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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Henry Bessemer und seine Erfindung.

Bessemer hatte in diesem Vortrage den Verlauf des Prozesses, wie
er sich später entwickelt hat und wie wir ihn kennen, bereits richtig
geschildert. Er hatte aber die Ausführung desselben, welche verblüffend
einfach erschien, als viel zu leicht hingestellt. Das, was er in seinem
Vortrage schilderte, war das, was ihm vorschwebte, keineswegs das, was
er schon erreicht hatte. Wenn er auch damals schon so weit gekommen
war, dass er von der Ausführbarkeit des Prozesses überzeugt sein
konnte, so hatte er den richtigen Weg für die Ausführung im grossen
doch noch nicht gefunden. Er war immer noch am Suchen und tappte
noch vielfach in der Irre, wie aus seinen verschiedenartigen Vorschlägen
und Versuchen in den folgenden Jahren hervorgeht. Dadurch, dass
er seine Erfindung aber als etwas Fertiges schilderte und die Aus-
führung als so leicht hinstellte, trug er selbst zu den zahlreichen und
grossen Enttäuschungen bei, welche die Versuche Vielen bereiteten
und welche ihm die Gegnerschaft des grössten Teils der Eisenhütten-
leute und die absprechenden, ungerechten Urteile über seinen Prozess
von allen Seiten in den folgenden Jahren zuzogen. Es entwickelte
sich dadurch, dass die Versuche, die auf Bessemers Vortrag hin
jeder machen zu können glaubte, den Erwartungen nicht entsprachen,
eine förmliche Animosität gegen Bessemer in der Presse und seine
eigenen Landsleute rissen ihn am meisten herunter und einige, wie
namentlich David Hearne, der einflussreiche Redakteur des Mining
Journal in London, gingen so weit, Bessemer jede Originalität und
jedes Verdienst an seiner Erfindung abzusprechen, welche nur eine
Nachahmung des Verfahrens des Amerikaners Jos. Gilb. Martien
von New Jersey sei. Diese Behauptung war ungerecht, unpatriotisch
und absurd.

Henry Bessemers Erfindung war originell in höchstem Grade.
Gerade ihre Originalität, ihre Neuheit erregte das grosse Aufsehen und
rief eine allgemeine Aufregung in der technischen Welt hervor. Kein
Mensch hatte vor Bessemer zu behaupten gewagt, dass man Roheisen
ohne Brennmaterial in Stahl und Schmiedeeisen verwandeln könne
und dass man durch blosses Durchblasen von Luft durch Roheisen
nicht nur dieses in Stahl und Stabeisen verwandeln, sondern auch
eine Hitze erzeugen könne, dass nicht nur Stahl, sondern auch Stab-
eisen flüssig wie Wasser bleibe. Eine originellere Erfindung ist kaum
jemals gemacht worden und es war auch mehr eine Entdeckung,
welche Bessemer machte, als eine Erfindung. Der technischen Welt
erschien sie mit Recht als ein vollständiges Novum. Keine Erfindung,
die auf bekannten Naturgesetzen beruht, tritt aber ganz unvermittelt

Henry Bessemer und seine Erfindung.

Bessemer hatte in diesem Vortrage den Verlauf des Prozesses, wie
er sich später entwickelt hat und wie wir ihn kennen, bereits richtig
geschildert. Er hatte aber die Ausführung desselben, welche verblüffend
einfach erschien, als viel zu leicht hingestellt. Das, was er in seinem
Vortrage schilderte, war das, was ihm vorschwebte, keineswegs das, was
er schon erreicht hatte. Wenn er auch damals schon so weit gekommen
war, daſs er von der Ausführbarkeit des Prozesses überzeugt sein
konnte, so hatte er den richtigen Weg für die Ausführung im groſsen
doch noch nicht gefunden. Er war immer noch am Suchen und tappte
noch vielfach in der Irre, wie aus seinen verschiedenartigen Vorschlägen
und Versuchen in den folgenden Jahren hervorgeht. Dadurch, daſs
er seine Erfindung aber als etwas Fertiges schilderte und die Aus-
führung als so leicht hinstellte, trug er selbst zu den zahlreichen und
groſsen Enttäuschungen bei, welche die Versuche Vielen bereiteten
und welche ihm die Gegnerschaft des gröſsten Teils der Eisenhütten-
leute und die absprechenden, ungerechten Urteile über seinen Prozeſs
von allen Seiten in den folgenden Jahren zuzogen. Es entwickelte
sich dadurch, daſs die Versuche, die auf Bessemers Vortrag hin
jeder machen zu können glaubte, den Erwartungen nicht entsprachen,
eine förmliche Animosität gegen Bessemer in der Presse und seine
eigenen Landsleute rissen ihn am meisten herunter und einige, wie
namentlich David Hearne, der einfluſsreiche Redakteur des Mining
Journal in London, gingen so weit, Bessemer jede Originalität und
jedes Verdienst an seiner Erfindung abzusprechen, welche nur eine
Nachahmung des Verfahrens des Amerikaners Jos. Gilb. Martien
von New Jersey sei. Diese Behauptung war ungerecht, unpatriotisch
und absurd.

