1800 Tiegeln gegossenen Gussstahlblock von 521/2 Tonnen Gewicht, der unter dem grossen Dampfhammer "Fritz" achteckig geschmiedet war, aus, ferner vielerlei Achsen, Radreifen, Kurbeln, Scheibenräder, Walzen, Kanonen, Lafetten u. s. w. aus Gussstahl. Die Produktion des Essener Werkes betrug 1872 über 125000 Tonnen, die Arbeiter- zahl 10622. Krupps Produktion übertraf die des Bochumer Vereins für Bergbau- und Gussstahl-Fabrikation, dem nächst bedeutendsten Gussstahlwerke in Deutschland um das 21/2fache; seine Geschütz- ausstellung in Philadelphia war grossartig. Eine 351/2 cm-Kanone in Küstenlafette bildete das Hauptstück. Das Rohr war 8 m lang und wog 57,5 Tonnen. Eine gewaltige geschmiedete Schiffswelle mit drei Kurbeln und Kurbelscheibe für eine 2500pferdige Schiffs- maschine erregte Bewunderung. Ende der siebziger Jahre hatte die Bessemerstahl-Fabrikation in dem Kruppschen Werke sehr zu-, die Tiegelgussstahl-Fabrikation dagegen abgenommen; 1879 lieferte erstere 115895 Tonnen, letztere 8603 Tonnen, während die Gesamt- produktion von Stahl-, Guss- und Schmiedeeisen sich auf 153430 Tonnen belief.
Sehr mannigfaltig waren die Fortschritte der mechanischen Bearbeitung. Im allgemeinen baute man die Hämmer und Walzwerke stärker. 1872 führten Grillo, Funke & Co. zu Gelsenkirchen die Stevensonsche Friktionskupplung ein. 1873 liess Krupp eine hydraulische Haswellpresse von 750 Tonnen aufstellen. Das von R. M. Daelen erfundene Bandagenwalzwerk bewährte sich 1874. Im Jahre 1876 baute Krupp zwei Vorwalzwerke, um die Bessermerstahlblöcke für Eisenbahnschienen unmittelbar vorzuwalzen. Es waren mit Hebe- tischen ausgerüstete Triowalzwerke, die durch Corlissmaschinen von 550 Pferdestärken umgetrieben wurden. Desgleichen baute Hörde 1879 ein Trio zum Vorwalzen der Luppen. In diesem Jahre wurde Daelens Universal-Richtpresse und Roys Universal-Walzwerk für Feineisen patentiert. 1879 baute Helmholtz ein Walzwerk mit selbst- thätiger Rückführung der Walzstücke. Seit 1876 war die Eisen- produktion grösser als der Verbrauch, Deutschland also auf die Aus- fuhr von Eisen angewiesen.
War die Entwickelung der deutschen Eisenindustrie in den sieb- ziger Jahren schon eine erfreuliche gewesen, so gestaltete sie sich in dem folgenden Jahrzehnt noch viel grossartiger. Die Roheisen- produktion stieg 1881 bis 1890 von 2914 auf 4658 Kilotonnen. Der Schutzzoll und der rasche Aufschwung der Thomasstahlerzeugung im Jahre 1887 waren die wichtigsten Ursachen dieser Zunahme.
Deutschland (mit Luxemburg).
1800 Tiegeln gegossenen Guſsstahlblock von 52½ Tonnen Gewicht, der unter dem groſsen Dampfhammer „Fritz“ achteckig geschmiedet war, aus, ferner vielerlei Achsen, Radreifen, Kurbeln, Scheibenräder, Walzen, Kanonen, Lafetten u. s. w. aus Guſsstahl. Die Produktion des Essener Werkes betrug 1872 über 125000 Tonnen, die Arbeiter- zahl 10622. Krupps Produktion übertraf die des Bochumer Vereins für Bergbau- und Guſsstahl-Fabrikation, dem nächst bedeutendsten Guſsstahlwerke in Deutschland um das 2½fache; seine Geschütz- ausstellung in Philadelphia war groſsartig. Eine 35½ cm-Kanone in Küstenlafette bildete das Hauptstück. Das Rohr war 8 m lang und wog 57,5 Tonnen. Eine gewaltige geschmiedete Schiffswelle mit drei Kurbeln und Kurbelscheibe für eine 2500pferdige Schiffs- maschine erregte Bewunderung. Ende der siebziger Jahre hatte die Bessemerstahl-Fabrikation in dem Kruppschen Werke sehr zu-, die Tiegelguſsstahl-Fabrikation dagegen abgenommen; 1879 lieferte erstere 115895 Tonnen, letztere 8603 Tonnen, während die Gesamt- produktion von Stahl-, Guſs- und Schmiedeeisen sich auf 153430 Tonnen belief.
