ob das Eisen gut oder schlecht sei. Die Unreinigkeiten hätten nicht Zeit, sich abzuscheiden. Das Produkt sei ein verbranntes Eisen. Die wenige Schlacke, die dabei auftrete, sei durch das Schmelzen des Ofen- futters entstanden. Er giebt auch einen Abbrand von 40 Proz. an und meint, dass das Verfahren höchstens den Feinprozess ersetzen könne, wie dies schon Martien gethan.
In Deutschland hatte man nur sehr oberflächliche Versuche auf einigen Werken im Rheinlande und Westfalen und auf der Königshütte in Schlesien gemacht. Überall wendete man keinen stärker gepressten Wind an, als ihn das Hochofengebläse lieferte. Aus diesem Grunde blieben z. B. die Versuche zu Königshütte erfolglos. Diese ungenügenden Versuche reichten aber aus, um in das allgemeine Verdammungsurteil mit einzustimmen, welchem F. Bädecker in einem im Dezember 1856 in Westfalen gehaltenen Vortrage Ausdruck verlieh. Er behauptete, die durch die Verbrennung des Kohlenstoffs im Roheisen entwickelte Wärme reiche bei weitem nicht aus, das Eisen flüssig zu erhalten, dies müsse durch Verbrennen von Eisen geschehen, was den ganzen Prozess verwerflich mache. Gegen diese Schlagwörter, welche haupt- sächlich von Frankreich ausgegangen waren, trat noch im Jahre 1856 der Deutsche C. Schinz in Philadelphia auf, der im Gegensatz zu der technischen Presse der Vereinigten Staaten, welche an der neuen Erfindung kein gutes Haar liess 1), für Bessemer eintrat, indem er rechnungsmässig nachwies, dass die durch die Verbrennung des Kohlenstoffs entwickelte Wärme, welche unter den denkbar günstigsten Bedingungen erfolge, eine sehr bedeutende sei und voll zur Wirkung komme. Er berechnet, dass, wenn bei dem Prozess 21/2 Proz. Kohlen- stoff zu Kohlenoxydgas und 10 Proz. Eisen zu Eisenoxyd verbrenne, eine Temperaturerhöhung der Schmelzmasse von 953° C. entstehe, welche durchaus hinreichend sei, um das entkohlte Eisen flüssig zu erhalten. Durch diese geistreiche Arbeit wurde ein sehr wichtiger Punkt klar gestellt und den Gegnern eine Hauptwaffe entwunden.
Ein allgemeiner Fehler war es, dass anfangs alle Versuche, die mit dem Bessemerverfahren gemacht wurden, in viel zu kleinem Mass- stabe und mit zu kleinen Mengen vorgenommen wurden. Trotzdem gaben auch solche mit ruhigem Urteil und ohne Voreingenommenheit angestellte Versuche nicht immer negative Resultate. So stellte beispielsweise Dr. Ebermeyer zu Heinrichshütte bei Lobenstein solche Versuche an. Er baute sich ein kleines Öfchen nach Bessemers
1) Vergl. Jeans, Steel, S. 58.
Henry Bessemer und seine Erfindung.
ob das Eisen gut oder schlecht sei. Die Unreinigkeiten hätten nicht Zeit, sich abzuscheiden. Das Produkt sei ein verbranntes Eisen. Die wenige Schlacke, die dabei auftrete, sei durch das Schmelzen des Ofen- futters entstanden. Er giebt auch einen Abbrand von 40 Proz. an und meint, daſs das Verfahren höchstens den Feinprozeſs ersetzen könne, wie dies schon Martien gethan.
In Deutschland hatte man nur sehr oberflächliche Versuche auf einigen Werken im Rheinlande und Westfalen und auf der Königshütte in Schlesien gemacht. Überall wendete man keinen stärker gepreſsten Wind an, als ihn das Hochofengebläse lieferte. Aus diesem Grunde blieben z. B. die Versuche zu Königshütte erfolglos. Diese ungenügenden Versuche reichten aber aus, um in das allgemeine Verdammungsurteil mit einzustimmen, welchem F. Bädecker in einem im Dezember 1856 in Westfalen gehaltenen Vortrage Ausdruck verlieh. Er behauptete, die durch die Verbrennung des Kohlenstoffs im Roheisen entwickelte Wärme reiche bei weitem nicht aus, das Eisen flüssig zu erhalten, dies müsse durch Verbrennen von Eisen geschehen, was den ganzen Prozeſs verwerflich mache. Gegen diese Schlagwörter, welche haupt- sächlich von Frankreich ausgegangen waren, trat noch im Jahre 1856 der Deutsche C. Schinz in Philadelphia auf, der im Gegensatz zu der technischen Presse der Vereinigten Staaten, welche an der neuen Erfindung kein gutes Haar lieſs 1), für Bessemer eintrat, indem er rechnungsmäſsig nachwies, daſs die durch die Verbrennung des Kohlenstoffs entwickelte Wärme, welche unter den denkbar günstigsten Bedingungen erfolge, eine sehr bedeutende sei und voll zur Wirkung komme. Er berechnet, daſs, wenn bei dem Prozeſs 2½ Proz. Kohlen- stoff zu Kohlenoxydgas und 10 Proz. Eisen zu Eisenoxyd verbrenne, eine Temperaturerhöhung der Schmelzmasse von 953° C. entstehe, welche durchaus hinreichend sei, um das entkohlte Eisen flüssig zu erhalten. Durch diese geistreiche Arbeit wurde ein sehr wichtiger Punkt klar gestellt und den Gegnern eine Hauptwaffe entwunden.
