Ungarns eine sehr gedeihliche Fortentwickelung. Die Roheisen- produktion Österreichs stieg von 1880 bis 1890 von 320302 Tonnen auf 686273 Tonnen, die Ungarns von 143932 Tonnen auf 299107 Tonnen, also in den beiden Hälften der Monarchie um mehr als das Doppelte.
1880 wurden in Steiermark aus Frischherden noch 130826 M.-Centner, aus Puddelöfen 353353 M.-Centner Schweisseisen und 254483 M.-Centner Flusseisen und Flussstahl erzeugt.
Das Patent für das basische Thomasverfahren hatten damals die Werke zu Witkowitz, Kladno und Teplitz erworben. Unter der Leitung von Paul Kuppelwieser entwickelte sich die Thomasstahlfabrikation zu Witkowitz in gedeihlicher Weise weiter. Der geringe Phosphor- gehalt des Roheisens zwang anfangs zu der erwähnten Teilung des Prozesses (Harmets Verfahren). Später ging man zum reinen Thomas- verfahren über, nachdem es gelungen war, phosphorreiches Roheisen durch Zusatz phosphorreicher Puddelschlacken, die aus Peine bezogen wurden, herzustellen. Dabei gab man auch die phosphorreiche Thomas- schlacke immer wieder in den Hochofen zurück. Zur Auskleidung der Thomasbirnen verwendete man gebrannte Dolomitziegel mit geringem Kieselsäuregehalt. Das Thomasflusseisen war besser als das früher erzeugte Bessemerflusseisen, besonders für Schienen, Radreifen, Achsen, Schwellen, Kessel-, Schiffs- und Weissblech, Konstruktions- eisen, Draht, Schrauben und Bolzen, gewalzte Röhren und Schmiede- stücke jeder Art. Für Bleche zog man es dem Schweisseisen vor. Silicium und Phosphor des Roheisens mussten zusammen mindestens 2,5 Prozent betragen, um genügend heisses Flussmetall zu erhalten. Man hatte die auswechselbaren Konverterböden von Holley ein- geführt. Ein Boden hielt 30 Chargen aus, wenn man die sauren Düsen alle fünf bis sechs Chargen erneuerte.
Auf dem 1873 gegründeten Stahlwerk zu Teplitz wurde 1879 ver- suchsweise, dann 1881 dauernd der Thomasprozess eingeführt. Man bezog in Ermangelung von genügend phosphorreichem einheimischen Roh- eisen solches von Ilsede am Harz, das 2 bis 2,4 Prozent Phosphor und 2,5 Prozent Mangan enthielt, für den Thomasprozess, da man damals noch kein geeignetes Roheisen erblies. Das Werk, das auf die billige Braunkohle begründet war, hatte zwei 6- bis 7-Tonnen-Konverter für Bessemerbetrieb und einen von 8 Tonnen Einsatz für das Thomas- verfahren. Das Einschmelzen erfolgte in Regenerativ-Gasflammöfen. Das reine Roheisen der Alpenländer eignete sich mehr für den Bessemer- als für den Thomasprozess. P. von Tunner berechnete,
Österreich-Ungarn.
Ungarns eine sehr gedeihliche Fortentwickelung. Die Roheisen- produktion Österreichs stieg von 1880 bis 1890 von 320302 Tonnen auf 686273 Tonnen, die Ungarns von 143932 Tonnen auf 299107 Tonnen, also in den beiden Hälften der Monarchie um mehr als das Doppelte.
1880 wurden in Steiermark aus Frischherden noch 130826 M.-Centner, aus Puddelöfen 353353 M.-Centner Schweiſseisen und 254483 M.-Centner Fluſseisen und Fluſsstahl erzeugt.
Das Patent für das basische Thomasverfahren hatten damals die Werke zu Witkowitz, Kladno und Teplitz erworben. Unter der Leitung von Paul Kuppelwieser entwickelte sich die Thomasstahlfabrikation zu Witkowitz in gedeihlicher Weise weiter. Der geringe Phosphor- gehalt des Roheisens zwang anfangs zu der erwähnten Teilung des Prozesses (Harmets Verfahren). Später ging man zum reinen Thomas- verfahren über, nachdem es gelungen war, phosphorreiches Roheisen durch Zusatz phosphorreicher Puddelschlacken, die aus Peine bezogen wurden, herzustellen. Dabei gab man auch die phosphorreiche Thomas- schlacke immer wieder in den Hochofen zurück. Zur Auskleidung der Thomasbirnen verwendete man gebrannte Dolomitziegel mit geringem Kieselsäuregehalt. Das Thomasfluſseisen war besser als das früher erzeugte Bessemerfluſseisen, besonders für Schienen, Radreifen, Achsen, Schwellen, Kessel-, Schiffs- und Weiſsblech, Konstruktions- eisen, Draht, Schrauben und Bolzen, gewalzte Röhren und Schmiede- stücke jeder Art. Für Bleche zog man es dem Schweiſseisen vor. Silicium und Phosphor des Roheisens muſsten zusammen mindestens 2,5 Prozent betragen, um genügend heiſses Fluſsmetall zu erhalten. Man hatte die auswechselbaren Konverterböden von Holley ein- geführt. Ein Boden hielt 30 Chargen aus, wenn man die sauren Düsen alle fünf bis sechs Chargen erneuerte.