Sehr mannigfaltig waren die Fortschritte der mechanischen Bearbeitung. Im allgemeinen baute man die Hämmer und Walzwerke stärker. 1872 führten Grillo, Funke & Co. zu Gelsenkirchen die Stevensonsche Friktionskupplung ein. 1873 lieſs Krupp eine hydraulische Haswellpresse von 750 Tonnen aufstellen. Das von R. M. Daelen erfundene Bandagenwalzwerk bewährte sich 1874. Im Jahre 1876 baute Krupp zwei Vorwalzwerke, um die Bessermerstahlblöcke für Eisenbahnschienen unmittelbar vorzuwalzen. Es waren mit Hebe- tischen ausgerüstete Triowalzwerke, die durch Corliſsmaschinen von 550 Pferdestärken umgetrieben wurden. Desgleichen baute Hörde 1879 ein Trio zum Vorwalzen der Luppen. In diesem Jahre wurde Daelens Universal-Richtpresse und Roys Universal-Walzwerk für Feineisen patentiert. 1879 baute Helmholtz ein Walzwerk mit selbst- thätiger Rückführung der Walzstücke. Seit 1876 war die Eisen- produktion gröſser als der Verbrauch, Deutschland also auf die Aus- fuhr von Eisen angewiesen.
War die Entwickelung der deutschen Eisenindustrie in den sieb- ziger Jahren schon eine erfreuliche gewesen, so gestaltete sie sich in dem folgenden Jahrzehnt noch viel groſsartiger. Die Roheisen- produktion stieg 1881 bis 1890 von 2914 auf 4658 Kilotonnen. Der Schutzzoll und der rasche Aufschwung der Thomasstahlerzeugung im Jahre 1887 waren die wichtigsten Ursachen dieser Zunahme.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f1016"n="1000"/><fwplace="top"type="header">Deutschland (mit Luxemburg).</fw><lb/>
1800 Tiegeln gegossenen Guſsstahlblock von 52½ Tonnen Gewicht,<lb/>
der unter dem groſsen Dampfhammer „Fritz“ achteckig geschmiedet<lb/>
war, aus, ferner vielerlei Achsen, Radreifen, Kurbeln, Scheibenräder,<lb/>
Walzen, Kanonen, Lafetten u. s. w. aus Guſsstahl. Die Produktion<lb/>
des Essener Werkes betrug 1872 über 125000 Tonnen, die Arbeiter-<lb/>
zahl 10622. <hirendition="#g">Krupps</hi> Produktion übertraf die des Bochumer Vereins<lb/>
für Bergbau- und Guſsstahl-Fabrikation, dem nächst bedeutendsten<lb/>
Guſsstahlwerke in Deutschland um das 2½fache; seine Geschütz-<lb/>
ausstellung in Philadelphia war groſsartig. Eine 35½ cm-Kanone<lb/>
in Küstenlafette bildete das Hauptstück. Das Rohr war 8 m lang<lb/>
und wog 57,5 Tonnen. Eine gewaltige geschmiedete Schiffswelle<lb/>
mit drei Kurbeln und Kurbelscheibe für eine 2500pferdige Schiffs-<lb/>
maschine erregte Bewunderung. Ende der siebziger Jahre hatte<lb/>
die Bessemerstahl-Fabrikation in dem <hirendition="#g">Krupps</hi>chen Werke sehr zu-,<lb/>
die Tiegelguſsstahl-Fabrikation dagegen abgenommen; 1879 lieferte<lb/>
erstere 115895 Tonnen, letztere 8603 Tonnen, während die Gesamt-<lb/>
produktion von Stahl-, Guſs- und Schmiedeeisen sich auf 153430<lb/>
Tonnen belief.</p><lb/><p>Sehr mannigfaltig waren die <hirendition="#g">Fortschritte der mechanischen<lb/>
Bearbeitung</hi>. Im allgemeinen baute man die Hämmer und Walzwerke<lb/>
stärker. 1872 führten <hirendition="#g">Grillo, Funke & Co.</hi> zu Gelsenkirchen die<lb/><hirendition="#g">Stevensons</hi>che Friktionskupplung ein. 1873 lieſs <hirendition="#g">Krupp</hi> eine<lb/>
hydraulische Haswellpresse von 750 Tonnen aufstellen. Das von R. M.<lb/><hirendition="#g">Daelen</hi> erfundene Bandagenwalzwerk bewährte sich 1874. Im Jahre<lb/>
1876 baute <hirendition="#g">Krupp</hi> zwei Vorwalzwerke, um die Bessermerstahlblöcke<lb/>
für Eisenbahnschienen unmittelbar vorzuwalzen. Es waren mit Hebe-<lb/>
tischen ausgerüstete Triowalzwerke, die durch Corliſsmaschinen von<lb/>
550 Pferdestärken umgetrieben wurden. Desgleichen baute Hörde<lb/>
1879 ein Trio zum Vorwalzen der Luppen. In diesem Jahre wurde<lb/><hirendition="#g">Daelens</hi> Universal-Richtpresse und <hirendition="#g">Roys</hi> Universal-Walzwerk für<lb/>
Feineisen patentiert. 1879 baute <hirendition="#g">Helmholtz</hi> ein Walzwerk mit selbst-<lb/>
thätiger Rückführung der Walzstücke. Seit 1876 war die Eisen-<lb/>
produktion gröſser als der Verbrauch, Deutschland also auf die Aus-<lb/>
fuhr von Eisen angewiesen.</p><lb/><p>War die Entwickelung der deutschen Eisenindustrie in den sieb-<lb/>
ziger Jahren schon eine erfreuliche gewesen, so gestaltete sie sich<lb/>
in dem folgenden Jahrzehnt noch viel groſsartiger. Die Roheisen-<lb/>
produktion stieg 1881 bis 1890 von 2914 auf 4658 Kilotonnen. Der<lb/>
Schutzzoll und der rasche Aufschwung der Thomasstahlerzeugung<lb/>
im Jahre 1887 waren die wichtigsten Ursachen dieser Zunahme.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[1000/1016]
Deutschland (mit Luxemburg).
