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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Die Formgebung 1831 bis 1850.
nicht eine einzige Bestellung. Die Zeiten waren für die englische
Eisenindustrie sehr schlecht geworden, und so lauteten alle Antworten
sehr anerkennend, aber ablehnend, weil die Werke für ihre vor-
handenen Hämmer nicht einmal genügende Beschäftigung hatten.
Nasmyth hatte kein Patent für seine Erfindung erwirkt, weil ihm
dazu die Mittel fehlten, er hatte aber auch kein Geheimnis daraus
gemacht, und so kam es, dass Fremde seine Idee ausbeuteten. Nas-
myth
und Gaskell hatten bereits einen so grossen Ruf für ihre
selbstthätigen Werkzeugmaschinen, dass sie vielfach für das Ausland
arbeiteten. Fremde Ingenieure kamen, um Bestellungen zu machen,
und gewöhnlich auch mit der Absicht, neue Fortschritte und Ver-
besserungen kennen zu lernen. Dazu wurde ihnen von den Besitzern
stets auf das bereitwilligste Gelegenheit geboten. Nasmyth machte
aus seinen Entwürfen kein Geheimnis, und sein Skizzenbuch lag
im Bureau offen, auch wenn er selbst abwesend war. Dies war
der Fall bei einem Besuch des Herrn Schneider von Creusot, der
von seinem Ingenieur Bourdon begleitet war. Es waren alte
Geschäftsfreunde, die seit Jahren Bestellungen machten, deshalb war
es nichts besonderes, dass sie das Skizzenbuch durchsahen und den
Entwurf des Dampfhammers fanden. Gaskell, der anwesend war,
erklärte die Skizze, die den Franzosen so gefiel, dass sie sich dieselbe
abzeichneten und genaue Notizen darüber machten. Nasmyth
erfuhr wohl nach seiner Rückkunft, dass die Herren Schneider
und Bourdon dagewesen seien, dass sie sich aber Skizzen aus
dem Skizzenbuche über den Dampfhammer gemacht hatten, wurde
nicht erwähnt, weil dies nicht als etwas besonderes erschien. Nas-
myth
war deshalb im höchsten Grade überrascht, als er im April
1842 nach Creusot kam und hier, als er sehr schön geschmiedete
grosse Teile einer Schiffsmaschine sah, auf seine Frage, wie sie ge-
schmiedet seien, von Herrn Bourdon, der allein anwesend war, die
Antwort erhielt, sie seien mit seinem Dampfhammer geschmiedet, und
wirklich sah er gleich darauf das Kind seines Geistes in voller Thätig-
keit vor sich. Nun erst erfuhr er von Bourdon von dem Besuch in
Bridgewater-Foundry und von den dort genommenen Kopieen und
Notizen, welche die Herren sofort nach ihrer Rückkehr zur Erbauung
des ersten Dampfhammers benutzt hatten. So ist zwar Nasmyth
unbestritten der Erfinder des Dampfhammers, der Ruhm, den ersten
arbeitsfähigen Dampfhammer aber ausgeführt zu haben, gebührt den
Herren Schneider und Bourdon von Creusot in Frankreich. Die
Gebrüder Schneider hatten bereits 1841 ein französisches Patent für

