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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Belgien.
Von den fünf Hochöfen hatte der grösste, Nr. 5, eine Tageserzeugung von
140 Tonnen. Die Kokerei umfasste 534 Öfen, davon 50 Copeesche,
432 Appoltsche und 52 Semet-Solvay-Öfen mit Gewinnung der Neben-
produkte. Das Stahlwerk umfasste 3 Konverter, 3 Siemens-Martinöfen,
14 Flammöfen und 2 Siemens-Regenerativöfen für Tiegelgussstahl.
Die Konverter waren für 600 Tonnen, die Siemens-Martinöfen für je
15 Tonnen Tageserzeugung eingerichtet. Das Schienenwalzwerk hatte
eine Leistungsfähigkeit von 2000 Tonnen in der Woche. Auf die
Grossartigkeit der Eisengiesserei, Schmiedewerkstätten und Maschinen-
bauanstalt können wir hier nur hinweisen 1). Die technische Leitung
hatte Direktor Greiner. Couillet hatte 1188 Arbeiter und Maschinen
von etwa 7000 P.S. Die Thomasblöcke gelangten in Rollöfen und
wurden dann in einem starken Triowalzwerk direkt fertig gewalzt.
Die Walzenzugmaschine daselbst war eine Drei-Cylindermaschine von
Ehrhardt & Sehmer in Schleifmühle, die sich durch raschen und
zugleich ruhigen Gang auszeichnete; die grosse Schmiedepresse von
2000 Tonnen Druck bei einer Dampfspannung von 6,5 Atm. war
von der Kalker Werkzeugmaschinenfabrik L. W. Breuer, Schumacher
& Co.
geliefert. In der nationalen Waffenfabrik zu Herstal war der
Arbeitsbetrieb fast ganz elektrisch.

Drei Jahre später, 1897, fand bereits wieder in Belgien eine
"Weltausstellung" in Brüssel 2) statt, welche die inzwischen gemachten
Fortschritte der belgischen Eisenindustrie erkennen liess. Als solche
ist besonders die Ausbreitung und Zunahme des basischen Verfahrens
der Flusseisenbereitung im Konverter wie im Flammofen hervorzuheben.
Die Gesellschaften Couillet und Providence konvertierten direkt vom
Hochofen. Letzteres Werk hatte in dem vorausgegangenen Jahre eine
neue Hochofenanlage zur Erzeugung von Thomasroheisen erbaut.

Die Gesellschaft Bonehill zu Hourpes a. d. Sambre hatte auch
ihren Puddelprozess so eingerichtet, dass sie das flüssige Roheisen
direkt vom Hochofen in den Flammofen brachte. Es geschah dies
mit Hülfe eines Sammelofens, aus dem das Eisen in schwere Gabel-
pfannen abgelassen und den Puddelöfen zugeführt wurde. Man be-
schleunigte das Frischen unter Zusatz oxydischer Eisenerze (schwe-
dischen Magnetits). Die Puddelöfen wie der Sammelofen waren
Regenerativgasöfen, wobei aber nur ein Teil der Verbrennungsgase
zur Heizung der Wärmespeicher verwendet wurde, während ein anderer

1) Siehe Stahl und Eisen, a. a. O., S. 913.
2) Bericht über dieselbe von Professor E. F. Dürre in Aachen, Stahl und
Eisen, S. 728, 816, 969.

Belgien.
Von den fünf Hochöfen hatte der gröſste, Nr. 5, eine Tageserzeugung von
140 Tonnen. Die Kokerei umfaſste 534 Öfen, davon 50 Copéesche,
432 Appoltsche und 52 Semet-Solvay-Öfen mit Gewinnung der Neben-
produkte. Das Stahlwerk umfaſste 3 Konverter, 3 Siemens-Martinöfen,
14 Flammöfen und 2 Siemens-Regenerativöfen für Tiegelguſsstahl.
Die Konverter waren für 600 Tonnen, die Siemens-Martinöfen für je
15 Tonnen Tageserzeugung eingerichtet. Das Schienenwalzwerk hatte
eine Leistungsfähigkeit von 2000 Tonnen in der Woche. Auf die
Groſsartigkeit der Eisengieſserei, Schmiedewerkstätten und Maschinen-
bauanstalt können wir hier nur hinweisen 1). Die technische Leitung
hatte Direktor Greiner. Couillet hatte 1188 Arbeiter und Maschinen
von etwa 7000 P.S. Die Thomasblöcke gelangten in Rollöfen und
wurden dann in einem starken Triowalzwerk direkt fertig gewalzt.
Die Walzenzugmaschine daselbst war eine Drei-Cylindermaschine von
Ehrhardt & Sehmer in Schleifmühle, die sich durch raschen und
zugleich ruhigen Gang auszeichnete; die groſse Schmiedepresse von
2000 Tonnen Druck bei einer Dampfspannung von 6,5 Atm. war
von der Kalker Werkzeugmaschinenfabrik L. W. Breuer, Schumacher
& Co.
geliefert. In der nationalen Waffenfabrik zu Herstal war der
Arbeitsbetrieb fast ganz elektrisch.