Ein allgemeiner Fehler war es, daſs anfangs alle Versuche, die mit dem Bessemerverfahren gemacht wurden, in viel zu kleinem Maſs- stabe und mit zu kleinen Mengen vorgenommen wurden. Trotzdem gaben auch solche mit ruhigem Urteil und ohne Voreingenommenheit angestellte Versuche nicht immer negative Resultate. So stellte beispielsweise Dr. Ebermeyer zu Heinrichshütte bei Lobenstein solche Versuche an. Er baute sich ein kleines Öfchen nach Bessemers
1) Vergl. Jeans, Steel, S. 58.
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Henry Bessemer und seine Erfindung.
ob das Eisen gut oder schlecht sei. Die Unreinigkeiten hätten nicht
Zeit, sich abzuscheiden. Das Produkt sei ein verbranntes Eisen. Die
wenige Schlacke, die dabei auftrete, sei durch das Schmelzen des Ofen-
futters entstanden. Er giebt auch einen Abbrand von 40 Proz. an
und meint, daſs das Verfahren höchstens den Feinprozeſs ersetzen
könne, wie dies schon Martien gethan.
In Deutschland hatte man nur sehr oberflächliche Versuche auf
einigen Werken im Rheinlande und Westfalen und auf der Königshütte
in Schlesien gemacht. Überall wendete man keinen stärker gepreſsten
Wind an, als ihn das Hochofengebläse lieferte. Aus diesem Grunde
blieben z. B. die Versuche zu Königshütte erfolglos. Diese ungenügenden
Versuche reichten aber aus, um in das allgemeine Verdammungsurteil
mit einzustimmen, welchem F. Bädecker in einem im Dezember 1856
in Westfalen gehaltenen Vortrage Ausdruck verlieh. Er behauptete,
die durch die Verbrennung des Kohlenstoffs im Roheisen entwickelte
Wärme reiche bei weitem nicht aus, das Eisen flüssig zu erhalten,
dies müsse durch Verbrennen von Eisen geschehen, was den ganzen
Prozeſs verwerflich mache. Gegen diese Schlagwörter, welche haupt-
sächlich von Frankreich ausgegangen waren, trat noch im Jahre
1856 der Deutsche C. Schinz in Philadelphia auf, der im Gegensatz
zu der technischen Presse der Vereinigten Staaten, welche an der
neuen Erfindung kein gutes Haar lieſs 1), für Bessemer eintrat, indem
er rechnungsmäſsig nachwies, daſs die durch die Verbrennung des
Kohlenstoffs entwickelte Wärme, welche unter den denkbar günstigsten
Bedingungen erfolge, eine sehr bedeutende sei und voll zur Wirkung
komme. Er berechnet, daſs, wenn bei dem Prozeſs 2½ Proz. Kohlen-
stoff zu Kohlenoxydgas und 10 Proz. Eisen zu Eisenoxyd verbrenne,
eine Temperaturerhöhung der Schmelzmasse von 953° C. entstehe,
welche durchaus hinreichend sei, um das entkohlte Eisen flüssig zu
erhalten. Durch diese geistreiche Arbeit wurde ein sehr wichtiger
Punkt klar gestellt und den Gegnern eine Hauptwaffe entwunden.
Ein allgemeiner Fehler war es, daſs anfangs alle Versuche, die
mit dem Bessemerverfahren gemacht wurden, in viel zu kleinem Maſs-
stabe und mit zu kleinen Mengen vorgenommen wurden. Trotzdem
gaben auch solche mit ruhigem Urteil und ohne Voreingenommenheit
angestellte Versuche nicht immer negative Resultate. So stellte
beispielsweise Dr. Ebermeyer zu Heinrichshütte bei Lobenstein solche
Versuche an. Er baute sich ein kleines Öfchen nach Bessemers
1) Vergl. Jeans, Steel, S. 58.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 928. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/944>, abgerufen am 23.11.2024.
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