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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Henry Bessemer und seine Erfindung.
stellte." -- Hätte ich nicht durch den Licenzverkauf das zur Er-
richtung einer Fabrik nötige Kapital erhalten, so wäre ich nicht im
stande gewesen, die nötigen Experimente zu machen. Ich hatte zwar
fünf mächtige Freunde erworben, von denen jeder einen jährlichen
Vorteil von 10000 £ vor seinen Kollegen voraus hatte, wenn meine
Sache ging, allein sie thaten nichts dafür, sie betrachteten meine Er-
findung vielmehr, wie die Phrase damals lautete, als "ein Meteor, das
durch die metallurgische Welt geflogen sei, das aber nichts als Funken
hinter sich gelassen habe". Niemand wollte mehr von meiner Er-
findung etwas wissen und ich hatte unendliche Schwierigkeiten, um
nur einen Industriellen von den Vorteilen meines Verfahrens zu über-
zeugen. Mit diesem, einem Herrn Galloway zu Sheffield, musste
Bessemer selbst eine Fabrik gründen. -- So stand die Sache 1859.

Ehe wir Bessemers Bericht weiter verfolgen, wollen wir den
technischen Verlauf seiner Versuche und Erfindungen näher betrachten.
Er sagt darüber in seinem epochemachenden
Vortrag zu Cheltenham am 16. August 1856 1),
er habe sich seit mehreren Jahren fast aus-
schliesslich mit Verbesserungen in der Fabri-
kation von Stabeisen und Stahl beschäftigt.
Wiederholt habe er Öfen gebaut, davon grosse
Mengen von Eisen ohne Erfolg behandelt
und sie dann wieder abgerissen. Hierbei
habe er aber zahlreiche Beobachtungen ge-
macht, welche ihn zu ganz neuen An-
schauungen führten, namentlich zu der Er-
kenntnis, dass man ohne Brennmaterial, durch

[Abbildung] Fig. 313.
blosses Einblasen von Luft in das flüssige Eisen, eine weit grössere
Hitze entwickeln könne als mit den bisherigen Mitteln, wodurch man
nicht nur die Kosten des Brennmaterials spare, sondern auch dessen
nachteiligen Einfluss auf das Eisen vermeide. Bessemer machte an-
fänglich seine Versuche mit Eisenmengen von 10 bis 20 Pfund, die
ihm, obgleich der Prozess mit vielen Schwierigkeiten verbunden war,
das Gelingen desselben nachwiesen. Es geschah dies in einem 40 Pfund
fassenden Thontiegel (Fig. 313) in einem gewöhnlichen Windofen. Nach-
dem 10 bis 12 Pfund Roheisen eingeschmolzen waren, wurde eine Thon-
röhre eingeführt, um einen Windstrom in das geschmolzene Metall
einzublasen. Er erhielt auf diese Weise wirklich Schmiedeeisen, von

1) Siehe Dinglers polyt. Journal 1856, Bd. 141, S. 423.

Henry Bessemer und seine Erfindung.
stellte.“ — Hätte ich nicht durch den Licenzverkauf das zur Er-
richtung einer Fabrik nötige Kapital erhalten, so wäre ich nicht im
stande gewesen, die nötigen Experimente zu machen. Ich hatte zwar
fünf mächtige Freunde erworben, von denen jeder einen jährlichen
Vorteil von 10000 £ vor seinen Kollegen voraus hatte, wenn meine
Sache ging, allein sie thaten nichts dafür, sie betrachteten meine Er-
findung vielmehr, wie die Phrase damals lautete, als „ein Meteor, das
durch die metallurgische Welt geflogen sei, das aber nichts als Funken
hinter sich gelassen habe“. Niemand wollte mehr von meiner Er-
findung etwas wissen und ich hatte unendliche Schwierigkeiten, um
nur einen Industriellen von den Vorteilen meines Verfahrens zu über-
zeugen. Mit diesem, einem Herrn Galloway zu Sheffield, muſste
Bessemer selbst eine Fabrik gründen. — So stand die Sache 1859.