Die Formgebung 1831 bis 1850.
nicht eine einzige Bestellung. Die Zeiten waren für die englische
Eisenindustrie sehr schlecht geworden, und so lauteten alle Antworten
sehr anerkennend, aber ablehnend, weil die Werke für ihre vor-
handenen Hämmer nicht einmal genügende Beschäftigung hatten.
Nasmyth hatte kein Patent für seine Erfindung erwirkt, weil ihm
dazu die Mittel fehlten, er hatte aber auch kein Geheimnis daraus
gemacht, und so kam es, daſs Fremde seine Idee ausbeuteten. Nas-
myth
und Gaskell hatten bereits einen so groſsen Ruf für ihre
selbstthätigen Werkzeugmaschinen, daſs sie vielfach für das Ausland
arbeiteten. Fremde Ingenieure kamen, um Bestellungen zu machen,
und gewöhnlich auch mit der Absicht, neue Fortschritte und Ver-
besserungen kennen zu lernen. Dazu wurde ihnen von den Besitzern
stets auf das bereitwilligste Gelegenheit geboten. Nasmyth machte
aus seinen Entwürfen kein Geheimnis, und sein Skizzenbuch lag
im Bureau offen, auch wenn er selbst abwesend war. Dies war
der Fall bei einem Besuch des Herrn Schneider von Creusot, der
von seinem Ingenieur Bourdon begleitet war. Es waren alte
Geschäftsfreunde, die seit Jahren Bestellungen machten, deshalb war
es nichts besonderes, daſs sie das Skizzenbuch durchsahen und den
Entwurf des Dampfhammers fanden. Gaskell, der anwesend war,
erklärte die Skizze, die den Franzosen so gefiel, daſs sie sich dieselbe
abzeichneten und genaue Notizen darüber machten. Nasmyth
erfuhr wohl nach seiner Rückkunft, daſs die Herren Schneider
und Bourdon dagewesen seien, daſs sie sich aber Skizzen aus
dem Skizzenbuche über den Dampfhammer gemacht hatten, wurde
nicht erwähnt, weil dies nicht als etwas besonderes erschien. Nas-
myth
war deshalb im höchsten Grade überrascht, als er im April
1842 nach Creusot kam und hier, als er sehr schön geschmiedete
groſse Teile einer Schiffsmaschine sah, auf seine Frage, wie sie ge-
schmiedet seien, von Herrn Bourdon, der allein anwesend war, die
Antwort erhielt, sie seien mit seinem Dampfhammer geschmiedet, und
wirklich sah er gleich darauf das Kind seines Geistes in voller Thätig-
keit vor sich. Nun erst erfuhr er von Bourdon von dem Besuch in
Bridgewater-Foundry und von den dort genommenen Kopieen und
Notizen, welche die Herren sofort nach ihrer Rückkehr zur Erbauung
des ersten Dampfhammers benutzt hatten. So ist zwar Nasmyth
unbestritten der Erfinder des Dampfhammers, der Ruhm, den ersten
arbeitsfähigen Dampfhammer aber ausgeführt zu haben, gebührt den
Herren Schneider und Bourdon von Creusot in Frankreich. Die
Gebrüder Schneider hatten bereits 1841 ein französisches Patent für

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[594/0610] Die Formgebung 1831 bis 1850. nicht eine einzige Bestellung. Die Zeiten waren für die englische Eisenindustrie sehr schlecht geworden, und so lauteten alle Antworten sehr anerkennend, aber ablehnend, weil die Werke für ihre vor- handenen Hämmer nicht einmal genügende Beschäftigung hatten. Nasmyth hatte kein Patent für seine Erfindung erwirkt, weil ihm dazu die Mittel fehlten, er hatte aber auch kein Geheimnis daraus gemacht, und so kam es, daſs Fremde seine Idee ausbeuteten. Nas- myth und Gaskell hatten bereits einen so groſsen Ruf für ihre selbstthätigen Werkzeugmaschinen, daſs sie vielfach für das Ausland arbeiteten. Fremde Ingenieure kamen, um Bestellungen zu machen, und gewöhnlich auch mit der Absicht, neue Fortschritte und Ver- besserungen kennen zu lernen. Dazu wurde ihnen von den Besitzern stets auf das bereitwilligste Gelegenheit geboten. Nasmyth machte aus seinen Entwürfen kein Geheimnis, und sein Skizzenbuch lag im Bureau offen, auch wenn er selbst abwesend war. Dies war der Fall bei einem Besuch des Herrn Schneider von Creusot, der von seinem Ingenieur Bourdon begleitet war. Es waren alte Geschäftsfreunde, die seit Jahren Bestellungen machten, deshalb war es nichts besonderes, daſs sie das Skizzenbuch durchsahen und den Entwurf des Dampfhammers fanden. Gaskell, der anwesend war, erklärte die Skizze, die den Franzosen so gefiel, daſs sie sich dieselbe abzeichneten und genaue Notizen darüber machten. Nasmyth erfuhr wohl nach seiner Rückkunft, daſs die Herren Schneider und Bourdon dagewesen seien, daſs sie sich aber Skizzen aus dem Skizzenbuche über den Dampfhammer gemacht hatten, wurde nicht erwähnt, weil dies nicht als etwas besonderes erschien. Nas- myth war deshalb im höchsten Grade überrascht, als er im April 1842 nach Creusot kam und hier, als er sehr schön geschmiedete groſse Teile einer Schiffsmaschine sah, auf seine Frage, wie sie ge- schmiedet seien, von Herrn Bourdon, der allein anwesend war, die Antwort erhielt, sie seien mit seinem Dampfhammer geschmiedet, und wirklich sah er gleich darauf das Kind seines Geistes in voller Thätig- keit vor sich. Nun erst erfuhr er von Bourdon von dem Besuch in Bridgewater-Foundry und von den dort genommenen Kopieen und Notizen, welche die Herren sofort nach ihrer Rückkehr zur Erbauung des ersten Dampfhammers benutzt hatten. So ist zwar Nasmyth unbestritten der Erfinder des Dampfhammers, der Ruhm, den ersten arbeitsfähigen Dampfhammer aber ausgeführt zu haben, gebührt den Herren Schneider und Bourdon von Creusot in Frankreich. Die Gebrüder Schneider hatten bereits 1841 ein französisches Patent für

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/610>, abgerufen am 23.07.2024.