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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Heizkraft. Als aber der Bauxitherd sich hob und das Gewölbe Schaden
litt, gaben die Unternehmer, obgleich sie dem Ziel so nahe waren,
die Sache auf.

Inzwischen hatten die Gebrüder Emile und Pierre Martin zu
Sireuil von Siemens die Licenz erworben, den Regenerativofen
zum Schmelzen von Stahl in Tiegeln oder auf offenem Herd anzu-
wenden. 1864 wurde ein Ofen erbaut, der zunächst nur als Glüh-
ofen dienen sollte, der aber aus so feuerfestem Material (Dinassteinen)
hergestellt war, dass man ihn auch zum Stahlschmelzen benutzen
konnte. Obgleich dieser Ofen hierfür weniger geeignet war als die
früher erbauten, so gelang es den Gebrüdern Martin trotzdem, mit
demselben Stahl von verschiedenen Härtegraden auf dem offenen Herd
zu schmelzen, wofür sie bei der Weltausstellung in Paris die goldene
Medaille erhielten. Die Enttäuschungen durch den Mangel an Energie
der früheren Unternehmer einerseits und die Erfolge der Gebrüder
Martin in Frankreich andererseits hatte C. W. Siemens veranlasst,
1865 in Birmingham selbst einen Musterofen zum Stahlschmelzen zu
erbauen, und zwar war dieser als Tiegelschmelzofen eingerichtet,
während er 1867 einen zweiten aufführte, um Chargen von 24 Ctr. in
6 Stunden im offenen Herd zu schmelzen und darin seinen Erz-
stahlprozess auszuführen. Für diesen und einen dafür dienlichen
Schmelzofen hatte C. W. Siemens am 20. September 1866 sein
wichtiges Patent (Nr. 2413) genommen. Den Ofen beschreibt er als
eine überwölbte Kammer mit geneigter Sohle, an deren Ende sich
der eigentliche Schmelzherd mit dem Abstich befindet. Unter der
Kammer befinden sich zwei Regeneratoren für Gasfeuerung. Ge-
mahlene Eisenerze, wie Hämatit und Magneteisenstein oder geröstete
Spaterze, sollten mit einem geringen Zusatz von Flussmitteln, wie
Manganoxyd oder Mangankarbonat mit Fett, Teer oder ähnlichen
kohlenstoffreichen Stoffen getränkt, und Kalk oder sonstige alkalische
Substanzen, zuweilen mit einem Zusatz fester Kohle gemischt, durch
Fülltrichter aufgegeben werden, so dass sie auf die geneigte Sohle
gelangen, wo sie von grosser Hitze und einem reduzierenden Gasstrom
umspült werden. Das Eisen wird reduziert, schmilzt aus, und da die
Charge auf den geneigten Boden allmählich herabgleitet, kann neue
Beschickung eingefüllt werden, so dass ein kontinuierlicher Betrieb
stattfindet. Das geschmolzene Produkt war verschieden je nach Menge
und Art der angewandten Reduktionsmittel, auch konnte man es durch
Zusatz von Ferromangan, Spiegeleisen, Roheisen oder Schrott, oder
auch durch Abstellen der reduzierenden Gase und Umrühren nach-

Direkte Schmiedeeisenbereitung.
Heizkraft. Als aber der Bauxitherd sich hob und das Gewölbe Schaden
litt, gaben die Unternehmer, obgleich sie dem Ziel so nahe waren,
die Sache auf.

