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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
selbst 1000 Pfd. an, so bleiben immer noch 4670 Pfd. Kohlenstoff
übrig. Hierzu wären 13291 Pfd. Wind erforderlich, und es sind nur
10166 gebraucht worden. Diese Menge reicht nicht hin, allen Kohlen-
stoff in Kohlensäure zu verwandeln. Einigen Einfluss hat der nie
fehlende Wassergehalt der Luft. Sodann fragt es sich aber, ob denn
wirklich aller Kohlenstoff zu Kohlensäure verbrennt und ob nicht ein
Teil desselben in der niedrigeren Oxydationsstufe als Kohlenoxydgas
entweicht. Dieses erfordert viel weniger Sauerstoff, indem hierbei
nur 48 Tle. Sauerstoff auf 52 Tle. Kohlenstoff kommen. Sieht man
genauer zu, wie sich die Verbrennung im Hochofen vollzieht, so kann
dies gar nicht anders sein. Denn wenn auch unmittelbar vor der
Form aller Kohlenstoff zu Kohlensäure verbrennt, so trifft die gebil-
dete Kohlensäure bei ihrem Aufsteigen im Hochofen auf glühende
Kohlen, welche die Kohlensäure zu Kohlenoxydgas reduzieren. An
der Ofengicht strömt nicht bloss Kohlensäure, sondern auch Kohlen-
oxydgas aus, wodurch die bläuliche Gichtflamme erst entsteht. Der
Wasserdampf der feuchten Luft wird, indem er auf die glühenden
Kohlen trifft, ebenfalls zersetzt und zwar so, dass sich sein Sauerstoff
mit der Kohle zu Kohlenoxydgas, sein Wasserstoff zu Kohlenwasser-
stoffgas verbindet. Würde bei der Verbrennung nur Kohlenoxydgas
gebildet, so bedürften die 4670 Tle. Kohlenstoff nur 4311 Tle. Sauer-
stoff, also nur die Hälfte der Menge, die wirklich gebraucht worden
ist. Es muss also bei der Verbrennung im Hochofen ein Gasgemenge
entstehen, welches hauptsächlich aus Kohlensäure und Kohlenoxydgas
besteht. Die Windmenge lässt sich also in der angegebenen Weise
nur ungefähr berechnen, und muss man die erhaltene Zahl durch
einen Erfahrungskoeffizienten reduzieren.

Diese klare Auseinandersetzung von Hassenfratz beweist nicht
nur, wie richtig man bereits den Zusammenhang zwischen Windmenge
und Produktion beim Hochofenbetriebe erkannt, sondern auch, welch
zutreffendes Urteil man über den Verbrennungsvorgang im Hochofen
erlangt hatte, obgleich derselbe erst durch die Analysen der Hoch-
ofengase ca. 30 Jahre später bewiesen wurde.

Übrigens hatten sich auch andere Metallurgen schon vor Hassen-
fratz
mit ähnlichen Berechnungen beschäftigt, unter diesen nament-
lich Schindler 1) und af Uhr 2). Ersterer stellte schon 1799 fol-

1) Siehe Schindlers Preisschrift über den Unterschied des Roheisens und
Frischeisens, 1799, S. 128.
2) Samlingari Bergsvettenskapen af Svedenstjerna och Lidbeck, 1. Heft,
S. 93.

Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
selbst 1000 Pfd. an, so bleiben immer noch 4670 Pfd. Kohlenstoff
übrig. Hierzu wären 13291 Pfd. Wind erforderlich, und es sind nur
10166 gebraucht worden. Diese Menge reicht nicht hin, allen Kohlen-
stoff in Kohlensäure zu verwandeln. Einigen Einfluſs hat der nie
fehlende Wassergehalt der Luft. Sodann fragt es sich aber, ob denn
wirklich aller Kohlenstoff zu Kohlensäure verbrennt und ob nicht ein
Teil desselben in der niedrigeren Oxydationsstufe als Kohlenoxydgas
entweicht. Dieses erfordert viel weniger Sauerstoff, indem hierbei
nur 48 Tle. Sauerstoff auf 52 Tle. Kohlenstoff kommen. Sieht man
genauer zu, wie sich die Verbrennung im Hochofen vollzieht, so kann
dies gar nicht anders sein. Denn wenn auch unmittelbar vor der
Form aller Kohlenstoff zu Kohlensäure verbrennt, so trifft die gebil-
dete Kohlensäure bei ihrem Aufsteigen im Hochofen auf glühende
Kohlen, welche die Kohlensäure zu Kohlenoxydgas reduzieren. An
der Ofengicht strömt nicht bloſs Kohlensäure, sondern auch Kohlen-
oxydgas aus, wodurch die bläuliche Gichtflamme erst entsteht. Der
Wasserdampf der feuchten Luft wird, indem er auf die glühenden
Kohlen trifft, ebenfalls zersetzt und zwar so, daſs sich sein Sauerstoff
mit der Kohle zu Kohlenoxydgas, sein Wasserstoff zu Kohlenwasser-
stoffgas verbindet. Würde bei der Verbrennung nur Kohlenoxydgas
gebildet, so bedürften die 4670 Tle. Kohlenstoff nur 4311 Tle. Sauer-
stoff, also nur die Hälfte der Menge, die wirklich gebraucht worden
ist. Es muſs also bei der Verbrennung im Hochofen ein Gasgemenge
entstehen, welches hauptsächlich aus Kohlensäure und Kohlenoxydgas
besteht. Die Windmenge läſst sich also in der angegebenen Weise
nur ungefähr berechnen, und muſs man die erhaltene Zahl durch
einen Erfahrungskoeffizienten reduzieren.

