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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Henry Bessemer und seine Erfindung.
sammelt, wie sich die verschiedenen Roheisensorten bei seinem Ver-
fahren verhielten. Durch glücklichen Zufall mehr als durch Über-
legung hatte er von Anfang an eine sehr reine und für seinen Prozess
geeignete Roheisensorte gewählt. Es war dies kalt erblasenes, graues
Roheisen von den Bleanavon-Works. Als man nun geringere Eisen-
sorten der Operation unterwarf, fiel auch das Produkt sehr mangel-
haft aus.

Bessemer glaubte mit seinem Prozess guten Werkzeugstahl für
die Sheffielder Stahlindustrie liefern zu können: dies war das Ziel,
das ihm in früheren Jahren vorschwebte und sein Vortrag musste den
Glauben erwecken, dass ihm dies gelungen sei. Da nun das Produkt,
welches bei den Versuchen zustande kam, von gutem Gussstahl noch
sehr weit entfernt war, so war das hüttenmännische Publikum schnell
fertig mit seinem Verdammungsurteil. Dazu kamen noch persönliche
Interessen. Der ganze Puddelprozess und damit alle Puddelwerke
schienen durch Bessemers Erfindung, wenn sie sich bewährte, in
ihrem Bestande bedroht. Dass diese mächtige Industrie, in welcher
damals der Schwerpunkt der Stabeisenbereitung lag, sich von vorn-
herein feindlich dem neuen Verfahren gegenüberstellte, war erklärlich,
und indem sie dasselbe bemängelte und verkleinerte, handelte sie zum
Teil aus Notwehr. Nur hieraus lässt sich die gehässige Stimmung ver-
stehen, welche die Industriellen der neuen Erfindung entgegenbrachten.
Der schlechte Erfolg einiger mangelhafter Versuche genügte in den
meisten Fällen, den Stab über das Verfahren zu brechen. Namentlich
war dies in England der Fall. Geduld und guten Willen zeigte hier
eigentlich nur Bessemer selbst.

Indessen fielen auch in England nicht alle Versuche schlecht
aus. Auf dem grossen Eisenwerk zu Dowlais, deren Besitzer mit
Bessemer in ein Vertragsverhältnis getreten waren, erzielte man mit
den Versuchen nach des Erfinders Angaben ganz gute Erfolge. Die
Ebbw-Vale-Gesellschaft nahm dagegen eine feindliche Stellung ein.
Ihre Versuche mit dem neuen Verfahren waren nicht günstig aus-
gefallen, ausserdem hatten sie das Patent des Amerikaners Martien
erworben, um es auszubeuten oder, wie andere Stimmen behaupteten,
um damit Bessemers Patent zu umgehen.

Versuche in den Werkstätten der britischen Nordbahn und auf
dem Hüttenwerk St. Pancras waren gleichfalls ungünstig ausgefallen.
Den grössten Einfluss auf das englische Urteil übten aber die Ver-
suche, die seitens der Regierung zu Woolwich mit dem Bessemer-
stahl gemacht wurden. Diese Versuche wurden schon sehr bald nach

Henry Bessemer und seine Erfindung.
sammelt, wie sich die verschiedenen Roheisensorten bei seinem Ver-
fahren verhielten. Durch glücklichen Zufall mehr als durch Über-
legung hatte er von Anfang an eine sehr reine und für seinen Prozeſs
geeignete Roheisensorte gewählt. Es war dies kalt erblasenes, graues
Roheisen von den Bleanavon-Works. Als man nun geringere Eisen-
sorten der Operation unterwarf, fiel auch das Produkt sehr mangel-
haft aus.

Bessemer glaubte mit seinem Prozeſs guten Werkzeugstahl für
die Sheffielder Stahlindustrie liefern zu können: dies war das Ziel,
das ihm in früheren Jahren vorschwebte und sein Vortrag muſste den
Glauben erwecken, daſs ihm dies gelungen sei. Da nun das Produkt,
welches bei den Versuchen zustande kam, von gutem Guſsstahl noch
sehr weit entfernt war, so war das hüttenmännische Publikum schnell
fertig mit seinem Verdammungsurteil. Dazu kamen noch persönliche
Interessen. Der ganze Puddelprozeſs und damit alle Puddelwerke
schienen durch Bessemers Erfindung, wenn sie sich bewährte, in
ihrem Bestande bedroht. Daſs diese mächtige Industrie, in welcher
damals der Schwerpunkt der Stabeisenbereitung lag, sich von vorn-
herein feindlich dem neuen Verfahren gegenüberstellte, war erklärlich,
und indem sie dasselbe bemängelte und verkleinerte, handelte sie zum
Teil aus Notwehr. Nur hieraus läſst sich die gehässige Stimmung ver-
stehen, welche die Industriellen der neuen Erfindung entgegenbrachten.
Der schlechte Erfolg einiger mangelhafter Versuche genügte in den
meisten Fällen, den Stab über das Verfahren zu brechen. Namentlich
war dies in England der Fall. Geduld und guten Willen zeigte hier
eigentlich nur Bessemer selbst.