Drei Jahre später, 1897, fand bereits wieder in Belgien eine
„Weltausstellung“ in Brüssel 2) statt, welche die inzwischen gemachten
Fortschritte der belgischen Eisenindustrie erkennen lieſs. Als solche
ist besonders die Ausbreitung und Zunahme des basischen Verfahrens
der Fluſseisenbereitung im Konverter wie im Flammofen hervorzuheben.
Die Gesellschaften Couillet und Providence konvertierten direkt vom
Hochofen. Letzteres Werk hatte in dem vorausgegangenen Jahre eine
neue Hochofenanlage zur Erzeugung von Thomasroheisen erbaut.

Die Gesellschaft Bonehill zu Hourpes a. d. Sambre hatte auch
ihren Puddelprozeſs so eingerichtet, daſs sie das flüssige Roheisen
direkt vom Hochofen in den Flammofen brachte. Es geschah dies
mit Hülfe eines Sammelofens, aus dem das Eisen in schwere Gabel-
pfannen abgelassen und den Puddelöfen zugeführt wurde. Man be-
schleunigte das Frischen unter Zusatz oxydischer Eisenerze (schwe-
dischen Magnetits). Die Puddelöfen wie der Sammelofen waren
Regenerativgasöfen, wobei aber nur ein Teil der Verbrennungsgase
zur Heizung der Wärmespeicher verwendet wurde, während ein anderer

1) Siehe Stahl und Eisen, a. a. O., S. 913.
2) Bericht über dieselbe von Professor E. F. Dürre in Aachen, Stahl und
Eisen, S. 728, 816, 969.
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[1124/1140] Belgien. Von den fünf Hochöfen hatte der gröſste, Nr. 5, eine Tageserzeugung von 140 Tonnen. Die Kokerei umfaſste 534 Öfen, davon 50 Copéesche, 432 Appoltsche und 52 Semet-Solvay-Öfen mit Gewinnung der Neben- produkte. Das Stahlwerk umfaſste 3 Konverter, 3 Siemens-Martinöfen, 14 Flammöfen und 2 Siemens-Regenerativöfen für Tiegelguſsstahl. Die Konverter waren für 600 Tonnen, die Siemens-Martinöfen für je 15 Tonnen Tageserzeugung eingerichtet. Das Schienenwalzwerk hatte eine Leistungsfähigkeit von 2000 Tonnen in der Woche. Auf die Groſsartigkeit der Eisengieſserei, Schmiedewerkstätten und Maschinen- bauanstalt können wir hier nur hinweisen 1). Die technische Leitung hatte Direktor Greiner. Couillet hatte 1188 Arbeiter und Maschinen von etwa 7000 P.S. Die Thomasblöcke gelangten in Rollöfen und wurden dann in einem starken Triowalzwerk direkt fertig gewalzt. Die Walzenzugmaschine daselbst war eine Drei-Cylindermaschine von Ehrhardt & Sehmer in Schleifmühle, die sich durch raschen und zugleich ruhigen Gang auszeichnete; die groſse Schmiedepresse von 2000 Tonnen Druck bei einer Dampfspannung von 6,5 Atm. war von der Kalker Werkzeugmaschinenfabrik L. W. Breuer, Schumacher & Co. geliefert. In der nationalen Waffenfabrik zu Herstal war der Arbeitsbetrieb fast ganz elektrisch. Drei Jahre später, 1897, fand bereits wieder in Belgien eine „Weltausstellung“ in Brüssel 2) statt, welche die inzwischen gemachten Fortschritte der belgischen Eisenindustrie erkennen lieſs. Als solche ist besonders die Ausbreitung und Zunahme des basischen Verfahrens der Fluſseisenbereitung im Konverter wie im Flammofen hervorzuheben. Die Gesellschaften Couillet und Providence konvertierten direkt vom Hochofen. Letzteres Werk hatte in dem vorausgegangenen Jahre eine neue Hochofenanlage zur Erzeugung von Thomasroheisen erbaut. Die Gesellschaft Bonehill zu Hourpes a. d. Sambre hatte auch ihren Puddelprozeſs so eingerichtet, daſs sie das flüssige Roheisen direkt vom Hochofen in den Flammofen brachte. Es geschah dies mit Hülfe eines Sammelofens, aus dem das Eisen in schwere Gabel- pfannen abgelassen und den Puddelöfen zugeführt wurde. Man be- schleunigte das Frischen unter Zusatz oxydischer Eisenerze (schwe- dischen Magnetits). Die Puddelöfen wie der Sammelofen waren Regenerativgasöfen, wobei aber nur ein Teil der Verbrennungsgase zur Heizung der Wärmespeicher verwendet wurde, während ein anderer 1) Siehe Stahl und Eisen, a. a. O., S. 913. 2) Bericht über dieselbe von Professor E. F. Dürre in Aachen, Stahl und Eisen, S. 728, 816, 969.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1140>, abgerufen am 23.11.2024.