Ehe wir Bessemers Bericht weiter verfolgen, wollen wir den
technischen Verlauf seiner Versuche und Erfindungen näher betrachten.
Er sagt darüber in seinem epochemachenden
Vortrag zu Cheltenham am 16. August 1856 1),
er habe sich seit mehreren Jahren fast aus-
schlieſslich mit Verbesserungen in der Fabri-
kation von Stabeisen und Stahl beschäftigt.
Wiederholt habe er Öfen gebaut, davon groſse
Mengen von Eisen ohne Erfolg behandelt
und sie dann wieder abgerissen. Hierbei
habe er aber zahlreiche Beobachtungen ge-
macht, welche ihn zu ganz neuen An-
schauungen führten, namentlich zu der Er-
kenntnis, daſs man ohne Brennmaterial, durch

[Abbildung] Fig. 313.
bloſses Einblasen von Luft in das flüssige Eisen, eine weit gröſsere
Hitze entwickeln könne als mit den bisherigen Mitteln, wodurch man
nicht nur die Kosten des Brennmaterials spare, sondern auch dessen
nachteiligen Einfluſs auf das Eisen vermeide. Bessemer machte an-
fänglich seine Versuche mit Eisenmengen von 10 bis 20 Pfund, die
ihm, obgleich der Prozeſs mit vielen Schwierigkeiten verbunden war,
das Gelingen desselben nachwiesen. Es geschah dies in einem 40 Pfund
fassenden Thontiegel (Fig. 313) in einem gewöhnlichen Windofen. Nach-
dem 10 bis 12 Pfund Roheisen eingeschmolzen waren, wurde eine Thon-
röhre eingeführt, um einen Windstrom in das geschmolzene Metall
einzublasen. Er erhielt auf diese Weise wirklich Schmiedeeisen, von

1) Siehe Dinglers polyt. Journal 1856, Bd. 141, S. 423.
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[905/0921] Henry Bessemer und seine Erfindung. stellte.“ — Hätte ich nicht durch den Licenzverkauf das zur Er- richtung einer Fabrik nötige Kapital erhalten, so wäre ich nicht im stande gewesen, die nötigen Experimente zu machen. Ich hatte zwar fünf mächtige Freunde erworben, von denen jeder einen jährlichen Vorteil von 10000 £ vor seinen Kollegen voraus hatte, wenn meine Sache ging, allein sie thaten nichts dafür, sie betrachteten meine Er- findung vielmehr, wie die Phrase damals lautete, als „ein Meteor, das durch die metallurgische Welt geflogen sei, das aber nichts als Funken hinter sich gelassen habe“. Niemand wollte mehr von meiner Er- findung etwas wissen und ich hatte unendliche Schwierigkeiten, um nur einen Industriellen von den Vorteilen meines Verfahrens zu über- zeugen. Mit diesem, einem Herrn Galloway zu Sheffield, muſste Bessemer selbst eine Fabrik gründen. — So stand die Sache 1859. Ehe wir Bessemers Bericht weiter verfolgen, wollen wir den technischen Verlauf seiner Versuche und Erfindungen näher betrachten. Er sagt darüber in seinem epochemachenden Vortrag zu Cheltenham am 16. August 1856 1), er habe sich seit mehreren Jahren fast aus- schlieſslich mit Verbesserungen in der Fabri- kation von Stabeisen und Stahl beschäftigt. Wiederholt habe er Öfen gebaut, davon groſse Mengen von Eisen ohne Erfolg behandelt und sie dann wieder abgerissen. Hierbei habe er aber zahlreiche Beobachtungen ge- macht, welche ihn zu ganz neuen An- schauungen führten, namentlich zu der Er- kenntnis, daſs man ohne Brennmaterial, durch [Abbildung Fig. 313.] bloſses Einblasen von Luft in das flüssige Eisen, eine weit gröſsere Hitze entwickeln könne als mit den bisherigen Mitteln, wodurch man nicht nur die Kosten des Brennmaterials spare, sondern auch dessen nachteiligen Einfluſs auf das Eisen vermeide. Bessemer machte an- fänglich seine Versuche mit Eisenmengen von 10 bis 20 Pfund, die ihm, obgleich der Prozeſs mit vielen Schwierigkeiten verbunden war, das Gelingen desselben nachwiesen. Es geschah dies in einem 40 Pfund fassenden Thontiegel (Fig. 313) in einem gewöhnlichen Windofen. Nach- dem 10 bis 12 Pfund Roheisen eingeschmolzen waren, wurde eine Thon- röhre eingeführt, um einen Windstrom in das geschmolzene Metall einzublasen. Er erhielt auf diese Weise wirklich Schmiedeeisen, von 1) Siehe Dinglers polyt. Journal 1856, Bd. 141, S. 423.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 905. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/921>, abgerufen am 23.11.2024.