Indessen fielen auch in England nicht alle Versuche schlecht
aus. Auf dem groſsen Eisenwerk zu Dowlais, deren Besitzer mit
Bessemer in ein Vertragsverhältnis getreten waren, erzielte man mit
den Versuchen nach des Erfinders Angaben ganz gute Erfolge. Die
Ebbw-Vale-Gesellschaft nahm dagegen eine feindliche Stellung ein.
Ihre Versuche mit dem neuen Verfahren waren nicht günstig aus-
gefallen, auſserdem hatten sie das Patent des Amerikaners Martien
erworben, um es auszubeuten oder, wie andere Stimmen behaupteten,
um damit Bessemers Patent zu umgehen.

Versuche in den Werkstätten der britischen Nordbahn und auf
dem Hüttenwerk St. Pancras waren gleichfalls ungünstig ausgefallen.
Den gröſsten Einfluſs auf das englische Urteil übten aber die Ver-
suche, die seitens der Regierung zu Woolwich mit dem Bessemer-
stahl gemacht wurden. Diese Versuche wurden schon sehr bald nach

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[925/0941] Henry Bessemer und seine Erfindung. sammelt, wie sich die verschiedenen Roheisensorten bei seinem Ver- fahren verhielten. Durch glücklichen Zufall mehr als durch Über- legung hatte er von Anfang an eine sehr reine und für seinen Prozeſs geeignete Roheisensorte gewählt. Es war dies kalt erblasenes, graues Roheisen von den Bleanavon-Works. Als man nun geringere Eisen- sorten der Operation unterwarf, fiel auch das Produkt sehr mangel- haft aus. Bessemer glaubte mit seinem Prozeſs guten Werkzeugstahl für die Sheffielder Stahlindustrie liefern zu können: dies war das Ziel, das ihm in früheren Jahren vorschwebte und sein Vortrag muſste den Glauben erwecken, daſs ihm dies gelungen sei. Da nun das Produkt, welches bei den Versuchen zustande kam, von gutem Guſsstahl noch sehr weit entfernt war, so war das hüttenmännische Publikum schnell fertig mit seinem Verdammungsurteil. Dazu kamen noch persönliche Interessen. Der ganze Puddelprozeſs und damit alle Puddelwerke schienen durch Bessemers Erfindung, wenn sie sich bewährte, in ihrem Bestande bedroht. Daſs diese mächtige Industrie, in welcher damals der Schwerpunkt der Stabeisenbereitung lag, sich von vorn- herein feindlich dem neuen Verfahren gegenüberstellte, war erklärlich, und indem sie dasselbe bemängelte und verkleinerte, handelte sie zum Teil aus Notwehr. Nur hieraus läſst sich die gehässige Stimmung ver- stehen, welche die Industriellen der neuen Erfindung entgegenbrachten. Der schlechte Erfolg einiger mangelhafter Versuche genügte in den meisten Fällen, den Stab über das Verfahren zu brechen. Namentlich war dies in England der Fall. Geduld und guten Willen zeigte hier eigentlich nur Bessemer selbst. Indessen fielen auch in England nicht alle Versuche schlecht aus. Auf dem groſsen Eisenwerk zu Dowlais, deren Besitzer mit Bessemer in ein Vertragsverhältnis getreten waren, erzielte man mit den Versuchen nach des Erfinders Angaben ganz gute Erfolge. Die Ebbw-Vale-Gesellschaft nahm dagegen eine feindliche Stellung ein. Ihre Versuche mit dem neuen Verfahren waren nicht günstig aus- gefallen, auſserdem hatten sie das Patent des Amerikaners Martien erworben, um es auszubeuten oder, wie andere Stimmen behaupteten, um damit Bessemers Patent zu umgehen. Versuche in den Werkstätten der britischen Nordbahn und auf dem Hüttenwerk St. Pancras waren gleichfalls ungünstig ausgefallen. Den gröſsten Einfluſs auf das englische Urteil übten aber die Ver- suche, die seitens der Regierung zu Woolwich mit dem Bessemer- stahl gemacht wurden. Diese Versuche wurden schon sehr bald nach

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 925. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/941>, abgerufen am 23.11.2024.