Inzwischen hatten die Gebrüder Emile und Pierre Martin zu
Sireuil von Siemens die Licenz erworben, den Regenerativofen
zum Schmelzen von Stahl in Tiegeln oder auf offenem Herd anzu-
wenden. 1864 wurde ein Ofen erbaut, der zunächst nur als Glüh-
ofen dienen sollte, der aber aus so feuerfestem Material (Dinassteinen)
hergestellt war, daſs man ihn auch zum Stahlschmelzen benutzen
konnte. Obgleich dieser Ofen hierfür weniger geeignet war als die
früher erbauten, so gelang es den Gebrüdern Martin trotzdem, mit
demselben Stahl von verschiedenen Härtegraden auf dem offenen Herd
zu schmelzen, wofür sie bei der Weltausstellung in Paris die goldene
Medaille erhielten. Die Enttäuschungen durch den Mangel an Energie
der früheren Unternehmer einerseits und die Erfolge der Gebrüder
Martin in Frankreich andererseits hatte C. W. Siemens veranlaſst,
1865 in Birmingham selbst einen Musterofen zum Stahlschmelzen zu
erbauen, und zwar war dieser als Tiegelschmelzofen eingerichtet,
während er 1867 einen zweiten aufführte, um Chargen von 24 Ctr. in
6 Stunden im offenen Herd zu schmelzen und darin seinen Erz-
stahlprozeſs auszuführen. Für diesen und einen dafür dienlichen
Schmelzofen hatte C. W. Siemens am 20. September 1866 sein
wichtiges Patent (Nr. 2413) genommen. Den Ofen beschreibt er als
eine überwölbte Kammer mit geneigter Sohle, an deren Ende sich
der eigentliche Schmelzherd mit dem Abstich befindet. Unter der
Kammer befinden sich zwei Regeneratoren für Gasfeuerung. Ge-
mahlene Eisenerze, wie Hämatit und Magneteisenstein oder geröstete
Spaterze, sollten mit einem geringen Zusatz von Fluſsmitteln, wie
Manganoxyd oder Mangankarbonat mit Fett, Teer oder ähnlichen
kohlenstoffreichen Stoffen getränkt, und Kalk oder sonstige alkalische
Substanzen, zuweilen mit einem Zusatz fester Kohle gemischt, durch
Fülltrichter aufgegeben werden, so daſs sie auf die geneigte Sohle
gelangen, wo sie von groſser Hitze und einem reduzierenden Gasstrom
umspült werden. Das Eisen wird reduziert, schmilzt aus, und da die
Charge auf den geneigten Boden allmählich herabgleitet, kann neue
Beschickung eingefüllt werden, so daſs ein kontinuierlicher Betrieb
stattfindet. Das geschmolzene Produkt war verschieden je nach Menge
und Art der angewandten Reduktionsmittel, auch konnte man es durch
Zusatz von Ferromangan, Spiegeleisen, Roheisen oder Schrott, oder
auch durch Abstellen der reduzierenden Gase und Umrühren nach-

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[94/0110] Direkte Schmiedeeisenbereitung. Heizkraft. Als aber der Bauxitherd sich hob und das Gewölbe Schaden litt, gaben die Unternehmer, obgleich sie dem Ziel so nahe waren, die Sache auf. Inzwischen hatten die Gebrüder Emile und Pierre Martin zu Sireuil von Siemens die Licenz erworben, den Regenerativofen zum Schmelzen von Stahl in Tiegeln oder auf offenem Herd anzu- wenden. 1864 wurde ein Ofen erbaut, der zunächst nur als Glüh- ofen dienen sollte, der aber aus so feuerfestem Material (Dinassteinen) hergestellt war, daſs man ihn auch zum Stahlschmelzen benutzen konnte. Obgleich dieser Ofen hierfür weniger geeignet war als die früher erbauten, so gelang es den Gebrüdern Martin trotzdem, mit demselben Stahl von verschiedenen Härtegraden auf dem offenen Herd zu schmelzen, wofür sie bei der Weltausstellung in Paris die goldene Medaille erhielten. Die Enttäuschungen durch den Mangel an Energie der früheren Unternehmer einerseits und die Erfolge der Gebrüder Martin in Frankreich andererseits hatte C. W. Siemens veranlaſst, 1865 in Birmingham selbst einen Musterofen zum Stahlschmelzen zu erbauen, und zwar war dieser als Tiegelschmelzofen eingerichtet, während er 1867 einen zweiten aufführte, um Chargen von 24 Ctr. in 6 Stunden im offenen Herd zu schmelzen und darin seinen Erz- stahlprozeſs auszuführen. Für diesen und einen dafür dienlichen Schmelzofen hatte C. W. Siemens am 20. September 1866 sein wichtiges Patent (Nr. 2413) genommen. Den Ofen beschreibt er als eine überwölbte Kammer mit geneigter Sohle, an deren Ende sich der eigentliche Schmelzherd mit dem Abstich befindet. Unter der Kammer befinden sich zwei Regeneratoren für Gasfeuerung. Ge- mahlene Eisenerze, wie Hämatit und Magneteisenstein oder geröstete Spaterze, sollten mit einem geringen Zusatz von Fluſsmitteln, wie Manganoxyd oder Mangankarbonat mit Fett, Teer oder ähnlichen kohlenstoffreichen Stoffen getränkt, und Kalk oder sonstige alkalische Substanzen, zuweilen mit einem Zusatz fester Kohle gemischt, durch Fülltrichter aufgegeben werden, so daſs sie auf die geneigte Sohle gelangen, wo sie von groſser Hitze und einem reduzierenden Gasstrom umspült werden. Das Eisen wird reduziert, schmilzt aus, und da die Charge auf den geneigten Boden allmählich herabgleitet, kann neue Beschickung eingefüllt werden, so daſs ein kontinuierlicher Betrieb stattfindet. Das geschmolzene Produkt war verschieden je nach Menge und Art der angewandten Reduktionsmittel, auch konnte man es durch Zusatz von Ferromangan, Spiegeleisen, Roheisen oder Schrott, oder auch durch Abstellen der reduzierenden Gase und Umrühren nach-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/110>, abgerufen am 26.04.2024.