1800 Tiegeln gegossenen Guſsstahlblock von 52½ Tonnen Gewicht,
der unter dem groſsen Dampfhammer „Fritz“ achteckig geschmiedet
war, aus, ferner vielerlei Achsen, Radreifen, Kurbeln, Scheibenräder,
Walzen, Kanonen, Lafetten u. s. w. aus Guſsstahl. Die Produktion
des Essener Werkes betrug 1872 über 125000 Tonnen, die Arbeiter-
zahl 10622. Krupps Produktion übertraf die des Bochumer Vereins
für Bergbau- und Guſsstahl-Fabrikation, dem nächst bedeutendsten
Guſsstahlwerke in Deutschland um das 2½fache; seine Geschütz-
ausstellung in Philadelphia war groſsartig. Eine 35½ cm-Kanone
in Küstenlafette bildete das Hauptstück. Das Rohr war 8 m lang
und wog 57,5 Tonnen. Eine gewaltige geschmiedete Schiffswelle
mit drei Kurbeln und Kurbelscheibe für eine 2500pferdige Schiffs-
maschine erregte Bewunderung. Ende der siebziger Jahre hatte
die Bessemerstahl-Fabrikation in dem Kruppschen Werke sehr zu-,
die Tiegelguſsstahl-Fabrikation dagegen abgenommen; 1879 lieferte
erstere 115895 Tonnen, letztere 8603 Tonnen, während die Gesamt-
produktion von Stahl-, Guſs- und Schmiedeeisen sich auf 153430
Tonnen belief.
Sehr mannigfaltig waren die Fortschritte der mechanischen
Bearbeitung. Im allgemeinen baute man die Hämmer und Walzwerke
stärker. 1872 führten Grillo, Funke & Co. zu Gelsenkirchen die
Stevensonsche Friktionskupplung ein. 1873 lieſs Krupp eine
hydraulische Haswellpresse von 750 Tonnen aufstellen. Das von R. M.
Daelen erfundene Bandagenwalzwerk bewährte sich 1874. Im Jahre
1876 baute Krupp zwei Vorwalzwerke, um die Bessermerstahlblöcke
für Eisenbahnschienen unmittelbar vorzuwalzen. Es waren mit Hebe-
tischen ausgerüstete Triowalzwerke, die durch Corliſsmaschinen von
550 Pferdestärken umgetrieben wurden. Desgleichen baute Hörde
1879 ein Trio zum Vorwalzen der Luppen. In diesem Jahre wurde
Daelens Universal-Richtpresse und Roys Universal-Walzwerk für
Feineisen patentiert. 1879 baute Helmholtz ein Walzwerk mit selbst-
thätiger Rückführung der Walzstücke. Seit 1876 war die Eisen-
produktion gröſser als der Verbrauch, Deutschland also auf die Aus-
fuhr von Eisen angewiesen.
War die Entwickelung der deutschen Eisenindustrie in den sieb-
ziger Jahren schon eine erfreuliche gewesen, so gestaltete sie sich
in dem folgenden Jahrzehnt noch viel groſsartiger. Die Roheisen-
produktion stieg 1881 bis 1890 von 2914 auf 4658 Kilotonnen. Der
Schutzzoll und der rasche Aufschwung der Thomasstahlerzeugung
im Jahre 1887 waren die wichtigsten Ursachen dieser Zunahme.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1000. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1016>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.