Diese klare Auseinandersetzung von Hassenfratz beweist nicht
nur, wie richtig man bereits den Zusammenhang zwischen Windmenge
und Produktion beim Hochofenbetriebe erkannt, sondern auch, welch
zutreffendes Urteil man über den Verbrennungsvorgang im Hochofen
erlangt hatte, obgleich derselbe erst durch die Analysen der Hoch-
ofengase ca. 30 Jahre später bewiesen wurde.

Übrigens hatten sich auch andere Metallurgen schon vor Hassen-
fratz
mit ähnlichen Berechnungen beschäftigt, unter diesen nament-
lich Schindler 1) und af Uhr 2). Ersterer stellte schon 1799 fol-

1) Siehe Schindlers Preisschrift über den Unterschied des Roheisens und
Frischeisens, 1799, S. 128.
2) Samlingari Bergsvettenskapen af Svedenstjerna och Lidbeck, 1. Heft,
S. 93.
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[64/0080] Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815. selbst 1000 Pfd. an, so bleiben immer noch 4670 Pfd. Kohlenstoff übrig. Hierzu wären 13291 Pfd. Wind erforderlich, und es sind nur 10166 gebraucht worden. Diese Menge reicht nicht hin, allen Kohlen- stoff in Kohlensäure zu verwandeln. Einigen Einfluſs hat der nie fehlende Wassergehalt der Luft. Sodann fragt es sich aber, ob denn wirklich aller Kohlenstoff zu Kohlensäure verbrennt und ob nicht ein Teil desselben in der niedrigeren Oxydationsstufe als Kohlenoxydgas entweicht. Dieses erfordert viel weniger Sauerstoff, indem hierbei nur 48 Tle. Sauerstoff auf 52 Tle. Kohlenstoff kommen. Sieht man genauer zu, wie sich die Verbrennung im Hochofen vollzieht, so kann dies gar nicht anders sein. Denn wenn auch unmittelbar vor der Form aller Kohlenstoff zu Kohlensäure verbrennt, so trifft die gebil- dete Kohlensäure bei ihrem Aufsteigen im Hochofen auf glühende Kohlen, welche die Kohlensäure zu Kohlenoxydgas reduzieren. An der Ofengicht strömt nicht bloſs Kohlensäure, sondern auch Kohlen- oxydgas aus, wodurch die bläuliche Gichtflamme erst entsteht. Der Wasserdampf der feuchten Luft wird, indem er auf die glühenden Kohlen trifft, ebenfalls zersetzt und zwar so, daſs sich sein Sauerstoff mit der Kohle zu Kohlenoxydgas, sein Wasserstoff zu Kohlenwasser- stoffgas verbindet. Würde bei der Verbrennung nur Kohlenoxydgas gebildet, so bedürften die 4670 Tle. Kohlenstoff nur 4311 Tle. Sauer- stoff, also nur die Hälfte der Menge, die wirklich gebraucht worden ist. Es muſs also bei der Verbrennung im Hochofen ein Gasgemenge entstehen, welches hauptsächlich aus Kohlensäure und Kohlenoxydgas besteht. Die Windmenge läſst sich also in der angegebenen Weise nur ungefähr berechnen, und muſs man die erhaltene Zahl durch einen Erfahrungskoeffizienten reduzieren. Diese klare Auseinandersetzung von Hassenfratz beweist nicht nur, wie richtig man bereits den Zusammenhang zwischen Windmenge und Produktion beim Hochofenbetriebe erkannt, sondern auch, welch zutreffendes Urteil man über den Verbrennungsvorgang im Hochofen erlangt hatte, obgleich derselbe erst durch die Analysen der Hoch- ofengase ca. 30 Jahre später bewiesen wurde. Übrigens hatten sich auch andere Metallurgen schon vor Hassen- fratz mit ähnlichen Berechnungen beschäftigt, unter diesen nament- lich Schindler 1) und af Uhr 2). Ersterer stellte schon 1799 fol- 1) Siehe Schindlers Preisschrift über den Unterschied des Roheisens und Frischeisens, 1799, S. 128. 2) Samlingari Bergsvettenskapen af Svedenstjerna och Lidbeck, 1. Heft, S. 93.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/80>, abgerufen am 18.12.2024.