Henry Bessemers Erfindung war originell in höchstem Grade.
Gerade ihre Originalität, ihre Neuheit erregte das groſse Aufsehen und
rief eine allgemeine Aufregung in der technischen Welt hervor. Kein
Mensch hatte vor Bessemer zu behaupten gewagt, daſs man Roheisen
ohne Brennmaterial in Stahl und Schmiedeeisen verwandeln könne
und daſs man durch bloſses Durchblasen von Luft durch Roheisen
nicht nur dieses in Stahl und Stabeisen verwandeln, sondern auch
eine Hitze erzeugen könne, daſs nicht nur Stahl, sondern auch Stab-
eisen flüssig wie Wasser bleibe. Eine originellere Erfindung ist kaum
jemals gemacht worden und es war auch mehr eine Entdeckung,
welche Bessemer machte, als eine Erfindung. Der technischen Welt
erschien sie mit Recht als ein vollständiges Novum. Keine Erfindung,
die auf bekannten Naturgesetzen beruht, tritt aber ganz unvermittelt

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[908/0924] Henry Bessemer und seine Erfindung. Bessemer hatte in diesem Vortrage den Verlauf des Prozesses, wie er sich später entwickelt hat und wie wir ihn kennen, bereits richtig geschildert. Er hatte aber die Ausführung desselben, welche verblüffend einfach erschien, als viel zu leicht hingestellt. Das, was er in seinem Vortrage schilderte, war das, was ihm vorschwebte, keineswegs das, was er schon erreicht hatte. Wenn er auch damals schon so weit gekommen war, daſs er von der Ausführbarkeit des Prozesses überzeugt sein konnte, so hatte er den richtigen Weg für die Ausführung im groſsen doch noch nicht gefunden. Er war immer noch am Suchen und tappte noch vielfach in der Irre, wie aus seinen verschiedenartigen Vorschlägen und Versuchen in den folgenden Jahren hervorgeht. Dadurch, daſs er seine Erfindung aber als etwas Fertiges schilderte und die Aus- führung als so leicht hinstellte, trug er selbst zu den zahlreichen und groſsen Enttäuschungen bei, welche die Versuche Vielen bereiteten und welche ihm die Gegnerschaft des gröſsten Teils der Eisenhütten- leute und die absprechenden, ungerechten Urteile über seinen Prozeſs von allen Seiten in den folgenden Jahren zuzogen. Es entwickelte sich dadurch, daſs die Versuche, die auf Bessemers Vortrag hin jeder machen zu können glaubte, den Erwartungen nicht entsprachen, eine förmliche Animosität gegen Bessemer in der Presse und seine eigenen Landsleute rissen ihn am meisten herunter und einige, wie namentlich David Hearne, der einfluſsreiche Redakteur des Mining Journal in London, gingen so weit, Bessemer jede Originalität und jedes Verdienst an seiner Erfindung abzusprechen, welche nur eine Nachahmung des Verfahrens des Amerikaners Jos. Gilb. Martien von New Jersey sei. Diese Behauptung war ungerecht, unpatriotisch und absurd. Henry Bessemers Erfindung war originell in höchstem Grade. Gerade ihre Originalität, ihre Neuheit erregte das groſse Aufsehen und rief eine allgemeine Aufregung in der technischen Welt hervor. Kein Mensch hatte vor Bessemer zu behaupten gewagt, daſs man Roheisen ohne Brennmaterial in Stahl und Schmiedeeisen verwandeln könne und daſs man durch bloſses Durchblasen von Luft durch Roheisen nicht nur dieses in Stahl und Stabeisen verwandeln, sondern auch eine Hitze erzeugen könne, daſs nicht nur Stahl, sondern auch Stab- eisen flüssig wie Wasser bleibe. Eine originellere Erfindung ist kaum jemals gemacht worden und es war auch mehr eine Entdeckung, welche Bessemer machte, als eine Erfindung. Der technischen Welt erschien sie mit Recht als ein vollständiges Novum. Keine Erfindung, die auf bekannten Naturgesetzen beruht, tritt aber ganz unvermittelt

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 908. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/924>, abgerufen am 23.11.2024.