-
erhitzung besorgten acht Whitwellapparate. Das Stahlwerk zu Reschitza
bestand aus einer Bessemerhütte mit vier Konvertern für 8-Tonnen-
Chargen und 30000 Tonnen Jahreserzeugung, einer Martinstahlhütte
mit sechs Öfen von zusammen 42 Tonnen Einsatz und einer Jahres-
erzeugung von 30000 Tonnen Martinstahlblöcken. Dieses Werk wurde
umgebaut und sollte auf eine Erzeugung von 45000 Tonnen vergröſsert
werden. Eine dritte Abteilung bildete die Tiegelstahlhütte mit

1) Anton von Kerpely, Eisenhüttenwesen in Ungarn zur Zeit des
Millenniums. — Im Auszug in Stahl und Eisen 1896, S. 932 f.
2) Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 729.
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[1166/1182] Österreich-Ungarn. welche es verstanden, ihren vorzüglichen Guſsstahlsorten einen groſsen Absatz, namentlich auch nach Deutschland zu verschaffen. In Ungarn hatten sich die Fluſsstahlwerke ebenfalls bedeutend weiter entwickelt, was die Landes-Millenniums-Ausstellung in Budapest 1896 1) zur Anschauung brachte. Das der Rima-Murány-Salgó-Tarjaner Eisenwerks-Aktiengesellschaft gehörige Ozder Eisen- und Stahlwerk besaſs ein Martinwerk von 50000 Tonnen Leistungsfähigkeit. Es hatte vier Bathoöfen mit Gasfeuerung, die Krane wurden zum Teil elektrisch angetrieben. Ein Teil der Blöcke wurde auf dem Nádaster Blech- walzwerk zu Blechen ausgewalzt. Das Salgó-Tarjaner Stahlwerk bestand aus Thomashütte und Walzwerk. Die Thomashütte hatte drei 8-Tonnen-Konverter und eine Leistungsfähigkeit von 70000 Tonnen. Das kgl. ungarische Staatswerk in Diósgyör, hauptsächlich für Eisenbahnbedarf gegründet, wurde 1890 unter Ferdinand Försters Leitung durch den Bau eines neuen Walzwerks, Vergröſserung des Martinwerkes und Einführung einer Stahlformgieſserei erweitert; letztere erzielte alsbald glänzende Erfolge 2). Die Eisen- und Stahlhütte stand in engster Beziehung und unter gemeinschaftlicher Direktion mit der kgl. ungarischen Maschinenbauanstalt in Budapest, die in groſsartiger Weise für Lokomotivbau, Brückenbau und für die Herstellung landwirtschaftlicher Maschinen eingerichtet war. Die Berg- und Hüttenwerke der Österreichisch-ungarischen Staats- eisenbahngesellschaft in Reschitza, Oravicza und Annina gehörten zu den gröſsten industriellen Anlagen von Österreich-Ungarn und be- schäftigten 1896 über 17000 Arbeiter. Reschitza hatte bis 1893 einen Koks- und drei Holzkohlenöfen in Betrieb gehabt. In diesem Jahre wurden die Holzkohlenöfen ausgeblasen, abgetragen und durch zwei neue Kokshochöfen von je 17 m Höhe ersetzt. Hierdurch stieg die Jahreserzeugung auf 45000 Tonnen. Die Wind- erhitzung besorgten acht Whitwellapparate. Das Stahlwerk zu Reschitza bestand aus einer Bessemerhütte mit vier Konvertern für 8-Tonnen- Chargen und 30000 Tonnen Jahreserzeugung, einer Martinstahlhütte mit sechs Öfen von zusammen 42 Tonnen Einsatz und einer Jahres- erzeugung von 30000 Tonnen Martinstahlblöcken. Dieses Werk wurde umgebaut und sollte auf eine Erzeugung von 45000 Tonnen vergröſsert werden. Eine dritte Abteilung bildete die Tiegelstahlhütte mit 1) Anton von Kerpely, Eisenhüttenwesen in Ungarn zur Zeit des Millenniums. — Im Auszug in Stahl und Eisen 1896, S. 932 f. 2) Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 729.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1182>, abgerufen am 23.11.2024.