Auf dem 1873 gegründeten Stahlwerk zu Teplitz wurde 1879 ver- suchsweise, dann 1881 dauernd der Thomasprozeſs eingeführt. Man bezog in Ermangelung von genügend phosphorreichem einheimischen Roh- eisen solches von Ilsede am Harz, das 2 bis 2,4 Prozent Phosphor und 2,5 Prozent Mangan enthielt, für den Thomasprozeſs, da man damals noch kein geeignetes Roheisen erblies. Das Werk, das auf die billige Braunkohle begründet war, hatte zwei 6- bis 7-Tonnen-Konverter für Bessemerbetrieb und einen von 8 Tonnen Einsatz für das Thomas- verfahren. Das Einschmelzen erfolgte in Regenerativ-Gasflammöfen. Das reine Roheisen der Alpenländer eignete sich mehr für den Bessemer- als für den Thomasprozeſs. P. von Tunner berechnete,
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Österreich-Ungarn.
Ungarns eine sehr gedeihliche Fortentwickelung. Die Roheisen-
produktion Österreichs stieg von 1880 bis 1890 von 320302 Tonnen
auf 686273 Tonnen, die Ungarns von 143932 Tonnen auf 299107
Tonnen, also in den beiden Hälften der Monarchie um mehr als das
Doppelte.
1880 wurden in Steiermark aus Frischherden noch 130826 M.-Centner,
aus Puddelöfen 353353 M.-Centner Schweiſseisen und 254483 M.-Centner
Fluſseisen und Fluſsstahl erzeugt.
Das Patent für das basische Thomasverfahren hatten damals die
Werke zu Witkowitz, Kladno und Teplitz erworben. Unter der Leitung
von Paul Kuppelwieser entwickelte sich die Thomasstahlfabrikation
zu Witkowitz in gedeihlicher Weise weiter. Der geringe Phosphor-
gehalt des Roheisens zwang anfangs zu der erwähnten Teilung des
Prozesses (Harmets Verfahren). Später ging man zum reinen Thomas-
verfahren über, nachdem es gelungen war, phosphorreiches Roheisen
durch Zusatz phosphorreicher Puddelschlacken, die aus Peine bezogen
wurden, herzustellen. Dabei gab man auch die phosphorreiche Thomas-
schlacke immer wieder in den Hochofen zurück. Zur Auskleidung
der Thomasbirnen verwendete man gebrannte Dolomitziegel mit
geringem Kieselsäuregehalt. Das Thomasfluſseisen war besser als das
früher erzeugte Bessemerfluſseisen, besonders für Schienen, Radreifen,
Achsen, Schwellen, Kessel-, Schiffs- und Weiſsblech, Konstruktions-
eisen, Draht, Schrauben und Bolzen, gewalzte Röhren und Schmiede-
stücke jeder Art. Für Bleche zog man es dem Schweiſseisen vor.
Silicium und Phosphor des Roheisens muſsten zusammen mindestens
2,5 Prozent betragen, um genügend heiſses Fluſsmetall zu erhalten.
Man hatte die auswechselbaren Konverterböden von Holley ein-
geführt. Ein Boden hielt 30 Chargen aus, wenn man die sauren
Düsen alle fünf bis sechs Chargen erneuerte.
Auf dem 1873 gegründeten Stahlwerk zu Teplitz wurde 1879 ver-
suchsweise, dann 1881 dauernd der Thomasprozeſs eingeführt. Man bezog
in Ermangelung von genügend phosphorreichem einheimischen Roh-
eisen solches von Ilsede am Harz, das 2 bis 2,4 Prozent Phosphor und
2,5 Prozent Mangan enthielt, für den Thomasprozeſs, da man damals
noch kein geeignetes Roheisen erblies. Das Werk, das auf die billige
Braunkohle begründet war, hatte zwei 6- bis 7-Tonnen-Konverter für
Bessemerbetrieb und einen von 8 Tonnen Einsatz für das Thomas-
verfahren. Das Einschmelzen erfolgte in Regenerativ-Gasflammöfen.
Das reine Roheisen der Alpenländer eignete sich mehr für den
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1166>, abgerufen am 23.11.2024.
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